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Helau auf chinesisch! Der Volkskongress tagt

 

 

 

 

Der 5. März ist in Peking Beginn des Karnevals chinesischer Prägung. Chinas Minderheiten müssen nämlich in ihren Kostümen in der Großen Halle des Volkes antreten, um im Parlament die Einheit des Landes zu demonstrieren. Der jährliche Volkskongress hat begonnen, wie immer mit dem vom Premier vorgetragenen Rechenschaftsbericht, diesmal 35 eng geschriebene Seiten, und er endet damit, dass die Delegierten selbigen brav abnicken. Fragen sind nicht erlaubt, mit einer Ausnahme: nach Abschluß stellt sich der Premier den in- und ausländischen Journalisten auf einer Pressekonferenz.

Weil aber Chinas KP nichts dem Zufall überläßt, bekommen viele meiner Kollegen und Kolleginnen in diesen Tagen Anrufe aus dem Außenministerium. Meist beginnen sie so ähnlich:

„Sie haben doch den Bericht des Premiers verfolgt – wahrscheinlich haben Sie noch Fragen dazu?“

„Ja, durchaus…..“

„Die könnten Sie ja auf der Pressekonferenz stellen. Was wollen Sie denn fragen?“

„???“

Klar ist, dass sich die chinesische Presse an solche Absprachen hält. Klar ist auch, dass sich kaum ein ausländischer Korrespondent zum Büttel der chinesischen Zensur machen will. Er/sie hat also zwei Möglichkeiten:

1) er/sie lehnt das Ansinnen entrüstet ab und wird vom Chef der Informationsabteilung, der die Fragesteller aussucht, garantiert nicht aufgerufen

2) er/sie geht zum Schein darauf ein, stellt aber auf der Pressekonferenz eine ganz andere, natürlich kritische Frage.

Im zweiten Fall wird man zwar Chinas Premier kaum in Verlegenheit bringen, der auch auf kritische Fragen ausweichende Antworten parat hat, kann aber sicher sein, sich einen kleinen Beamten im Außenministerium zum Feind gemacht zu haben. Den Anrufer nämlich, der die mißglückte Absprache dann ausbaden muß. Das ist es kaum wert – noch dazu für eine Antwort, die nur selten Nachrichtenwert hat.

Also verzichtet man auf die Offenlegung seiner Frage und hofft, trotzdem aufgerufen zu werden. Schließlich muss auch das chinesische Staatsfernsehen seinen Zuschauern die Beteiligung der westlichen Presse dokumentieren.

Leider gehen aber doch immer wieder einige Kollegen und Kolleginnen auf die Absprache ein … und sorgen mit dafür, dass die Pressekonferenz des Premiers genau so spannend verläuft wie vorher der Volkskongress.

 

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