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Agit Prop auf Spanisch

Mit leerem Einkaufswagen in den Supermarkt rein, den Karren mit Nudeln, Reis, Bohnen, Speiseöl vollgepackt, und dann wieder raus – ohne an der Kasse halt zu machen, versteht sich und natürlich begleitet von diversen Kameras.In den andalusischen Städtchen Ecija und Arcos de la Frontera haben zwei Dutzend Aktivisten im mittelgroßem Stil Nahrungsmittel entwendet, um sie dann an bedürftige Familien bzw. das Rote Kreuz und andere Sozialeinrichtungen zu verteilen. An vorderster Stelle dabei: der Bürgermeister von Marinaleda und Abgeordnete der Linkspartei IU Juan Manuel Sánchez Gordillo.

In einem Land, in dem laut einer Studie der Caritas-Stiftung FOESSA inzwischen 22 Prozent der Familien unterhalb der Armutsgrenze leben, sorgt eine solche Aktion natürlich für Aufsehen: Politiker jeder Couleur fordern strafrechtliche Konsequenzen, die Kommentare in den Internetforen sind überwiegend positiv – und zwar in Medien der Rechten und Linken.

El País sieht eine neue Ära des künstlerischen Protests heraufziehen und verglich die Aktion mit Performances der Flamencogruppe Flo6x8, die flashmobartig Bankfilialen überfallen und dort den Betrieb mit Gesang- und Tanzeinlagen durcheinander wirbeln (zum Beispiel so). Tatsächlich gibt es (nicht erst seit den Protesten der „Empörten“) inzwischen eine ganze Menge Kunstinitiativen, die Gesellschaftskritik mit Revolte-Chic und kunsttheoretisch fundiertem Aktionismus kombinieren, unter anderem das barcelonesische Kollektiv Enmedio (ein Bericht von mir dazu hier).
Doch die Supermarktplünderungen haben eine andere Qualität, finde ich. Die Gewerkschafter haben vor dem Ausflug zum Supermarkt vermutlich keine Kunsttheorie gebüffelt, sondern haben etwas Naheliegendes getan: Natürlich ist im Krisenspanien noch niemand verhungert, aber die Schlangen vor den Suppenküchen haben sich verdoppelt; „Mülltaucher“, die die Tonnen vor den Supermärkten auf Essbares durchsuchen, sind in vielen spanischen Städten ein Alltagsphänomen. Man mag Aktionen wie die Supermarktplünderungen populistisch und politisch kurzatmig finden oder sie auch als organisierten Diebstahl kritisieren, aber das Ganze als Performance abzutun,damit macht man es sich etwas zu einfach…

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