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Napoleon hat wieder verloren

Das waren noch Zeiten, als die Völker Europas noch nicht im Ministerrat in Brüssel aufeinander losgingen, sondern 20 Kilometer vor der Stadt, drüben bei Waterloo. Manchmal machen sie das heute noch, vor einigen Tagen zum Beispiel. Da pflanzten die Preußen die Bajonette auf und rannten auf die Franzosen los, denen auf der anderen Seite die Engländer und die Holländer mit ihren Kanonen schwer zusetzten.

Es ist erstaunlich, wieviel Tausende von Menschen ihre Wochenenden damit verbringen, in sengender Hitze oder auch mal im knietiefen Schlamm alte Schlachten zu schlagen. Es wird weit mehr gekämpft auf Europas Wiesen als das Fernsehen übertragen will. In Waterloo werden Napoleons Truppen alle fünf Jahre niedergemacht, immer so um den 18. Juni herum. Dazwischen wird anderswo belagert und gemetzelt. Die meisten Hobby-Soldaten kennen sich von Valmy, von Austerlitz, von Jena und Auerstedt und frühstücken zusammen, bevor sie schweres Geschütz aufeinander richten.

Auf die Nationalitätenkennzeichen kann man sich so wenig verlassen wie damals, als die Söldner anheuerten, wo das Essen besser war. Heute entscheidet eher die Uniform. Charles-Henry, der daheim in Brandenburg Karl-Heinz heißt, hat vor langer Zeit bei einer Kostümauktion eine französische Uniform ergattert und muss jetzt immer bei Napoleon mitmarschieren. Obwohl er im Herzen Preuße ist. Sein Freund Pierre aus Sachsen dagegen hat auch innerlich angeheuert und denkt manchmal sogar in französisch, sagt er, was nicht leicht ist, wenn man nur 30 französische Wörter zur Verfügung hat.

Für die Zuschauer ist das Spektakel eher beschaulich. Manche sagen auch langweilig, weil es doch Stunden dauert, bis Blücher seine Truppen den ganzen Bogen von Wavre raufgeführt hat. Da versteht man den Herzog von Wellington, der gesagt haben soll: „Ich wünschte es wäre Nacht und die Preußen kämen endlich.“ Richtig aufregend ist es allerdings für die Hauptdarsteller. Beim letzten mal musste Napoleon morgens um sechs mit Herzinfarkt vom Platz getragen werden. Die Schlacht ging trotzdem aus wie immer: Napoleon hat wieder verloren.

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