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Heute mache ich etwas, was ich mein ganzes Leben standhaft vermieden habe: Ich gehe zur Uni. Nur eine Stunde lang. Ich werde vor Christchurchs Journalistikstudenten als leibhaftige Auslandskorrespondentin Rede und Antwort stehen. Hoffentlich hängen die Erwartungen da mal nicht zu hoch. Immerhin kann ich akute Verletzungen vorweisen. Keine Augenklappe wie Kriegsreporterin Marie Colvin von der Londoner Sunday Times im Irak, aber fast: Eine Platzwunde auf der Braue und ein grünlila Veilchen.
Das habe ich vom Golfspielen. Golf habe ich ebenfalls mein ganzes Leben vermieden, aber vor einer Woche wurde ich als Familienbegleitung zu einer kleinen Medizinerkonferenz in eine Art Landhotel eingeladen – eines von der überteuerten Sorte, die gerne unter dem blumigen Namen ‚boutique accomodation‘ laufen und amerikanischen Besuchern gefallen sollen. Was in dem Fall bedeutete, dass man sich ein Polohemd mit dem Logo des Resorts kaufen konnte und eine einfache Massage das Dreifache wie daheim kostete. Ich sparte mir Massage wie Polohemd, dafür ließ ich meine Söhne minderjährig und unerlaubterweise im Golfwägelchen herumkreuzen. Zum Abschluss wollten sie mir kurz die Driving Range demonstrieren. Und so geschah es, dass ein Schläger mit voller Wucht in meinem Gesicht landete.
Drei Tage später musste ich mich auf einen Korrespondenteneinsatz begeben. Ich sollte für ein schönes Wochenendmagazin eine schöne Farm in den Bergen besuchen und was Schönes schreiben. Sowas Angenehmes mache ich nicht alle Tage, davon konnte mich auch die leichte Gehirnerschütterung nicht abhalten. Angeregt worden war der ‚interaktive Homestay‘ von der Tourismuswerbung Neuseelands, die sich tolle Sachen einfallen lässt und Medien gerne unter die Arme greift. Doch die Sache bekam einen Haken. Wäre es doch ein Angelhaken gewesen! Aber nein, statt übers Forellenfischen oder Jetboatfahren, statt über die köstlichen Weine der Region oder gar die grünen Golfplätze Queenstowns – indiskutabel, siehe oben – wollte ich übers Schafescheren berichten. Was irgendwie nahe liegt, da es auf der Farm von 29.000 Merinoschafen wimmelt, die gerade unters Rasiermesser kommen.
Diese Interaktivität war so gar nicht im Sinne der PR-Strategen. Schafe und Neuseeland: Das passt zwar – excuse the pun – wie die Faust aufs Auge, soll aber tunlichst in jedem gedruckten Zusammenhang vermieden werden. Total imageschädigend! Schließlich hat unser Aotearoa so viel mehr zu bieten. Seit Jahren heißt das inoffizielle Motto der Tourismusbehörde ‚Don’t mention the sheep‘. Was übersetzt meinem Buchtitel „Was scheren mich die Schafe“ entspricht. Ich stehe im Fronteinsatz nach Möglichkeit auf der richtigen Seite.
Also ließ ich mich auf der Farm aus Rücksicht auf diese Befindlichkeiten nicht im Schafstall fotografieren, sondern mit einem Huhn auf dem Arm. Das flatterte erbost auf, verhakte sich mit seinen Krallen in meinem Ärmel und stach mir mit dem Flügel um ein Haar ins kaputte Auge. Die Studenten werden staunen.