SYDNEY, Montag, der 16. Juli 2007
Julica Jungehülsing
Danke, danke, wir haben es mitbekommen, selbst an entlegenen Globusrändern wie Australien wissen wir: Deutschland wandert aus was das Zeug hält. Von deutschen TV-Sendern auf allen Kanälen begleitet, von jeder anderen Medienart beschrieben und erzählt, von Unrast getrieben. Und wir? Wir, die wir an denen angeblich so begehrten Fluchtzielen leben, können dann wohl einfach sehen, wie wir damit klar kommen, wie? Naja, das geht schon ok. Auch wenn ich mich zuweilen insgeheim frage, wie es wird, demnächst nach Deutschland zu kommen – und peng: da ist keiner mehr. Alle futsch. Good-bye und Tschüs. Logisch, ich weiß, ein paar bleiben. Muss ja. Schon allein die, die all die Serien schreiben und filmen oder angucken müssen. Und die nämlich, die haben super viel Spaß in Deutschland zur Zeit. Eine Riesengaudi. Monsterjux.
Woher ich das weiß? Auch dank des Auswanderer-Booms. In Deutschland wird nämlich längst nicht mehr für Geld gearbeitet. Kein Scherz. Gerackert wird aus lauter Spass an der Freude, aus schierer, purer Lebenslust! Lohn, Honorar, Bezahlung? Pah, das ist doch was für Nörgler und Auswanderer. Oder für Korrespondenten am Ende der Welt, die noch nix von der neuen deutschen Spass-Gesellschaft gehört haben. Für Hinterwäldler wie mich. Die angemailt, angerufen, angetextet werden um den deutschen Medienauswandererboom zu füttern. Mit frischen Fällen. “Sind Sie doch bitte so nett, bis Anfang der Woche bräuchten wir ein Single aus Bayern …” “Würden Sie bitte mal schnell… – Ah, nee, Sydney hatten wir schon so oft, können Sie nicht wen auftreiben, der ins Outback gezogen ist?” “Na, das klingt doch super, aber wäre schon besser, wenn die Familie auch Haustiere hätte… “ Lustige Recherche-Arbeit eben. Durch den Kontinent telefonieren, Leute überreden, Kontakte auswringen, wieder telefonieren. Mach ich ganz gern mal zwischendurch. Vorher teile ich den deutschen TV-Mitarbeitern meinen Tagessatz für derlei Dienste mit. Und dann hört der Spass ganz abrupt auf. Oder fängt so richtig an, wie man’s nimmt. Bezahlen ist nämlich (siehe oben) von gestern. “… haben wir eigentlich leider nicht die Möglichkeiten, Honorare zu zahlen…” lese ich dann, oder “…teile ich Ihnen mit, dass wir Vermittlungen dieser Art in der Regel nicht vergüten…” Und zuletzt höre ich: “Wir sind auf die Mitarbeit von Kollegen angewiesen, die Spaß an der Sache haben und uns gerne unterstützen möchten.” Einen Riesenspass hatte ich. Danke, Channel X! Selten so gelacht. Sorry, aber unter uns: Wenn ich Spaß brauche, geh ich dann doch lieber surfen als für deutsche Sender honorarfrei am Telefon zu hängen (auch Telekommunikation ist übrigens in Australien noch gebührenpflichtig).
PS: Mit welchen Spaß-Moneten, in welcher Lach-Währung bestreiten deutsche Fernsehredakteure eigentlich inzwischen ihren Alltag? In Sydney, falls das eine der Auswanderer-Serien interessiert, werden altmodische Sachen wie zB Miete – total vorsintflutlich – immer noch in Dollar gezahlt.
Wir hatten auch schon Kontakt mit dem AuswandererTV Genre und sind nach einem TeleCasting auch eingeladen worden, als Dokumentarobjekt gefilmt zu werden. Nach längerer Überlegung haben wir aber abgelehnt, weil man doch nie weiss, wie "die Fernseh Typen" das dann alles darstellen. Schliesslich ist ja kein Konflikt auch kein gutes Fernsehen.
Und vielleicht hätte sich dann unser halber Bekanntenkreis in Deutschland gefragt, was für Aussteigerspinner wir geworden sind. Dass sie für Recherche nix zahlen wollen zeigt auch einmal mehr wie ernsthaft der Journalismus da genommen wird und wie wenig Geld mit TV dieser Tage zu machen ist. Kann man ja leider auch am Billigfernsehen hier in OZ sehen: "Dancing with the Stars" und derlei Studio-Langweiler.
SYDNEY, Mittwoch, der 22. April 2020
Julica Jungehülsing
SYDNEY, Dienstag, der 3. April 2018
Julica Jungehülsing
hey julica, keine angst: ich bin noch da, wenn du mal kommst, und freue mich, wenn du mich besuchst, wir gehen dann irgenwohin, bischen lachen. Sonst hast du aber die devise der deutschen erkannt: wir sind eine Niedriglohn-spassgesellschaft geworden. Lokführer, krankenschwestern, kindergärtnerinnen, lehrer, ärzte, etc. arbeiten vor allem, um spaß zu haben, über so vorsindflutliche und eigentlich ja auch schmuddelige details wie lohn oder bezahlung wird schon lange nicht mehr geredet. geld ist so schmuddelig, dass wir lustigen es lieber ein paar vorstandsvorsitzenden, bankern, brokern, managern lassen, damit die sich die hände schmutzig machen. das tun die gerne für uns, ganz selbstlos. lieb, ne?