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Womit haben wir das verdient?

Alles im Leben hat seinen Preis. Am liebsten vergeben ihn die Schweden. Weil sie so oft gelobt werden, neigen sie ihrerseits dazu, der bösen, rückständigen Welt Rezepte auszustellen. Zum Ritual gehört zwingend der Auftritt eines Blaublüters und eine Preissumme, die so schwindelnd hoch ist, dass ein Raunen durch die Menge geht. Die unbescheidene Summe von einer Million Dollar hat sich im Kreise der Selbstlosen als feste Größe etabliert. Soviel sollte einem die noble Sache schon wert sein.

Birgit Nilsson, schon zu Lebzeiten bekannt für theatralische Abgänge, hat das gewusst. Und hinterließ bei ihrem Tod 2005 ihre eigene wohl ausgestatte Stiftung und laut Selbstanpreisung den „biggest price in the history of classical music“. In einem versiegelten Kuvert erwählte die Diva  den geschätzten Sangeskollegen Plácido Domingo zum ersten Jubilaren. Wozu der noch Ruhm und Geld braucht, weiß man auch beim Stiftungsrat um den ehemaligen VW-Finanzmanager Rutbert Reisch nicht so genau zu sagen. Immerhin sorge sich der Maestro um den musikalischen Nachwuchs.

Mit Pauken und Trompeten kämpft auch Abba-Manager Stig Anderson posthum gegen das Vergessen an. Ende der 80er Jahre hatte er ein paar seiner vielen Millionen in einen Musikpreis gesteckt, um sein Plattenimperium Polar in strahlenden Publicity-Glanz zu tauchen. Seither werden alternde Künstler wie Gilberto Gil, Bob Dyllan und Dietrich Fischer-Dieskau zur Preisvergabe nach Stockholm zitiert.

Lygia Bojunga, Maurice Sendak, Christine Nöstlinger – der im idyllischen Vimmerby verkündete Alma-Preis für Kinder- und Jugendliteratur schmückt sich mit großen Namen aus der Welt der kleinen Leute. Astrid Lindgren ging beim Nobelpreis zwar leer aus. Doch wenige Tage nach ihrem Tod im Januar 2002 schwang sich die damalige sozialdemokratische Regierung selbst zum Stifter auf, angeblich um das Andenken an die so schnöde übergangene Schwedin wach zu halten.

Solch Gezänk ist der ewige Club der Schwedischen Akademie gewöhnt. Am Donnerstag wird der erlauchte Zirkel wieder eine dem belesenen Normalbürger völlig unbekannte Geistesgröße zum vermeintlich unvergänglichen Literaten küren. Peter Englund, Novize im Amt des ständigen Sekretärs und eigentlich ein geselliger Typ, der leidenschaftlich gern blogt und in seiner Freizeit Rezensionen von Computerspielen schreibt, gibt sich in diesen Tagen schmallippig. Denn Kerstin Ekman, die 1984 im Protest auszog, weil die Akademie zum Todesurteil gegen Salman Rushdie keine Worte fand, stochert wieder in alten Wunden: Bis heute hätten die Sprachwächter keine rechte Traute, sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen, so lässt sich die Kritik der zornigen alten Dame zusammenfassen.

Im norwegischen Oslo darf sich auch der Historiker Geir Lundestad, oberster Zeremonienmeister des Friedensnobelpreises, seit bald 20 Jahren die Vorwürfe von Neidern anhören, die seinem Findungskomitee abwechselnd eine falsche Auslegung des Testaments, die Hofierung mächtiger Institutionen oder den Kotau vor Supermächten ankreiden. Von einem „politischen Preis“ spricht Jakob von Uexkull. ,„Wir haben Wangari Maathai, Muhammad Yunus und Monika Hauser entdeckt“, rühmt sich der Philatelist im gleichen Atemzug. Seinen alternativen Right Livelihood Award will er als Protest an der  Vergabepolitik des Komitees verstanden wissen.

Als Reporter im Norden nehm ich solche Eitelkeiten mit Gelassenheit. Ein wenig Glanz, so weiß ich doch, fällt auch auf die Journaille ab. Wann sonst darf man sich zur besten Sendezeit fachsimpelnd über die erfrischende Wirkung der Telomerase auslassen, über das musikalische Nachbeben der Formation Led Zeppelin oder die psychologischen  Abgründe im Werk von Sonya Hartnett? Auch wir Reporter genießen die kleinen Fluchten aus dem oft so mausgrauen Alltag. Und fragen uns am Ende eines langen Preisreigens: Womit haben wir das verdient?

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