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Couragiert und kritisch – Erinnerung an Nadine Gordimer

Der Besuch bei Nadine Gordimer in Johannesburg gehört zu den eindrucksvollsten meines Reporter-Lebens. Es war im November letzten Jahres, kurz vor ihrem 90. Geburtstag. Die Literaturnobelpreisträgerin empfing mich im Salon – eine zierliche alte Dame mit lebhaften Augen. Äußerlich wirkte sie fragil, beim Gehen stützte sie sich auf einen Stock, trotzdem ging eine enorme Kraft von ihr aus. Sie sprach konzentriert, auf den Punkt, fast druckreif. Eine wachsame Beobachterin, immer bereit für ein Streitgespräch. Kritisch, couragiert, prinzipientreu.

Vor der demokratischen Wende bot sie dem Apartheid-Regime die Stirn, sowohl in ihren Büchern, als auch als politische Aktivistin. Der Tag der ersten freien Wahlen sei wundervoll gewesen, erinnerte sie sich mit funkelnden Augen. Leider hätten viele, auch sie selbst, damals nicht daran gedacht, wie lange die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme in ihrer Heimat nachwirken würden. Trotz ihrer jahrzehntelangen Verbundenheit übte sie zuletzt scharfe Kritik an der Führung der Regierungspartei ANC, prangerte Korruption, Misswirtschaft und Zensur an. Und blieb sich damit treu.

Sie habe ein erfülltes Leben gehabt, sagte mir Nadine Gordimer. Das Beste in ihr, alles Erwähnenswerte stecke in ihren Büchern. Mit dem Leben selbst sei es, wie mit einer Blume: “Die Knospe öffnet sich, sie blüht und vergeht dann langsam. Andere werden nachwachsen.”  Nadine Gordimer jedoch war eine außergewöhnliche Blume. Ihr Tod hinterlässt in Südafrika eine Lücke, die nur schwer zu füllen sein wird.

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