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Westliche Manager: Die besseren Chinesen

Komme gerade aus Peking zurück, wo DaimlerChrysler am Freitag das erstes Mercedes-Werk in China eröffnet hat, im Detail hier nachzulesen.

Konzernchef und Ex-Werbestar Dieter „Dr. Z.“ Zetsche war extra aus Deutschland eingeflogen und begrüßte die versammelten Arbeiter und Ehrengäste auf Chinesisch. Zetsche bemühte sich, in seiner Rede so oft wie möglich zu betonen, welch großen Beitrag DaimlerChrysler mit der Werkseröffnung zum Aufbau der chinesischen Volkswirtschaft leistet.

Der Pekinger KP-Parteisekretär war gekommen. Es gab chinesische Trommler, Feuerwerk und eine Bühnendarbietung im Stil kommunistischer Propagandafolklore. Das war die Oberfläche.

Nun ist in China bekanntlich vieles anders, und wir alle sind hier nur Gäste. Aber es entbehrt nicht einer gewissen traurigen Komik, wenn man beobachtet, wie deutsche Konzerne versuchen, sich in China wie die besseren Chinesen zu präsentieren.

Für uns Journalisten fängt das fühlbar bei der Informationspolitik an. Es wäre interessant gewesen, zu erfahren, wie DaimlerChrysler mit der Fabrik Geld verdienen will, welche Folgen die neue Luxussteuer von 20 Prozent für den Automarkt hat und welche technologischen Geheimnisse DaimlerChrysler verraten musste, um die Genehmigung für das Joint-Venture-Werk zu bekommen. Doch ein Hintergrundgespräch mit dem Management wurde „aus Zeitmangel“ per SMS abgesagt.

„Sorry, Buddy“, sagte der Pressesprecher, ein sehr amerikanischer Amerikaner und bot alternativ ein Abendessen an, "leider ohne das Management". Chinesische Firmen und Behörden verfahren nach der gleichen Strategie: Beschäftigt die unangenehmen Medienmenschen mit Dauerbanketten und opulenten Saufgelagen, sonst könnten sie aus Langeweile recherchieren.

DaimlerChrysler verhält sich wie die meisten deutschen Firmen. Die Kommunikationschefin von Siemens in Peking ruft grundsätzlich nicht zurück. Wenn man sie in einem seltenen Fall von Glück oder Versehen doch einmal am Telefon erwischt, bemüht sie sich um Informationsverhinderung. Fast alle internationalen Konzerne verteilen bei Pressekonferenzen rote Umschläge mit „taxi money“ an die chinesischen Journalisten, die kritischen Fragen dafür gerne runterschlucken. Der Pressesprecher eines Münchner Halbleiterherstellers hat mich einmal aufgefordert, ihm meinen Artikel vor der Veröffentlichung vorzulegen.

Ich habe den Eindruck, dass das chinesische Verständnis von Presse- und Meinungs- und Informationsfreiheit vielen ausländischen Konzernen gut gefällt. Und nicht nur das. Wenn man in Peking oder Schanghai mit deutschen Unternehmern zusammensitzt und über Politik plaudert, fällt nicht selten der Satz: „Demokratie passt nicht zu China.“ Viele Manager sind zu Freunden der Diktatur geworden.

Westliche Werte gelten den Geschäftsleuten beim Verkauf von Maschinen und Autos in China als geschäftsschädigender Ballast. Als der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau bei einer Chinareise vor drei Jahren mit milden Worten die Durchsetzung von Menschenrechten einforderte, klagten die verärgerten Statthalter der deutschen Industrie über den wirtschaftlichen Schaden, den Raus Rede der deutschen Wirtschaft angeblich bereitet habe. Die Firmen zeigen sich lieber als die untertänigen Freunde der Regierung. Ein deutscher Ingenieur soll vor ein paar Jahren sogar versucht haben, Mitglied der Kommunistischen Partei zu werden. Sein Antrag wurde abgelehnt.

Lange hielt sich im Westen die These, dass der Handel mit China das Land langfristig demokratisieren werde. Das kann heute nur noch behauten, wer Gucci-Brillen und Louis-Vuitton-Handtaschen für eine politische Aussage hält. Chinas Wirtschaftsboom, der sich auch auf Außenhandel und Direktinvestitionen stützt, hat die Kommunistische Partei so stark wie nie zuvor gemacht. Statt die Idee der Demokratie nach China zu tragen, sind ausländischen Firmen aus Angst um Marktanteile zu Gehilfen der KP geworden.

Auf Computermessen in Schanghai und Peking preisen amerikanische IT-Konzerne ohne erkennbaren Scham die Vorzüge ihrer Überwachungssysteme für das Internet. Google zensiert sich gleich selbst und Yahoo gibt Nutzerdaten an die chinesische Stasi, und verantwortet damit die Verhaftung des kritischen Journalisten Shi Tao. „Wir müssen die chinesischen Gesetze respektieren“, sagten die Yahoo-Sprecher.

„Jeder hat [das Apartheidsregime in] Südafrika verurteilt, aber jeder kooperiert mit China“, sagt der Dissident Xiao Qiang, der inzwischen in den USA lebt. „Warum sollte China anders behandelt werden?“, fragt auch die Financial Times.

In den USA wird bereits diskutiert, amerikanische Firmen zu bestrafen, die in China zur Verletzung der Menschenrechte beitragen.

China ist anders aber mehr als nur ein Absatzmarkt. Deutschland hat Grundwerte, die bis nach Asien reichen. Wir können sie China nicht aufzwingen. Aber wir dürfen sie auch nicht vergessen. Das gilt besonders im Zeitalter der Globalisierung.

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