SHANGHAI, Mittwoch, der 1. November 2006
Janis Vougioukas
Komme gerade aus Korea zurück. Ich hatte einen Auftrag, einen Artikel über die „Küche der Zukunft“ zu schreiben. Ein koreanischer Elektrokonzern hatte der Redaktion versprochen, uns futuristische Wohnungen zu zeigen, voll mit den modernsten Entwicklungen der Haushaltselektronik.
Ich erwartete große, begehbare Kühlschränke mit Internetanschluss, selbst reinigendes Geschirr und Nano-Kochroboter in U-Boot-Form, die in Suppentöpfen umhertauchen. Mindestens. Ich freue mich auf die Zukunft.
Nach einem viertägigen Programm aus Fabrikbesichtigungen, Powerpointpräsentationen und ermüdenden Fachvorträgen über Kühlschrankgeneratoren stand ich endlich in einer Wohnung. Wollte sehen, wie normale koreanische Familien mit der Zukunftstechnik leben.
Im Flur verstreut lagen Kinderschuhe. Düstere Einbauschränke aus Kunstholz. An der Wohnzimmerwand hing ein Flachbildschirm, den der Firmenvertreter stolz als HomNet vorstellte. Mit ausgestrecktem Zeigefinger klickte er durch umständliche Dialogfenster, bis an der Wohnzimmerdecke zwei Neonröhren aufleuchteten. Das ist die Zukunft? Der Firmenvertreter bemerkte meine Enttäuschung. „218 HomNets haben wir schon nach Dubai verkauft.“ Er versuchte, triumphierend zu klingen.
Unter dem HomNet gab es auch noch zwei normale Lichtschalter. „Meistens nutze ich den. Das ist praktischer“, sagte die Wohnungsbesitzerin (Abbildung ähnlich).
Wir haben uns entschieden, keinen Artikel darüber zu schreiben, in Korea weiß man offenbar auch nicht mehr über die Zukunft als in Deutschland. Aber ich werde mich nie wieder auf die Versprechen eines mir unbekannten Pressesprechers verlassen, wenn ich eine Recherchereise ins Ausland plane.
SHANGHAI, Freitag, der 22. August 2008
Janis Vougioukas
da hatte ich mit einer Pressereise im August nach Seoul, veranstaltet von einer großen deutschen Telekommunikationsfirma, mehr Glück. Die war nahezu perfekt organisiert und hatte zu unserem Thema (Breitband Internet Anwendungen) einiges zu bieten (Telemedizin im Knast, Telelearning in einer Familie, Besuch der Blogcast-Redaktion ohmynews.com etc.). Allerdings kannte ich die Firma und die Pressestelle, Qualität war also zu erwarten. Wenngleich das tatsächlich nicht immer so ist und deine Erfahrungen sich mit meinen in fast 80 Prozent der Fälle (!) decken. Das sind dann nor noch reine "goodwill"-Touren, die man sich mal als Betriebsausflug gönnen kann, die aber in puncto Verwertung nichts bringen. Und den will ich sehen, der sich beispielsweise in Südkorea auf eigene Faust auf die Socken macht.. – Aber das ist ein anderes Thema…
Meine Bitte an Leute aus Pressestellen, die das lesen: wagt einfach mehr Authentizität! wir waren zwar auch bei handverlesenen Familien, aber ohne Firmenvertreter!