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Puschen und Bettdecken raus: Der Frühling kommt!

Das chinesische Neujahrsfest heißt auf Chinesisch \\\’Chunjie\\\’: Frühlingsfest. Denn danach, so glauben viele Chinesen, beginnt unmittelbar der Frühling. Eine recht optimistische Annahme, denn das Fest liegt zwischen Ende Januar und Mitte Februar. Dieses Jahr aber scheinen zumindest die Shanghaier den Frühling herbeigeböllert zu haben. Noch bevor am Wochenende auf dem Laternenfest mit erneutem Großfeuerwerk die zweiwöchige Neujahrsperiode zu Ende geht, ist es warm geworden. Ganz plötzlich. Von 1 auf 22 Grad. Darauf reagieren die Shanghaier in den vielen Nebengassen und Wohnquartieren sofort: Sie stellen ihre Bettdecken und ihre traditionellen gestrickten Pantoffeln zum Lüften und Durchtrocknen auf die Straße, und reißen die Fenster auf. Ältere schieben Stühle in die Gassen und wärmen sich lächelnd in der Vorfrühlingssonne.

Denn der Winter hat es in sich: Nicht wegen der arktischen Temperaturen draußen, die selten unter den Gefrierpunkt fallen. Sondern weil Shanghai grade mal eben südlich des Yangtse-Stromes liegt, und südlich des Yangtse gibt es in China keine Heizung. Die Menschen wärmen sich also mit auf Heizbetrieb umgestellten Klimaanlagen oder Elektro-Radiatoren, die regelmäßig alle Sicherungen rausknallen lassen. Oder sie heizen gar nicht – und tragen auch zuhause Schichten aus langer Unterwäsche, Leggings, Pullovern und wattierter Kleidung. Auch die im Sommer von älteren Shanghaiern gern auf der Straße getragenen Schlafanzüge gibt es aus wattiertem Feincord für den Winter. Viele Kleinkinder stapfen als kleine Michelin-Männchen herum. Das Ende der feuchten Kälte ist für alle also auch ein Ende des ständigen Frierens. Insofern ist es höchst verständlich, dass die Menschen den Frühling mit größtmöglichem Getöse, Raketen in Hunderter-Batterien und 3 Meter langen Peepmanscher-Ketten begrüßen. Feuerwerk in Deutschland und D-Böller sind Kinderfasching dagegen.

Natürlich haben wir mitgemacht, wir wollen ja auch nicht mehr frieren. Ich habe im letzten Jahr die langen Unterhosen zuhause verweigert – und immer gefröstelt. In diesem, noch etwas kälteren Winter, habe ich klein beigegeben und sie schließlich angezogen – aber nun mit Freuden in den hintersten Winkel des Kleiderschranks verbannt. In der Hoffnung, sie nicht doch nochmal herausholen zu müssen.

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