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Die Spendierhosen des Bürgermeisters

Unsere Tochter hat beim Schulschwimmen einen Pokal gewonnen. Ich erzähle das nur, weil der Bürgermeister unseres Brüsseler Stadtteils den Pokal gerne überreicht hätte und nicht darf. Unser Bürgermeister hat nämlich bis vor kurzem überaus viele Pokale überreicht. Er hat sogar Sportwettbewerbe erfunden, mit  möglichst vielen Pokalen, die er dann an möglichst viele Kinder übereichen konnte. Ich sags ungern, aber der Pokal meiner Tochter ist auch so einer. Wurde aber jetzt von einem Stadtrat überreicht.

Grund dafür ist, dass die Zeitungen sich irgendwann nicht mehr interessierten für die Pokal-Verleihungen des Herrn Bürgermeisters. Dieses Informationsdefizit musste das Gemeindeblatt „Wolu-News“ ausgleichen, benannt nach dem Stadtteil Woluwe. Vor allem vor den Kommunalwahlen kam Wolu-News daher wie das Neue Deutschland nach Honeckers Besuch auf der Leipziger Messe. 36 Bilder, 34 mit dem großen Vorsitzenden.

Aber dann hat der letzte Sozialist im Stadtrat beim Innenminister gepetzt wg. Mißbrauchs öffentlicher Gelder. Seitdem ist der Bürgermeister suspendiert und versteht die Welt nicht mehr. Haben wir doch immer so gemacht, sagt er und lässt Handzettel verteilen mit dem schönen Motto: „Wir wollen unseren Bürgermeister wieder haben.“ Hätte fast geklappt, aber der Sozialist hat nachgelegt, dass das Spendenkonto des jährlichen Wohltätigkeitsballs identisch ist mit dem Privatkonto des Bürgermeisters.

Nicht dass der Chef das Geld verprasst hätte, dafür gibt es keine Beweise. Vermutlich hat er die Wohltätigkeit einfach nur wahltaktisch eingesetzt. Klientelismus war bis vor 15 Jahren der Humus der belgischen Parteienlandschaft. „Macht hat man, um sie zu mißbrauchen“, hat ein belgischer Vizepremier noch vor 20 Jahren gesagt, und niemand hat sich aufgeregt. Die Zeitung „Le Soir“ hat dann aber rausgefunden, dass alle anderen Brüsseler Stadtteile inzwischen richtige Spendenkonten und offene Buchführung pflegen. Nur unser Bürgermeister  will noch immer nicht sagen, wen er nach dem Ball als bedürftig eingestuft hat. Das sei seine Sache, wettert er aus der Verbannung, er habe immer Gutes getan und nie darüber geredet.

Aber den Pokal an unsere Tochter hätte er schon gerne öffentlich überreicht, damit „Wolu-News“ ein Bild machen kann.

 

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