Wir berichten aus mehr als 160 Ländern –
aktuell, kontinuierlich und mit fundiertem Hintergrundwissen.
Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.
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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert
Viele Zeitungen berichten von den Lesungen, zu denen auch Philip Hedemann von Buchläden, Bücherein auber auch von vielen Schulen eingeladen wird. Auch viele Radiostationen rezensierten das Buch bereits, zum Beispiel Bayern 2
Autorinnen und Autoren haben auf Dutzenden von Lesungen in ganz Deutschland (hier ein Bericht aus dem oberpfälzischen Pressath) diskutiert, sich Kritik gestellt und Fragen beantwortet.
Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weitergegangen ist und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philipp erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.
Im Audio hören Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl ins Audio, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.
Birgit Kaspar in Toulouse spricht mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach Jahren in Paris, bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.
Zu weit weg?
Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Engelhard hat außer vielen positiven Rückmeldungen natürlich auch kritische bekommen. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderem Land 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”
Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.
In Lesbos bleiben die Tische leer
Im Audio #2 hören Sie von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sein Leben auf der Insel Lesbos sich komplett verändert hat. In Skala Sikamineas gleich am idyllischen Hafen bleiben die Tische leer. Zwar kommen dort keine Flüchtlinge mehr an wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr, sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.
Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aussitzen. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste nicht nur von Menschenrechtsorganisationen noch immer unklar ist.
Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.
Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast noch einiges Neues.Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.
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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert
Viele Zeitungen berichten von den Lesungen, zu denen auch Philip Hedemann von Buchläden, Bücherein auber auch von vielen Schulen eingeladen wird. Auch viele Radiostationen rezensierten das Buch bereits, zum Beispiel Bayern 2
Autorinnen und Autoren haben auf Dutzenden von Lesungen in ganz Deutschland (hier ein Bericht aus dem oberpfälzischen Pressath) diskutiert, sich Kritik gestellt und Fragen beantwortet.
Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weitergegangen ist und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philipp erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.
Im Audio hören Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl ins Audio, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.
Birgit Kaspar in Toulouse spricht mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach Jahren in Paris, bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.
Zu weit weg?
Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Engelhard hat außer vielen positiven Rückmeldungen natürlich auch kritische bekommen. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderem Land 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”
Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.
In Lesbos bleiben die Tische leer
Im Audio #2 hören Sie von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sein Leben auf der Insel Lesbos sich komplett verändert hat. In Skala Sikamineas gleich am idyllischen Hafen bleiben die Tische leer. Zwar kommen dort keine Flüchtlinge mehr an wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr, sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.
Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage aussitzen. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste nicht nur von Menschenrechtsorganisationen noch immer unklar ist.
Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.
Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast noch einiges Neues.Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare und Kritik gab es seither reichlich und diese Reaktionen waren so spannend wie vielseitig. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.
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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert
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aktuell, kontinuierlich und mit fundiertem Hintergrundwissen.
Ich bin ja jetzt schon eine ganze Weile in Kalifornien, angekommen als ARD-Radio-Korrespondentin und inzwischen als selbständige Journalistin mit allen Höhen und Tiefen, die das freischaffende Leben so mit sich bringt.
Zu den Höhen zählt eindeutig, dass es nun das erste Buch von mir gibt. Ein Jahr in Kalifornien!
Als der Herder-Verlag mich fragte, ob ich Lust auf das Projekt hatte, war ich sofort neugierig. Schon lange träumte ich davon, ein Buch zu schreiben. In der Grundschule habe ich des sogar schonmal gemacht. Selbstgebundene und illustrierte Abenteuer eines Mädchens, frei erfunden mit starken autobiographischen Zügen. Der Dackel meiner Freundin hat das gute Werk leider vernichtet bevor es zum Bestseller werden konnte.
Jetzt also ein neuer Versuch. “Ich finde das Jahr, in dem ich mich selbständig gemacht habe spannender als mein erstes Jahr in Kalifornien”, sagte ich beim Treffen mit dem Lektor. Der antwortete diplomatisch, das sei sicher auch sehr interessant, aber in der Serie gehe es mehr darum, wie das so ist, wenn man in einem neuen Land ankommt, die Bürokratie ist anders, die Menschen und das Wetter sowieso.
Ja, wie war das damals eigentlich? Ich versuchte mich zu erinnern und mir fiel einiges ein – wie am roten Teppich die Prominenz einfach an mir vorbei ging, wie ich durch die erste Führerscheinprüfung gefallen bin, den ersten prall gefüllten Waffenschrank gesehen habe, wie ich mit Aktivisten Wasser in die Grenzwüste gebracht habe, und wie ich staunend in der Gischt der Wasserfälle von Yosemite stand. Und natürlich wie wunderbar es nach 14 Jahren Berliner Winter war – und noch immer ist – dass so oft die Sonne scheint.
Jetzt ist es raus in der Welt, mein erstes Buch. Bei mir ist allerdings noch keins angekommen, obwohl der Verlag das Paket mit Belegexemplaren schon vor einer Weile abgeschickt hat. Auch das ist so eine kalifornische Erfahrung: transatlantische Post kostet zwar ein Vermögen, bewegt sich aber im Tempo der Postkutschen-Zeit.
Ob das ins nächste Buch passt? Eher nicht. Ich glaube, das wird eine erfundene Geschichte mit nur ein paar autobiographischen Zügen.
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In der New York Times stand, die Teilnahme sei freiwillig. Ich glaube, das war ein Missverständnis. Uns hat jedenfalls keiner gefragt. Eines schönen Frühlingsmorgens stand der kleine Henkelmann vor der Tür. Hellbrauner Plastikkörper mit schneeweißem Griff, überraschenderweise nicht in China gefertigt, sondern in Kanada.
Ein paar Tage später kam der große Bruder, braun mit orangefarbenem Schnappverschluss, und der Aufschrift „NYC Organic Collection“.
Sie ahnen es: New York probt den Einsatz der Biotonne.
Dass in den Pilotversuch mit 70 000 Haushalten unser Viertel Park Slope einbezogen wurde, könnte mit dem von mir bereits in einem früheren Blog erwähnten Umstand zu tun haben, dass Bill de Blasio in der Nachbarschaft wohnt, seit Januar Bürgermeister von New York City. Nach monatelangen Zögern ringt sich die Familie de Blasio jetzt allerdings doch zum Umzug nach Gracie Mansion durch, der traditionellen Bürgermeistervilla an der Upper East Side. Dass es dort besser sein soll als hier, können wir stolzen Brooklynites uns nun gar nicht vorstellen.
De Blasio zieht also weg und wir behalten die Biotonne. Ich finde, das ist kein schlechter Tausch. Es war zwar nicht ganz einfach, die empfohlenen kompostierbaren Beutel aufzutreiben, obwohl die Stadt dem Henkelmann vier Coupons unterschiedlicher Hersteller beigelegt hatte. Und es ist wohl auch noch wenig Preisdruck auf dem neuen Markt, denn 25 Beutelchen kosteten 5.49 Dollar. Trotzdem freue ich mich, dass meine Küchenabfälle nun eine sinnvolle Nutzung erfahren.
Mit meiner Zufriedenheit bin ich allerdings ziemlich allein. Die Nachbarn stört ein ganz banaler Umstand: Der Küchen-Kompost stinkt. Für etliche Großstädter ist dies offenbar eine neue Erkenntnis. Und so werden Tipps ausgetauscht, wie sich die Geruchsbelästigung verhindern lässt. Bei einer Umfrage der New York Times empfahlen die einen ein Duftspray der Marke Febreze, aber nur mit Zimtaroma – Vanille verschärfe das Problem. Ob die mit Chemieduft besprühten Abfälle wohl genauso gut rotten wie unbehandelte? Andere Mitbürger verstauen den Henkelmann in der Eistruhe – Kompost eisgekühlt. Bei allem Umweltbewusstsein, wir sind immer noch in Amerika.
Fotos: Christine Mattauch
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Diese Woche wurde unsere Straße geteert.
Sie fragen sich, wo da der Nachrichtenwert liegen soll? Dann waren Sie noch nie in New York.
Eine anständige New Yorker Straße hat ungefähr alle zwei Meter ein Schlagloch, einen Riss oder einen Buckel. Sie ist bereits 32mal notdürftig repariert worden, was man ihr auch ansieht. Diese Fotos habe ich gestern mal eben auf dem Weg zum Supermarkt gemacht.
Dabei lebe ich in einem respektablen Brooklyner Viertel namens Park Slope, in dem auch Bill de Blasio zuhause ist, seit Januar neuer Bürgermeister von New York. Es ist nicht ganz abwegig, einen Zusammenhang zwischen seiner Wahl und den plötzlichen intensiven Straßenreparaturarbeiten in Park Slope zu vermuten. Unser Viertel erfreut sich seit der Bürgermeisterwahl gesteigerter Aufmerksamkeit. Seit Januar ist Park Slope auf der Wetterkarte des populären Fernsehsenders NY1 verzeichnet. Auf den Avenuen wurden neue saubere Recycling-Eimer aufgestellt, und wir sind jetzt Pilotbezirk für die Biotonne.
Doch zurück zu den Schlaglöchern. David Letterman, Moderator der Kult-Fernsehsendung Late Night Show, witzelte mal, in New York seien die „potholes“ so tief, dass einige ihre eigenen Andenkenläden hätte. Warum die Straßen so schlecht sind, ist ein auf Stehempfängen gern diskutiertes Thema. Die Republikaner machen die Gewerkschaften verantwortlich und die Demokraten zu niedrige Steuern. In der deutschen Expat-Gemeinde herrscht wie stets die Ansicht vor, dass die Amerikaner „es“ einfach nicht können. Ich halte das schon deshalb für eine Unterstellung, weil ich beispielsweise im Mittleren Westen und sogar im Bergland von Montana ganz ausgezeichnete Straßen befahren habe.
Was immer die Ursache, die Konsequenzen sind eindrucksvoll. Im vergangenen Jahr zahlte New York City wegen schlaglochinduzierter Schäden 5,5 Millionen Dollar Schadenersatz an Autofahrer, enthüllte kürzlich die New York Times. Dafür könnte man eine ganze Menge Straßen reparieren. Tatsächlich sind die Schäden noch viel größer, denn die Stadt haftet erst, wenn sie von der Existenz eines Schlaglochs schriftlich unterrichtet wurde und nachgewiesenermaßen mehr als 15 Tage untätig blieb.
Der Bundesstaat New York vermeidet solche komplexen Statuten. Dort gilt ein Gesetz, das den Staat von der Haftung durch kaputte Landstraßen komplett freistellt, sofern sich Achsbrüche und Unterbodenschäden von Mitte November bis Ende April ereignen. Das ist sehr wirkungsvoll. 2013 zahlte der Staat New York lediglich 13 386 Dollar an Autofahrer.
Jetzt gibt es eine Initiative, das Gesetz abzuschaffen. Ergriffen hat sie Thomas Abinanti, ein demokratischer Abgeordneter aus Westchester County, einem Bezirk nördlich von New York City. Es ergab sich nämlich, dass Herr Abinanti im Januar auf dem Taconic State Parkway unterwegs war und derart über ein Schlagloch bretterte, dass ein Reifen ersetzt werden musste. Kurze Zeit später passierte ihm das gleiche auf der Interstate 95. Die beiden neuen Reifen kosteten ihn rund 700 Dollar. Das ärgert den Politiker. „Ich verstehe nicht, wie der Staat sich aus der Haftung stehlen kann“, findet er. „Das Gesetz ist unfair.“
Bis sich das notorisch zerstrittene und phlegmatische Parlament in Albany auf eine Revision geeinigt hat, werden aber vermutlich Jahre vergehen. Dann dürfte auch unsere Straße in Park Slope erneut reparaturbedürftig sein, denn der schöne neue Belag fängt an den Rändern bereits an auszufransen. Hoffen wir, dass Bill de Blasio dann noch Bürgermeister ist.
Fotos: Christine Mattauch
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Der längste zusammenhängende Mauerstreifen außerhalb von Deutschland ist – in Los Angeles, auf einer Wiese neben dem Wilshire Boulevard, einer Hauptverkehrsstrecke zwischen West und Ost, gegenüber vom Los Angeles County Museum of Art. Mittags parken hier ein halbes Dutzend Food Trucks, oft sind einer mit Bratwurst und die Currywurst-Konkurrenz dabei.
Die zehn Originalsegmente aus Berlin hat das Wende Museum zum 20. Jahrestag des Mauerfalls nach Los Angeles gebracht. Inzwischen gab es davor Demonstrationen und Picknicks, Konzerte und Hochzeiten.
Viele Fragmente der Berliner Mauer sind in Nordamerika gelandet. Zwei kanadische Künstler haben es sich zur Aufgabe gemacht, zumindest einen Teil von deren Geschichte aufzuspüren und zu dokumentieren. Ihr Projekt heißt Freedom Rocks. Letzte Woche haben Vid Ingelevics und Blake Fitzpatrick dafür Station im Goethe Institut von Los Angeles gemacht.
Vor schlichter Kulisse von Klappstuhl und Tisch mit schwarzer Decke stellten sie Kamera und Scheinwerfer auf. Dann kamen die Besitzer von Mauerfragmenten und erzählten ihre Geschichten.
Die Künstler stellen immer dieselben Fragen: Wie heißt Du? Wo wohnst Du? Woher hast Du die Mauerstücke? Wo bewahrst Du sie auf? Was bedeuten sie heute für Dich?
Sie filmen nur Hände, die die Fragmente halten und haben festgestellt, dass die meisten Geschichten weniger mit dem Kalten Krieg als mit persönlichen Erinnerungen zu tun haben.
In Los Angeles erzählt ein Deutschprofessor, wie er 1990 mit Studienkollegen in einer Regennacht Stücke selbst abklopfte. Ein Künstler berichtet, wie er einen Teil der Mauer in Kreuzberg 1987 bemalte, ganau zwei Jahre bevor die Grenze geöffnet wurde. Eine Teilnehmerin ist nicht sicher ob ihre Teile echt sind. Sie hat sie in einem Baumarkt für 20 Dollar gekauft. Einer Germanistin aus Dresden steigen Tränen in die Augen, als sie erzählt wie sie eine Woche nach dem Fall der Mauer zum ersten Mal im Leben durch das Brandenburger Tor ging und von dort Mauerstücke mit nach Los Angeles nahm.
“Solange die Fragmente in Bewegung ist wird sich ihre Geschichte verändern,” fassen die Künstler zusammen. “Wie wir uns an Geschichte erinnern und ihr Denkmale setzen bleibt nie gleich.”
Meine Geschichte für den Deutschlandfunk können Sie hier nachhören: Freedom Rocks
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Seit Juli 2011 ist Jürgen Klinsmann Coach der US-Nationalmannschaft. Sein Anfang war etwas holprig, voller Experimente und deshalb auch mit einigen schwachen Spielen. Doch im Gegensatz zum Rest der Welt, wo das zur Ruck-Zuck-Entlassung des Trainers geführt hätte, bekam in den USA kaum jemand was mit vom schwachen Start. Die Stadien waren halb leer, nur eine Handvoll Reporter – davon mehr als die Hälfte von hispanischen Medien – berichtete darüber und die raren Fernsehübertragungen der Spiele schaltete sowieso kaum jemand ein. Trotzdem gab es einen Spieleraufstand – die alteingesessenen Profis fühlten sich übergangen und US-Spieler insgesamt ungerecht benachteiligt gegenüber Neuzugängen mit doppelter Staatsbürgerschaft aus Zentralamerika und Europa.
Doch jetzt ist alles anders und viel besser im US-Fußball, der hier ‘soccer’ genannt wird. 16 Mal haben die USA während der WM-Qualifikation gewonnen, davon zwölf sogar in Serie am Stück. Das gab’s noch nie in der Verbandsgeschichte. Sie haben den Gold Cup gewonnen und sich frühzeitig für die WM qualifiziert. Halb leere Stadien gibt es nicht mehr. Dafür sorgen die ‘American Outlaws’ – eine Fanorganisation, die vor ein paar Jahren von 40 Fans in Nebraska gegründet wurde. Ländlicher als Nebraska geht’s eigentlich nicht mehr. Football mag man da und NASCAR-Autorennen. Fußball? Das ist was für Weicheier! Deshalb auch der Name ‘Outlaws’ – Außenseiter ja! Weicheier nein! Zu jedem Spiel der Nationalelf reisen sie, inzwischen zu Tausenden. Insgesamt haben sie über 17 tausend Mitglieder in rund 150 Ortsverbänden. Gemeinsam marschieren sie von der Vor-Party auf dem Parkplatz in die Stadien, singen stehend 90 Minuten lang patriotische Fußballsongs – und LIEBEN Jürgen Klinsmann.
https://soundcloud.com/soundslikerstin/we-want-j-rgen-us-soccer-coach
Beim ausverkauften Freundschaftsspiel gegen Süd Korea hab ich das selber miterlebt. Mehr Stimmung gibt’s auch in deutschen Stadien nicht. Von den Fans, die ich dort getroffen habe, werden mehr als 600 nach Brasilien reisen, um das Team bei der WM anzufeuern. Die Outlaws haben Flugzeuge gechartert und Hotelzimmer reserviert, um der Nationalelf gemeinsam zu folgen. Auch das ist eine absolute Neuheit für den US-Sport. Das gab’s noch nie im Fußball und gibt es in keiner anderen Disziplin. Football, Basketball, Baseball, Eishockey haben starke lokale Fanclubs. Bei Olympischen Spielen können Basketball und Eishockey Patriotismus wecken, aber rund ums Jahr einer Nationalmannschaft hinterherreisen? Das gibt’s sonst nirgendwo.
Dass es so gut aufwärts geht mit dem US-Fußball hat auch viel mit dem Trainer zu tun, da sind die Fans sicher. Klinsmann öffnet Türen – zu Spielen auf höchstem internationalem Niveau, zu Spielern im Ausland, die ins US-Nationalteam wollen und zu Veränderungen im System, die Nachwuchs fördern. Deshalb lieben sie ihn.
Am 26. Juni trifft Klinsmanns Elf auf die von seinem ehemaligen Ko-Trainer Joachim Löw. Klinsi sagt: er wird beide Hymnen singen aber danach ist für 90 Minuten Schluß mit der Freundschaft. Er will nichts lieber, als an dem Tag Deutschland besiegen.
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Es begann damit, dass ein Nachbar 311 wählte und sich über Lärm beschwerte.
Zwei Polizisten klingelten darauf hin an der Haustür von Frank Giardina. Der Mann empfing sie freundlich, eine schmauchende Pfeife in der Hand. Den Gesetzeshütern kam der Geruch verdächtig vor. Was in der Pfeife drin sei, wollten sie wissen. Die freimütige Antwort: „Ach, das ist Gras“ – Marihuana. Nun fanden es die Uniformierten an der Zeit, die Personalien des Mannes festzustellen. Der blieb ein Gentleman und bat die Polizisten in die Wohnung, während er seine Papiere suchte. Auf dem Küchentisch: ein Berg von Heroin. Über fünf Pfund waren es, wie die Wägung später ergab, mit einem Marktwert von mehr als 400 000 Dollar. Mr. Giardina war offenbar so high, dass er geglaubt hatte, die Polizisten würden das Pulver höflich übersehen.
Als Szene in einer Kriminalkomödie ließe sich über den tumben Drogenhändler kräftig lachen. Doch die Geschichte hat sich nach einem Bericht der New York Times vergangenen Woche tatsächlich zugetragen, im New Yorker Stadtteil Queens, in einem Viertel, das die Polizei bis dato für drogenfrei gehalten hatte. Sie steht, leider, für einen beunruhigenden Trend: Heroin ist in den USA wieder auf dem Vormarsch. Und das, nachdem es lange Zeit so schien, als seien die Gefahren der Droge so bekannt, dass sie dauerhaft zur Randerscheinung würde.
Als am 2. Februar der Schauspieler und Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman an einer Überdosis starb, nachdem er über 25 Jahre clean gewesen war, machte das Schlagzeilen. Doch für den steigenden Konsum von Heroin sind weniger rückfällige Alt-Junkies verantwortlich. Vielmehr sind es junge Leute, die die 1970er und 1980er Jahre höchstens noch aus Filmen kennen und verheerende Suchtfolgen wie Verelendung, Prostitution und Tod verdrängen. Das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft hat, was den Konsum harter Drogen angeht, nachgelassen.
Ein Bericht des Weißen Hauses von diesem Februar nennt alarmierende Zahlen: 2006 gaben Amerikaner für Heroin schätzungsweise 21 Milliarden Dollar aus, 2010 bereits 27 Milliarden (neuere Zahlen liegen nicht vor). Die Zahl der Junkies wuchs im gleichen Zeitraum von 1,2 auf 1,5 Millionen. Auch die Menge des – vor allem an den südwestlichen Grenzen der USA – beschlagnahmten Heroins stieg steil an, von 1867 Kilogramm im Jahr 2007 auf 3291 Kilogramm 2010.
Es ist nicht nur ein Problem der Großstadt. In ländlichen Gebieten ist Heroin auf dem besten Weg, die illegalen Schmerzmittel abzulösen, die die dortige Drogenszene lange dominiert haben. Der Gouverneur des Bundesstaats Vermont, Peter Shumlin, widmete dem Problem Anfang Januar seine komplette Neujahrsansprache. Er sprach von einer „ausgewachsenen Heroin-Krise“, die Einwohner „in jeder Ecke des Bundesstaats“ bedrohe. Die Zahl der Drogentoten steige kontinuierlich und habe sich 2013 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Fast 80 Prozent aller Gefängnisinsassen seien süchtig. Jede Woche werde Heroin im Wert von zwei Millionen Dollar nach Vermont geschleust.
Es kommt vor allem aus Mexiko und wird zu Preisen gedealt, bei denen der Einstieg leicht fällt: In Großstädten kostet ein Beutelchen rund sechs Dollar. Auf dem Land lässt sich mehr verlangen, weshalb ein regelrechter Dealer-Tourismus nach Neuengland eingesetzt hat. Dass die Droge billig ist, ist freilich nicht der einzige Grund für ihre Renaissance. „Wer Drogenabhängigen zuhört, weiß, was viele in die Sucht treibt: Hoffnungslosigkeit und ein Mangel an Chancen“, sagt Gouverneur Shumlin. Die zunehmende Ungleichheit und die Rezession der vergangenen Jahre, für viele mit Arbeitslosigkeit und Zwangsversteigerung verbunden, haben der Drogenmafia neue Kundschaft beschert.
In Vermont will der Gouverneur nun mehr Geld für Prävention und frühzeitige Behandlung von Abhängigen zur Verfügung stellen. Vor allem aber rief er seine Mitbürger auf, Drogenkonsum nicht in erster Linie als Verbrechen, sondern als Krankheit zu sehen. Eine neue Erkenntnis ist das eigentlich nicht, doch vielleicht gilt auch hier, dass das kollektive Gedächtnis nach Jahrzehnten eine Auffrischung braucht. Für Frank Giardina allerdings, den Gentleman-Dealer aus Queens, kommt sie wohl zu spät.
Christine Mattauch
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Ich fahre durch die Dunkelheit in ein schmales Tal in den Bergen südlich von Los Angeles: Silverado Canyon. Die Wegbeschreibung endete mit einem Hinweis auf eine große rote Scheune. Ohne Straßenbeleuchtung sind Größe und Farbe der wenigen Gebäude am Straßenrand kaum zu erkennen. Endlich finde ich die Scheune, im Haus gegenüber leuchtet hinter einem Fenster warmes Licht. Ich bin bei Sama Wareh angekommen: Künstlerin und Aktivistin, Kalifornierin mit Wurzeln in Syrien. Bis zum Kriegsausbruch hat sie regelmäßig Familie und Freunde in Damaskus besucht.
Der Krieg hat sie so beschäftigt, dass sie einmal auf eigene Faust an die türkische Grenze reiste, um Flüchtlingen mit Decken, Heizkörpern, Medizin und Mietzahlungen zu helfen. Ein Jahr später machte sie sich wieder auf den Weg, diesmal mit der Mission, ein nachhaltiges Projekt zu initiieren und dabei ihre Stärken zu nutzen: Kunst und Pädagogik. Sie entwickelte ein Curriculum: “Kunsttherapie für Kinder in Kriegsgebieten” und zog los. Vor ein paar Wochen kam sie zurück und erzählt mir nun, was sie erlebt hat.
“Möchtest Du Linsensuppe?” fragt sie mich zur Begrüßung. Die köchelt vor sich hin, füllt die kleine Wohnung mit Wärme und dem Duft einer starken Gewürzmischung. Wir setzen uns auf ein niedriges Sofa und Sama beginnt zu erzählen.
Im November reiste sie zu einer Schule im Libanon, nördlich von Tripolis. Dort hatte sie nach langer Recherche einen Direktor gefunden, der Schülern die selben Werte vermitteln wollte wie sie: Teamwork, Kreativität und Gleichberechtigung über Religion, Geschlecht, Herkunft, Alter und Rasse hinweg – ein Vorbild für die Zukunft Syriens. Die Schüler hatten den Namen der Schule selbst gewählt: Vögel der Hoffnung.
Sama kaufte von Spenden, die sie in Kalifornien gesammelt hatte und vom Einkommen aus dem Verkauf ihrer Bilder Material und begann ihr Kunstprogramm: Sie ließ die Kinder ihre Träume und Hoffnungen malen und gestaltete mit allen Schülern, Lehrern und dem Direktor ein Wandgemälde. Die steckten der kalifornischen Künstlerin jeden Morgen Briefe und Zeichnungen zu: Blumen und Herzen, Monster, Bomben, blutende Bäume und zerstörte Städte.
“In Kunst drücken Kinder aus, worüber sie nicht sprechen können,” erzählt Sama von ihrer Zeit mit den 350 ‘Vögeln der Hoffnung’. Ein Junge sang jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn auf der Schultreppe ein Lied von der Schönheit Syriens und von Trauer um die Zerstörung des Landes. Der Abschied fiel ihr schwer, weinend ermutigte sie die Kinder, weiter zusammen zu arbeiten, zu reden und Konflikte ohne Gewalt zu lösen.
Die gesammelten Spenden finanzieren nun einen Kunstlehrer, der ihr Projekt fortführt. Er schickt ihr Videos von den Fortschritten. Sie zeigt mir eines auf dem Computer und holt aus ihrem Schlafzimmer Briefe und Zeichnungen der Kinder. Sie erinnern sie an traurige und glückliche Momente in der Schule. “Nichts kann mich mit so viel Glück und Freude füllen, wie das Lächeln der Flüchtlingskinder und die Konzentration und Ruhe auf ihren Gesichtern während sie zeichnen.”
Aus Videoaufnahmen ihres Abenteuers an der Schule produziert sie einen Dokumentarfilm. Einnahmen aus Vorführungen werden direkt zu den ‘Vögeln der Hoffnung’ geschickt. “Jeder kann etwas Positives bewirken in der Welt,” sagt sie während wir Linsensuppe löffeln. “Ich bin Künstlerin, ich hab nicht viel Geld aber jetzt haben die Kinder diese neue Freude im Leben, nur weil ich mich angestrengt habe. Das ist das beste Gefühl der Welt!”
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Es begann bei einer Party, erzählt mir Cornelia Funke bei einem Espresso im Büro von Thomas Gaehtgens, dem Leiter des Getty Research Centers. Einer Party, zu der sie eigentlich gar nicht gehen wollte, weil die super erfolgreiche Schriftstellerin gar nicht auf Hollywood-Partys steht. Aber sie ließ sich überreden.
“Und wen sehe ich als Erstes kaum komme ich zur Tür rein?” Der Ton legt nahe, dass es sich um ein dreiköpfiges, schielendes, sabberndes Monster am Buffet handeln muss. Wenn nicht schlimmer!
“Brad Pitt!”
“Aha!” denke ich, ich habe Cornelia missverstanden. Sie war dann doch froh, dass sie zur Party gegangen ist. “Nein!” widerspricht sie und verdreht die Augen. Dieser Anblick bestätigte nur dass es eine Feier genau der Sorte sein würde, der sie möglichst aus dem Weg geht. “Aber Brad Pitt sieht ja auch tatsächlich von Nahem sehr gut aus und ist auch sehr nett!” fügt sie dann noch hinzu.
Viel wichtiger war aber die Begegnung mit Gaehtgens. Mit dem sprach sie über ihre Bücher und deren Charaktere aus verschiedenen Jahrhunderten, über Projekte, Inspirationen und Schwierigkeiten beim Schreiben. Der Leiter des Research Institutes lud sie sofort ein, das Getty-Archiv zu nutzen. Das Institut ist offen für jede Form der Recherche.
Mehrere Notizbücher hat sie inzwischen gefüllt mit Fotos von Charakteren des Getty-Archivs: furchterregend, verführerisch, geheimnisvoll, bucklig, zart, klein, kostümiert, nackt… Sie alle erweckt sie in ihren Büchern zu neuem Leben. Wann immer Funke ins Institut kommt, liegen da schon neue Bücher bereit. Als Dank für Offenheit und Hilfe des Instituts erfand Cornelia Funke den Piraten William Dampier. Genauer gesagt: Dampier lebte tatsächlich von 1651 bis 1715. Dank Funke spukt er jetzt als Geist durch die weiße Getty-Festung über dem Pazifik. Sie hat eine Piraten-Geschichte erfunden rund um Landkarten, Sternenkarten, Silbermünzen, Muscheln und Mumien für die jungen Besucher der neusten Ausstellung des Instituts: ‘Connecting Seas – A Visual History of Discoveries and Encounters’. Die folgt Reisenden, Neugierigen, Abenteurern, Erfindern, Aufschneidern, Wissenschaftlern, Kolonialisten und Ausbeutern über die Weltmeere vom 17. Jahrhundert bis heute.
Mir gaben die beiden eine Tour durch die Ausstellung. Ziemlich beeindruckend! Nicht nur, was ich da zu sehen bekam sondern auch, wie die beiden ganz unkompliziert und unbürokratisch mit Hilfe von mehreren Kuratoren das Projekt auf die Beine gestellt haben.
Der Geist von Pirat Dampier soll auch in Zukunft durch Austellungen spuken und Kinder in den Bann von Forschung und Geschichte ziehen. Die Broschüre mit seiner Geschichte liegt kostenlos aus und auch Erwachsene nehmen sie gerne mit.
Die Show zur Erkundung des Globus über die Weltmeere ist noch bis zum 13. April offen.
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Da mag Barack Obama eine große Rede zur Abhörpraxis der NSA halten und Yahoo-Chefin Marissa Mayer ihren Vizechef feuern – Tagesgespräch in New York ist eine kleine McDonalds-Filiale im Stadtteil Queens. Genauer gesagt in Flushing, einem Viertel mit vielen Einwanderern aus Korea. Über die Jahre hat er sich zum Treffpunkt von Senioren entwickelt. Die ersten kommen schon am frühen Morgen. Sie kaufen einen Kaffee für 1,09 Dollar, setzen sich und klönen. Neuankömmlinge werden freudig begrüßt. Das geht so bis zum Abend.
Was in dem Cafè eines Altenheims ein liebenswertes Ritual wäre, hat sich für McDonalds-Filialbetreiber Jack Bert zu einem echten Problem entwickelt. Denn die netten alten Herren verzehren nicht nur wenig, sondern blockieren die Tische angeblich in solcher Zahl, dass andere Burger-Fans oft keine Plätze finden. „Sie können sich wohl vorstellen, dass es für jedes Unternehmen eine schwierige Situation wäre, wenn einige Kunden andere behindern“, sagt Bert. Er hat versucht, sich zu wehren – bat die Herren zu gehen, erst höflich, dann harsch. Er hängte Schilder auf, wonach eine Mahlzeit innerhalb von 20 Minuten verzehrt sein muss. Als alles nichts half, wählte er die Notrufnummer 911. Und dann kam die Polizei.
Die richtete zwar auch nicht viel aus gegen den Stammtisch. Die Senioren verließen das Lokal, drehten eine Runde um den Block und kehrten in den McDonalds zurück, sobald die Luft rein war. Aber Angehörige und Nachbarn reagierten empört: Wie konnte es der Filialchef wagen, die Großväter mit Staatshilfe zu vertreiben? „Ältere Bürger sollten nicht wie Kriminelle behandelt werden“, sagt Christine Colligan von der Korean Parents Association von New York.
Der Konflikt ist auch ein Kampf der Kulturen: Für die meisten Amerikaner ist die aushäusige Nahrungsaufnahme eine kurze und zweckgebundene Angelegenheit. Nach dem Essen gemütlich sitzen zu bleiben, ist selbst in normalen Restaurants nicht üblich – die Rechnung wird nicht selten schon während des Essens gebracht. Das hat seitens der Gäste mit Effizienzdenken zu tun – weshalb sitzen blieben, wenn die Mahlzeit beendet ist – und seitens der Restaurantbetreiber mit hohen Mieten, die es erfordern, die Tische möglichst schnell wieder zu besetzen.
In Korea geht es, wie Einwanderer erzählen, wesentlich entspannter zu beim Essen. Vor allem aber ist, wie in allen asiatischen Kulturen, die Achtung vor dem Alter stark ausgeprägt. Es ist eine Selbstverständlichkeit – mehr noch: eine Pflicht –, Senioren respektvoll und freundlich zu behandeln. Die Polizei zu holen, weil einer seinen Kaffee nicht schnell genug austrinkt – undenkbar. Christine Colligan und ihre Freunde haben deshalb zum Boykott von McDonalds aufgerufen – weltweit.
Dem Fast-Food-Konzern droht Imageschaden. Nachdem zunächst nur koreanische Zeitungen über das gestörte Sit-In berichteten, brachte diese Woche auch die New York Times eine große Geschichte, und jetzt hat die Boulevardpresse das Thema entdeckt. „This is McMayhem“, schrieb die Daily News, was sich ungefähr mit „Willkommen bei McAufruhr“ übersetzen lässt. Ein Lokalpolitiker namens Ron Kim hat sich eingeschaltet und versucht zu vermitteln. Spätestens im Frühling allerdings dürfte sich die Situation von selbst beruhigen. Der Margaret Carman Park mit vielen Bänken ist gleich um die Ecke. Und weitaus schöner als ein steriles Fast-Food-Restaurant.
Foto: McDonalds
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Jedes Jahr am 31. Dezember wandere ich mit Freunden auf eine Hügelkuppe in den Bergen von Los Angeles. Von dort schauen wir beim Picknick vom glitzernden Pazifik im Westen über Wolkenkratzer von Downtown bis zu schneebedeckten Bergen im Osten. Es ist immer eine gute Gelegenheit, mich an Menschen und Orte zu erinnern, die ich im vergangenen Jahr getroffen und entdeckt habe. Wieviel ich selbst nach zehn Jahren in Los Angeles noch zu entdecken habe wurde mir bei meinem letzten Interview im Jahr 2013 mal wieder sehr bewusst. Für Reporter Corps, ein Projekt der USC Journalismus Schule ging ich mit einer Studentin durch das Viertel, in dem sie aufgewachsen ist: Watts. Im Süden der Wolkenkratzer gelegen, ist es vor allem bekannt für die Rassenunruhen, die dort 1965 ausbrachen, Bandenkriege und Schießereien über die die Abendnachrichten berichten. In alternativen Reiseführern werden außerdem die Watts Towers erwähnt, das Kunstwerk eines italienischen Einwanderers, der in jahrelanger Arbeit aus Fundstücken Türme schuf, die sich bis heute dem blauen Himmel entgegen strecken.
Shanice, die Studentin, zeigte mir ein anderes Watts: einen Park, in dem Pärchen auf Bänken sitzen, Mütter ihre Kinder auf Schaukeln und Rutschen beobachten und Teenager Baseball spielen; daneben eine Bibliothek und ein Beratungszentrum für Jugendliche, zwei Künstler, die eine Wand des Jugendzentrums mit bunten Symbolen für Freundschaft und Verständigung verschönern und ein stolzer hispanischer Vater, dessen Kinder in Watts aufgewachsen sind und ihren Uniabschluß gemacht haben.
“Ich lebe gerne in Watts” sagt die 22 jahre alte Shanice. “Hier ist immer etwas los, die Leute sind meistens freundlich und helfen einander. Viele hier haben es nicht leicht und erreichen trotzdem viel! Viele starke Menschen leben in Watts!”
Shanice über das Leben in Watts
Es gibt so viele Geschichten zu erzählen, die zeigen: Los Angeles hat unendlich mehr zu bieten als Hollywood. Ich freu mich schon auf die Entdeckungsreisen im neuen Jahr!
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New York kennt in diesen Wochen vor allem ein Thema: den Wechsel im Bürgermeisteramt, der am 1. Januar stattfinden wird. Nach zwölf Jahren tritt der konservative, parteilose Milliardär Michael Bloomberg ab, der für einen Dollar Jahreslohn arbeitete. Sein Nachfolger ist der linke Demokrat Bill de Blasio, der noch im Sommer als chancenloser Außenseiter galt. Vor zwei Wochen aber wurde der 52jährige, fast zwei Meter große Weiße mit einer spektakulären Mehrheit von 73 Prozent der Stimmen gewählt. Das lag nicht zuletzt daran, dass de Blasio seine ungewöhnliche Familie – Ehefrau Chirlane McCray trat in jungen Jahren öffentlich als schwarze Lesbe auf – in genialen Fernsehspots vermarktete. Besonders populär war ein Spot mit Sohn Dante, der einen riesigen Afro trägt.
Anders als Bürgermeister-Milliardär Bloomberg, der an der vornehmen Upper East Side zuhause ist, lebt de Blasio in Brooklyn. Genauer gesagt, fünf Blocks von uns entfernt, im Stadtteil Park Slope. Mein Mann traf ihn mal im Weinladen, vor einigen Jahren. Da musste Bill noch persönlich Geschäfte abklappern, um für seine Wahl zum Bürgerbeauftragten („Public Advocate“) zu werben. Heute hat fast jeder Laden ein rotes „Bill de Blasio“-Schild unübersehbar aufgehängt – klar doch, wenn „einer von uns“ Bürgermeister wird. Atemberaubende 89 Prozent der Wähler von Park Slope haben für Bill gestimmt. Bei der Viertels-Halloween-Parade schritten er und Chirlane dem Zug voran und wurden mit Applaus und Jubelrufen begrüßt, als seien sie König und Königin.
Dabei weiß eigentlich keiner so recht, was Bill in seinem Amt als Bürgerbeauftragter bewegt hat. Davor saß er im Stadtrat. Das ist in seinem Heimatviertel schon deshalb unvergessen, weil er dafür sorgte, dass an einigen Straßenecken öffentliche Mülltonnen aufgestellt wurden.
Er führte auch einmal einen Wahlkampf für Hillary Clinton. Dabei scheint er eine Menge gelernt zu haben. Trotzdem fragen sich viele, wie dieser Mann es schaffen soll, die schwierige Acht-Millionen-Metropole New York in den Griff zu bekommen. Seine Wahl erinnert an die von Obama, der ebenfalls von einer Woge persönlicher Sympathie ins Amt katapultiert wurde und dem sein Mangel an Erfahrung bis heute zu schaffen macht.
Einige unserer alteingesessene New Yorker Freunde befürchten eine Wiederkehr der Zustände in den berüchtigten 70er und 80er Jahren, als Korruption und Drogenkriminalität die Stadt fast lahmlegte. Andere prophezeien einen Auszug der Wohlhabenden, weil de Blasio New Yorkern mit einem Jahreseinkommen von mehr als 500 000 Dollar eine Zusatzsteuer abknöpfen möchte (bezeichnenderweise kann er das gar nicht selbst beschließen, sondern ist auf das Parlament des Bundesstaates New York angewiesen). Solche Ängste sind wahrscheinlich übertrieben. Klar ist indes, dass eine neue Ära in der Stadt anbrechen wird; es wird spannend sein zu sehen, wie „unser“ Bill sich schlägt. Vielleicht sorgt er ja dafür, dass auch der Hausmüll in ordentlichen Tonnen gesammelt wird anstatt in schwarzen Plastiksäcken, die über Nacht auf den Gehwegen gammeln und von Ratten angefressen werden. Das wäre ein echter Gewinn.
Foto: Christine Mattauch
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Es wartete eine große Überraschung auf mich in der Los Angeles Sports Arena. Diese war für ein paar Tage verwandelt in ein improvisiertes Krankenhaus mit Zahnarzttischen auf dem Basketballfeld und Augentests in den Katakomben. Die Ärzte behandelten mehr als 4000 Patienten innerhalb von vier Tagen. Ich wollte herausfinden, warum sie mehrere Stunden – oft über Nacht – Schlange gestanden hatten, um Zahnfüllungen zu bekommen oder eine Brille. Für mich schien das Prozedere entwürdigend und ich war sicher: die Mehrheit dieser Patienten konnte es nicht erwarten, sich für ‘Obamacare’ einzuschreiben.
Weit gefehlt! Die meisten, mit denen ich sprach hatten noch nicht einmal angefangen, sich über das neue Gesundheitsgesetz zu informieren. Sie trauen dem System aus improvisierten kostenlosen Behandlungen und Notaufnahmen mehr als Regierungsprogrammen. Eine alleinerziehende Mutter, die mit Zug und Bus zur Klinik gekommen war, erzählte: die staatliche Krankenversicherung habe ihrem asthmakranken Sohn jahrelang nicht die richtige Behandlung gegeben und sie endlos für ein Inhalationsgerät kämpfen lassen. Außerdem: “Präsident Obama hat doch nicht alles unter Kontrolle, mal ehrlich! Das hier ist besser als Obamacare!”
Kriegsveteran Cornel berichtete von schlechten Erfahrungen mit seiner staatlichen Krankenversicherung nach Ausscheiden aus dem Militärdienst: “Ewiges Warten, Tonnen Papierkram und endlose Hürden bevor es Service gibt”
Cornel spricht über Regierungsprogramme
Der Hausmeister bekommt Basis-Versorgung vom Staat, dazu gehören aber weder Zahnbehandlungen noch Augenuntersuchungen. Er war in die Sporthalle gekommen, weil ihm beim Basketballspielen zwei Backenzähne ausgeschlagen wurden. Der Zahnarzt wollte 5000 Dollar für eine Brücke. Cornel zahlt jetzt noch an den 1200 Dollar dafür, dass er ihm die abgebrochenen Zähne zog. In der kostenlosen Klinik bekam er nicht die erhoffte Brücke. Der Zahnarzt versorgte ihn stattdessen mit Füllungen, Zahnreinigung und einer Liste von Ärzten, die Zahnersatz zu niedrigen Kosten anbieten. Cornel wird auch für die nächste kostenlose Behandlung wieder über Nacht Schlange stehen. Er braucht eine Brille. Den Klapptisch mit Informationen über Gesundheitsreform würdigte er keines Blickes.
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Gerade habe ich im Radio gehört, dass weltweit kein großes Interesse am schlechten Schauspiel der Haushaltsblockade von Washington besteht. Kein Wunder. Ich kann auch kaum noch die Stimmen der üblichen Verdächtigen ertragen, die sich gegenseitig die Schuld zu schieben. Die müssen doch mindestens genausoviele Geschichten von Betroffenen gehört haben wie ich!
Ich habe Touristen am Flughafen von Los Angeles getroffen, die ihren gesamten Ferienplan umstellen mussten weil sie nicht in Nationalparks kommen. Eine Rentnerin war auf dem Weg zum Trip ihres Lebens mit Schulfreundinnen – Wildwasserrafting im Grand Canyon. Aus der Traum!
Ich traf einen Vater, der die Hypothek für sein Haus und Studiengebühren für seine Töchter nicht bezahlen kann, weil er im Zwangsurlaub ist. Irgendwann soll er sein Gehalt bekommen. Bis dahin stapeln sich unbezahlte Rechnungen und Verzugsgebühren. Er schläft nicht gut.
Am meisten beeindruckt aber hat mich die Geschichte von Shanice, einer Studentin aus dem nicht gerade idyllischen Viertel Watts in Los Angeles. Das ist berühmt vor allem für Rassenunruhen in den 60ern und für die Türme aus Recycle-Material. “Ich weiss nicht, was derzeit unser größtes Problem ist – Gangs oder Teen-Mütter,” erzählte sie mir. Shanice will den Kreislauf durchbrechen und hat ein Studium angefangen. Sie schrieb sich ein für Soziologie und Kommunikation an einem relativ preiswerten College. 1000 Dollar zahlt sie im Jahr für Studium und Studienmaterial. Das stieß bei Freundinnen auf großes Unverständnis. “Warum wirst du nicht einfach schwanger, dann bekommst Du Geld für Essen und Wohnung?” haben die gefragt.
Die 21 jährige lebt bei ihrer Großmutter. Sie hat sechs Geschwister. Die leben bei der Mutter. Der Vater hat sich nie um sie gekümmert. Shanice bekommt etwa 10 tausend Dollar im Jahr aus verschiedenen Töpfen des Bundeshaushalts. Mir ist es ein Rätsel, wie man mit so wenig Geld in Los Angeles leben und studieren kann! “Ich bin total von finanzieller Hilfe abhängig. Ich zahle alles davon – das Busticket, die Bücher, mein Essen, die Gebühren, meine Kleidung, Zuschuss zur Miete.” erzählte sie mir. Und das ist die Verbindung zur Haushaltsblockade.
Vor gut acht Wochen wäre eine Zahlung an Shanice fällig gewesen, etwa 1500 Dollar. Wegen Kürzungen an den Unis noch vor der Blockade hat sich die Zahlung verzögert. Wegen der Streits in Washington wurden nun zusätzlich Stellen am College gestrichen und Shanice fürchtet, dass sie das Geld gar nicht mehr bekommt. Bei der Beratungsstelle sind die Schlangen endlos. Dort arbeiteten einmal drei Angestellte, nur eine Stelle ist geblieben. “Wenn ich am Ende des Monats keine Überweisung bekomme, kann ich mir den Bus nicht mehr leisten. Wenn ich nicht zur Schule komme, kriege ich schlechte Noten. Mit schlechten Noten bekomme ich keine finanzielle Förderung mehr.” Shanice will ein Vorbild sein, ihren Geschwistern zeigen, dass auch Kinder aus Watts einen Collegeabschluss machen können. Momentan fürchtet sie, dass die Schulfreundinnen recht behalten und es einfacher ist, eine Teen-Mutter zu sein als zu studieren.
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Der Reiseführer hatte gewarnt. „In the region is the Bavarian lookalike town of Leavenworth…People come from all over the country to see the spectacle“. Es klang nach einer Art Disneyland, nach Brezelbuden und Achterbahn mit Zwiebeltürmchen. Wenn man zum ersten Mal in Washington State unterwegs ist, muss man sich so einen Kitsch wirklich nicht antun, dachte ich. Aber dann war der Highway, den ich nehmen wollte, wegen eines Erdrutschs gesperrt, und so kam ich doch noch nach Leavenworth.
Es muss recht harmlos begonnen haben, in den 1960er Jahren, als sich die Kleinstadt zusätzliche Einnahmequellen jenseits von Holz- und Landwirtschaft erschließen wollte. Pauline und Owen Watson, die einen kleinen Laden an der Hauptstraße betrieben, hatten Solvang besucht, eine kalifornische Siedlung, die dänische Einwanderer zu einem Mini-Kopenhagen umgebaut haben. Das Modell leuchtete den Watsons ein. Flugs wurde ein Komitee gegründet namens LIFE – Leavenworth Improvement For Everyone – und die Umwidmung der Stadt erörtert. Dabei kam heraus, dass sich die Bergstadt Leavenworth viel besser mit Weißwurst und Fachwerk vermarkten lässt als mit kleiner Meerjungfrau und Andersens Märchen. Der Stadtumbau wurde begonnen.
Seit damals hat Leavenworth als bayerische Alpenstadt ein beachtliche Authentizität erreicht. Von wegen Achterbahn und Brezelbuden: Dies ist kein Vergnügungspark. Die komplette Innenstadt wurde als Kreuzung von Mittenwald und Berchtesgarden neu geboren, mit hölzernen Balkons, Fassadenmalerei, einschlägigen Restaurants, Biergärten, Kutschen und einem Nussknackermuseum. Viele Einwohner kleiden sich in Dirndl und Lederhosn. Auch einen Maibaum gibt es und im Herbst, natürlich, ein Oktoberfest.
Sogar die Lokalzeitung hat sich dem Stil angepasst: Sie heißt „The Leavenworth Echo“ und trägt im Logo ein Edelweiß sowie einen Alphornbläser in Lederhosn.
Es ist eine so perfekte Verwandlung, dass ich mich unwirklich fühlte, wie in einem Film. Ich wusste, dass ich mich im Nordwesten der USA befand, unweit von Seattle, in einem Ort, in dem ich nie zuvor gewesen war. Gleichzeitig wurde ich Opfer der Illusion; eine Stimme in meinem Inneren flüsterte mir unablässig zu: Du kennst das hier!
Kommerziell ist die Transformation von Leavenworth ein großer Erfolg. In dem 2000-Einwohner-Ort gibt es heute mehr als hundert Hotels und dutzende „uriger“ Gaststätten.
Die Transformation wirft Fragen von weitreichender Bedeutung auf. Ist bayerischer Kitsch weniger schlimm, wenn er in Mittenwald stattfindet als in Leavenworth? Kann die Kopie einer Lebensart besser sein als ihr Original? Sollte Bayern sein Kulturgut urheberrechtlich schützen lassen, und müsste Leavenworth dann Lizenzgebühren zahlen? Deutet sich hier womöglich sogar ein ganz neuer Ansatz zur Lösung der europäischen Krise an – ein Kompletttransfer der Akropolis ins Niemandsland von Nevada oder der spanischen Alhambra nach Idaho?
Fotos: Christine Mattauch
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50 Jahre ist es her, dass Martin Luther King in Washington vor Hunderttausenden von (weißen und schwarzen) Zuhörern über seinen Traum von der Versöhnung zwischen den Rassen sprach. «I have a dream» wurde die Rede später getauft, die der junge Geistliche am 28. August 1963 an einer Demonstration «für Arbeitsplätze und Freiheit» hielt. Weniger bekannt ist es, dass King den Schluss seiner Ansprache weitgehend improvisierte – die Traum-Passage war im Manuskript nicht enthalten. Zeitgenossen des Bürgerrechtlers sagten später, dass es die legendäre Gospel-Sängerin Mahalia Jackson gewesen sei, die King zu dieser spontanen Einlage angespornt habe. Jackson, die auf der Tribüne mit den Ehrengästen saß, soll King zugerufen haben: «Martin, erzähl‘ ihnen über den Traum!»
Interessant an dieser Anekdote ist, dass niemand mit letzter Sicherheit zu wissen scheint, ob King diese Aufforderung zu Ohren bekommen hatte. Er sagte später, er habe instinktiv gefühlt, dass er den Schluss seiner Rede improvisieren müsse. Nicht bekannt ist zudem, wann Jackson genau intervenierte: Auf der überlieferten Aufnahme der Rede ist ihre Stimme nicht zu hören. Deshalb kursieren nun mehrere Versionen dieses Vorfalls. Der renommierte Historiker Robert Dallek behauptete in seiner Kennedy-Biographie (auf Deutsch: «John F. Kennedy: Ein unvollendetes Leben»), Jackson habe ihren Zwischenruf fünf Minuten nach Beginn der Rede angebracht. Das stimmt wohl nicht: King liest mindestens zehn Minuten seiner Rede von Blatt ab, wie der untenstehende Film zeigt. Eine andere Version brachte der verstorbene Senator Ted Kennedy in Umlauf. In seinen posthum erschienen Memoiren (im Original: «True Compass») berichtete er detailliert, wie King seine Rede bereits beendet hatte, und absitzen wollte, als Mahalia Jackson interveniert habe. Dies habe er, Kennedy, vor dem Fernsehgerät sitzend ausgemacht, obwohl er doch auch einräumt, dass er Jackson weder gesehen noch gehört habe. Weil ein Senator bekanntlich stets die Wahrheit sagt, wurde diese Anekdote dann auch von Weggenossen von Martin Luther King aufgegriffen — als Beweis dafür, dass Jackson in der Tat ein Stück Weltgeschichte geschrieben habe.
Wie dem auch sei. Schauen Sie sich die Rede Kings doch selbst an, um das kleine Rätsel zu lösen…
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Zwischen 16 und 17 Uhr solle ich an der Ecke Broadway/53. Straße sein, hatte John angewiesen. „Und dann sagst du den Helfern, dass du auf meiner ‚Gold List’ stehst“. Natürlich war ich zu früh, weil ich die mühsam erkämpfte Gelegenheit zum Besuch der Late Show mit David Letterman (siehe Teil eins des Blogs) um nichts in der Welt riskieren wollte. Ich war nicht die einzige – schon von weitem sah ich eine gigantische Schlange, die vom Ed Sullivan Theater hinunter bis zur Straßenkreuzung reichte und dann links abbog in die 53. Straße. Hoffnungsvoll wandte ich mich an eine junge Frau, die eine Neonweste als Helferin auswies. „Zur Late Show…“ „…bitte ans Ende der Schlange“, unterbrach sie mich freundlich. „Aber ich bin auf Johns Gold List“, protestierte ich. Sie lächelte geduldig. „Honey, die sind alle auf Johns Gold List.“ Nach sechseinhalb Jahren Amerika hätte ich eigentlich wissen müssen, dass nicht einmal „Platinum“- oder „Diamond“-Klassifikationen einen VIP-Status garantieren.
Die Stimmung in der Schlange war gut, auch weil es schnell voran ging, trotz scharfer Sicherheitskontrollen: Ein Uniformierter schritt die Schlange mit einem Schäferhund ab; größere Taschen mussten geöffnet werden. Gleich zwei Mal wurde mein Pass kontrolliert und der Name mit der Zuschauerliste abgeglichen. Fotografieren war verboten. Im Foyer teilte eine junger Mann Papiertickets ausgab und uns in unterschiedliche Richtungen schickte. Vor uns waren zwei knubbelige Frauen um die 40, die aussahen, als seien sie für die Show eigens aus dem Mittleren Westen angereist. Wahrscheinlich waren sie das auch. Ich konnte nicht hören, was der junge Mann zu ihnen sagte, aber sie wirkten ganz zufrieden. Dann waren wir dran. Der junge Mann ordnete seine Tickets und jodelte ohne aufzublicken: „Hellloooo you crazy cats, how are youuuu today,?“ Nun habe ich in meinen fast 50 Lebensjahren einiges erlebt, aber dass mich jemand, der mein Sohn sein könnte, als „verrückte Katze“ bezeichnet, war durchaus eine neue Erfahrung. An der Miene meines Begleiters konnte ich ablesen, dass ihm Ähnliches durch den Kopf ging. Der junge Mann schien unsere leichte Fassungslosigkeit nicht zu registrieren. „Red“, sagte er in so bedeutsamen Ton, als hätten wir das große Los gezogen, und dirigierte uns in eine bestimmte Warteschlange. Umgehend waren wir versöhnt. Rot, das klang nach rotem Teppich und Plüsch und Pomp.
Menschen in Pagenuniform winkten uns durch Gänge und Treppen, bis wir schließlich oben im ersten Rang ankamen. „Hier bitte“, „gehen Sie dort“ – alle waren ungemein höflich. Mit ausladender Geste zeigte der letzte Helfer auf zwei Kippsessel und eilte weiter. „Sehr gute Plätze“, sagte der beste Ehemann aller Zeiten. „Wunderbar“, stimmte ich zu. Tatsächlich saßen wir in der allerletzten Reihe, den Blick auf die Bühne teilweise versperrt von Scheinwerfern. Aber unser so schön umschmeicheltes Ego weigerte sich, solche Kleinigkeiten zur Kenntnis zu nehmen.
Bis auf den bei Liveshows offenbar unverzichtbaren Einpeitscher, der das Publikum vor Aufzeichnungsbeginn mit Witzen und Anekdoten in Stimmung bringt, war dann alles ganz genau so wie im Fernsehen. Wir sahen Letterman durch die Kulisse laufen und bewunderten seine routinierte Art, mit dem Publikum zu flirten. Stargast war John Travolta, den das Publikum mit großem Hallo begrüßte und der wirklich eine gute Figur machte. Er erzählte Anekdoten von seinem zweieinhalbjährigen Sohn, schwadronierte über sein Flughobby („8500 Flugstunden“), gab mit seinem Bizeps an und warb für seinen neuen Film, „Killing Season“. Zum Abschluss gab’s eine Tanzeinlage.
Was man am Bildschirm zuhause freilich nicht sieht, ist der Schwarm von Assistenten, der in jeder Werbepause die kleine Bühne füllt. Einmal zählte ich 14 Personen, die irgendwelche Uhren kontrollierten, Gegenstände auf Lettermans Schreibtisch zurecht rückten oder einfach nur um dem Moderator herumstanden. Mag in Amerika eine Zeitung nach der anderen sterben – dem Fernsehen, so scheint es, geht das Geld noch lange nicht aus.
Foto: Christine Mattauch
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„Lettermaaaaan“ – mit diesem Urschrei beginnt an jedem Wochentag die Late Show auf CBS. Sie ist eine Institution in den USA, ein Kult: Die erste Spätsendung mit David Letterman, die Tagesrückblick mit Comedy verbindet, lief am 30. August 1993, und noch immer schalten durchschnittlich vier Millionen Amerikaner ein. Auch viele Deutsche kennen sie, zumindest indirekt, denn sie stand Pate für die Harald Schmidt Show. Wie genau die deutsche Version vom amerikanischen Vorbild kopiert ist, wurde mir erst hier in den USA richtig klar: Bis in kleinste Gesten hinein ahmt Schmidt sein Alter Ego nach. Was die interessante Frage aufwirft, ob auch Letterman seine Rolle nur spielt oder er authentisch ist.
Die Show wird im Ed Sullivan Theater in Midtown Manhattan produziert. Vor Jahren entdeckte ich zufällig, dass, wer sie live sehen möchte, sich via Internet bewerben kann. Die Teilnehmer würden „zufällig ausgewählt“, heißt es nebulös, was bei mir den Verdacht entstehen ließ, dass das Publikum hauptsächlich aus Freunden und Bekannten des Showpersonals besteht. Deshalb wunderte es mich auch nicht, dass ich nie eine Antwort bekam, wenn ich gelegentlich, mehr aus Jux, das Formular ausfüllte.
Eines schönen Junimorgens jedoch fand ich eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter: Ich möge „John“ von der Late Show anrufen und mein Wunschdatum bestätigen. Ich glaubte erst an einen Witz, oder an Abzocke. Aber schließlich wusste außer mir keiner von der Bewerbung. Also rief ich zurück, derartig nervös, dass mein Englisch ungefähr dem Niveau einer Vierjährigen entsprach. John klärte ein paar Formalien und sagte dann, ich müsse eine Frage beantworten, um zu beweisen, dass ich ein echter Fan sei: „Wer ist Tony Mendez?“
Mein Kopf raste. In meiner Panik fiel mir überhaupt nur ein Mitwirkender ein, ein junger Mann, der zur Gedächtnisstütze des Moderators Stichwortkarten hochhält. Stotternd versuchte ich dessen Funktion zu erklären. John lachte. Es klang so, als sei ich auf dem richtigen Weg. Ich atmete tief durch und versuchte es mit „The teleprompter guy“ John lachte noch mehr und sagte dann: „Oh nein, so leicht kommst du mir nicht davon. Du musst schon den richtigen Begriff sagen.“ Das fand ich ungerecht. „Ich bin Deutsche, wie kannst du erwarten, dass ich so eine ausgefallene Vokabel kenne?“ „Weil der Ausdruck in jeder Sendung fällt“, antwortete John streng. Dann hatte er ein Einsehen. Oder Mitleid. „Bleib in der Leitung, ich rede mal mit meinem Vorgesetzten.“
Was nun geschah, wird die technikaffine jüngere Generation nie verstehen. Weil mir schien, dass die Verbindung unterbrochen sei, versuchte ich, die Lautstärke hochzustellen. Und erwischte dabei den „Aus“-Knopf. Noch nie war ich so wütend auf mich selbst. Denn natürlich würde John diese radebrechende, ungeschickte Deutsche nicht noch einmal anrufen. Bestimmt hatte er Tausende von enthusiastischen, echten Fans auf seiner Liste, die nicht nur den richtigen Begriff aus dem Effeff wüssten, sondern auch noch beschreiben könnten, welche Farbe das T-Shirt von Tony Mendez in der Show von vor drei Wochen gehabt hatte. Während ich halblaut vor mich hinschimpfte, klingelte das Telefon. John. „Alles klar, du kannst kommen. Sag einfach, dass du auf meiner ‚Gold List’ stehst.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen und bedankte mich überschwänglich. John wehrte ab. „Tony Mendez ist übrigens unser ‚cue card boy’“, sagte er noch. „Der Ausdruck ist mir unbekannt“, sagte ich aufrichtig. Es entstand eine Pause. Dann sagte John spitz: „Dass die Sendung auf Englisch ist, weißt du aber schon?“
Was es mit Johns „Gold List“ auf sich hatte und wie viele Regieassistenten bei Letterman auf der Bühne stehen, erfahren Sie in meinem nächsten Blog.
Fotos: Christine Mattauch
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„Bereiten Sie Ihr Haus für die Wirbelsturmsaison 2013 vor“, lautet die Überschrift über der Pressemitteilung. Darunter steht der Hinweis auf eine „National Hurricane Preparedness Week“ vom 26. Mai bis 1. Juni. So etwas liest man als Journalist, zumal nach dem Tornado in Oklahoma am vorvergangenen Wochenende, der 24 Menschen tötete und mehr als 12 000 Häuser zerstörte.
Es fängt ganz interessant an. Eine Metereologin namens Jill Hasling vom Weather Research Center in Houstin (Texas) prognostiziert für dieses Jahr eine 70prozentige Chance für einen großen tropischen Sturm an der Küste zwischen Lousiana und Alabama. In der Region von Georgia und North Carolina beträgt die Wahrscheinlichkeit immerhin noch 60 Prozent. „Unser Rat an Hausbesitzer ist, sich während der National Hurricane Preparedness Week Zeit zu nehmen um ihr Haus sturmfest zu machen“, ist Frau Halsing zitiert.
Wie das geschehen kann, darüber informiert anschließend Mark Clement, Moderator einer Radiosendung mit dem denkwürdigen Titel „MyFixitUpLife“. Ich lese, dass es sich bei Herrn Clement um einen professionellen Handwerker handelt. Und zwar um einen mit ausgeprägten Produktvorlieben, wie sofort klar wird. In den nächsten zehn Absätzen der Pressemitteilung preist er das Kunststoffschieferdach Da Vinci Roofscapes, das er für sein eigenes Haus verwendet habe, Fensterglas der Firma Simonton („extrem energieeffizient“) und Eingangstüren von Therma-Tru („ein hervorragender Schutz“). Spätestens jetzt ist klar: Die fürsorglich warnende Pressemitteilung ist in Wirklichkeit eine Gemeinschaftswerbung, geschickt zusammengerührt von einer PR-Dame namens Kathy Ziprik. Ein Foto hat sie auch beigefügt, es sieht so aus:
Ob das Wetterinstitut, der Handwerker-Moderator oder eine der Firmen es zur Verfügung gestellt haben, bleibt unklar.
Es interessiert mich, ob es Medien gibt, die auf diesen dreisten PR-Trick hereingefallen sind, und ich google ein paar Schlüsselbegriffe aus dem Presseinfo. Beruhigenderweise wird nur ein Blog der Fensterfirma Simonton ausgeworfen, die an dem Projekt selbst beteiligt ist. Scheint so, als hielte sich der Nutzen für die Werbepartner in Grenzen. Frau Ziprik freilich wird sich ihre Dienstleistung mit einem schönen Honorar vergütet haben lassen.
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Ginger Harold hat in den 70 er Jahren mit Freundinnen vor dem Rathaus Büstenhalter geschwenkt und für Gleichberechtigung demonstriert. Sie hat eine Tochter verloren, Erdbeben und eine schwere Krebserkrankung überlebt. Wenig kann sie noch beeindrucken – und bestimmt nicht die dicken weißen Ascheflocken, die vom Buschfeuer am Berg hinter ihrem Haus auf sie niederregnen oder das gespenstisch gelb-rote Leuchten der Flammen, das durch eine dicke graue Rauchwolke scheint. Die 74 Jahre alte Naturliebhaberin wird diesen Berg hinaufsteigen sobald Asche und Rauch, die ihn jetzt komplett verdecken verschwunden sind. Bestehende Evakuierungspläne hält sie für einen Witz, für völlig veraltet. Sollten die Flammen doch den Mini-Bunglow erreichen, in dem sie alleine wohnt oder Funken die ausgetrocknete Eiche erfassen, deren Äste über sein Dach hängen, wirft sie sich eine Plane über und springt in den Pool. Das ist ihr Plan. Gepackt hat Ginger nichts für den Ernstfall. “Ich wüsste nicht was ich packen sollte. Nichts ist wichtig und alles ist wichtig,” sagt sie, zuckt mit den Achseln, lacht und rückt die Atemmaske über Mund und Nase zurecht.
Ginger ist der Typ, den Feuerwehr und Polizei in Kalifornien fürchten und dem sie allzu oft begegnen: sture Senioren, die ihre Häuser trotz Evkuierungsaufforderungen nicht verlassen. Müssen sie gerettet werden, bringen sie andere in Gefahr und stehen möglicherweise vor der gewaltigen Aufgabe, ohne Hab und Gut ganz von vorne anfangen zu müssen. Eine Prognose, die Ginger nicht erschreckt. Sie ist sicher: die Flammen werden ihr Häuschen nicht erreichen. Warum? Oben auf den Hügeln wohnen die Superreichen auf riesigen Anwesen mit Pferdekoppeln und privaten Wanderwegen. “Sie rufen den Gouverneur an und schon bald werden hier so viele Wasserflugzeuge am Himmel sein, dass sie den Flugverkehr regeln müssen.” Sie lacht wieder. “Das ist wahr. Ich hab es schon oft erlebt. Und Gott sei Dank dafür!”
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Es war eine verheißungsvolle Aufschrift: „Gift of Music“, Musikgeschenk, stand auf dem Briefumschlag. Er kam vom Orchestra of St. Luke’s, einem New Yorker Klassikensemble. Ich kannte es, denn der beste Ehemann aller Zeiten hatte in der vergangenen Saison eine Konzertreihe von St. Luke’s gebucht. Offenbar wollten sich die Musiker für unsere Treue bedanken – und wie vornehm! Eine silbrige Klappkarte samt Pergamenteinlage lud zum Dinnerkonzert am 6. Mai im distinguierten Plaza Hotel ein. „Honorary Chairmen: Renée Fleming, Plácido Domingo“. Oha. Ich versuchte mich zu erinnern, was unsere Plätze gekostet hatten, dass wir so ein Dankeschön verdienten. Nun, warum nicht… ich sah mich im Zwiegespräch mit den Opernstars, die Vor- und Nachteile der Met erörternd… Dann entdeckte ich die Zahl. Ich machte die Augen zu und machte sie wieder auf. Die Zahl stand immer noch da: $75,000.
Wie hatte ich nur annehmen können, dass uns in New York jemand etwas schenken würde? Natürlich sollten wir etwas geben, zu Gunsten des Orchesters, das vor zwei Jahren eine eigene Spielstätte in Manhattan bezogen hat. Es handelte sich um einen klassischen Fundraiser: Damit das Spenden leichter fällt, ist es mit einer Gegenleistung verbunden, in diesem Fall ein Konzert in prominenter Gesellschaft. So etwas ist in den USA gang und gäbe und nicht nur eine sympathische, sondern auch eine notwendige Sitte, weil sich der Staat wenig an der Finanzierung von Kultur beteiligt. Die Großzügigkeit, mit der Amerikaner spenden, ist ziemlich ansteckend.
Ein „Chairman’s Challenge Table“ für 75 000 Dollar übersteigt überraschenderweise das Budget deutscher Journalisten, aber im Laufe der Jahre haben wir uns zu allerlei Mitgliedschaften und Dauerspenden verpflichtet. Unter anderem sind wir Freunde der Carnegie Hall, des Prospect Parks und des Brooklyn Botanical Gardens. Wir unterstützen den Klassikradiosender WQXR und das Museum of Modern Art, stiften Konserven für die Obdachlosenhilfe CHIPS und nehmen an der jährlichen „Thanks for Sharing“-Aktion von Macy’s teil. Vergangene Woche sind wir spontan dem Cinema Club des BAM beigetreten, einer unabhängigen Kultureinrichtung. Es war eine einmalige Gelegenheit, denn im Rahmen einer Sonderaktion wurden 13 Dollar, der Preis einer Kinokarte, von den 130 Dollar Jahresgebühr abgezogen. Wir haben also richtig gespart.
Gute Taten werden belohnt. Das Klassikradio sandte uns ein Poster, das zu „Beethoven Awareness“ aufruft. Der Prospect Park lädt zum Fledermausgucken ein und die Carnegie Hall zu einer kostenlosen Führung. Und man kriegt Restkarten zum Sonderpreis, was einen dazu verleitet, noch mehr Konzerte zu besuchen und sich der Institution noch stärker verbunden zu fühlen, so dass man vielleicht vom Friend (100 Dollar im Jahr) zum Fellow (150 Dollar) aufsteigen möchte oder sogar zum Associate (300) oder Sustainer (900).
In dieser Woche kam Post vom Orchestra Underground. Es vertont Komponisten der Gegenwart und feiert im Mai sein zehnjähriges Bestehen – natürlich mit einem Fundraiser. Die Veranstaltung war ordentlich als „Spring Benefit“ gekennzeichnet, Missverständnisse konnten nicht aufkommen. Das war mir sympathisch. Und ich dachte, dass es die Musiker mit den schrägen Stücken, die sie spielen, wahrscheinlich ziemlich schwer haben. Mitleidig fischte ich die Antwortkarte heraus. Ich studierte die Alternativen: „Leader Table at $10,000“, „Table at $5000“, „Tickets at $500“. Wie schön, dass zeitgenössische Tonkunst so potente Verehrer hat. Auf mich müssen die Musikanten diesmal verzichten.
Fotos (2): Richard Ten Dyke; Orchestra of St Luke’s
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New York ist in diesem Winter fast schneelos, trotzdem seit Wochen kalt und ungemütlich – ähnlich wie in Deutschland. Normalerweise zeigen sich um diese Zeit schon überall Knospen und Blüten, doch diesmal – keine Anzeichen von Frühling. So zumindest schien es mir, bis ich heute nachmittag im im Brooklyn Botanical Garden spazieren ging. Es war der erste halbwegs warme und sonnige Tag seit langem. Aber die Natur hat vorgearbeitet, oder sich bei den ersten warmen Sonnenstrahlen ganz irrsinnig beeilt. Wie konnte ich nur glauben, dass dieses Jahr nichts blüht?
Liebe deutsche Freunde, er kommt auch zu Euch, der Frühling. Habt nur noch ein klein wenig Geduld.
Fotos: Christine Mattauch
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“Rund 5000 Kinder leben in den USA ohne Eltern, weil die ohne Papiere ins Land gekommen sind und abgeschoben wurden.” Dieser Satz eines Aktivisten für Immigrationsrechte veranlasste mich, eine Familie zu suchen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Sie zu finden war schwieriger als erwartet. Niemand wollte reden.
Der Pressesprecher einer Bürgerrechtsorganisation schlug mir schließlich vor, Norma und ihre Tochter Jessica zu treffen. Die Familie passe zwar nicht ganz in mein Konzept, Norma sei legal im Land, doch ihr Mann Jose seit mehr als einem Jahr im Gefängnis. Die drohende Abschiebung reisse die Familie auseinander, besonders die Tochter leide darunter, dass sie ihren Vater nur noch im Gefängnis sehen kann, umziehen musste und auf eine neue Schule geht. “Der Fall ist nicht einfach, nicht schwarz und weiß,” erklärte mir der Sprecher. Jose habe eine Drogenstrafe von früher und sei schonmal abgeschoben worden. Aber: Jessica und ihre Mutter seien bestimmt gute Interviewpartner und hätten eine eindrückliche Geschichte zu erzählen.
Er hatte Recht. Ich traf Jessica und Norma in ihrem neuen zu Hause – sie leben jetzt in einem kleinen Zimmer bei den Eltern von Norma. Zum Gespräch kam auch Joses Mutter dazu. Als der von den Immigrationsbeamten abgeholt wurde war es sechs Uhr morgens. Norma wollte ihn gerade zur Arbeit fahren. “Vier Streifenwagen haben uns eingekreist, Polizisten mit gezogenen Waffen sind auf uns zugerast, haben gebrüllt und auf die Windschutzscheibe geschlagen. Jose war angeschnallt, sie haben ihn aus dem Wagen gezerrt, ihm Handschellen angelegt und weggefahren”, erzählt sie. Jessica hat alles aus dem Fenster ihres Kinderzimmers beobachtet. Wenn sie davon erzählt, steigen ihr Tränen in die Augen. Sie vermisst es, mit ihrem Vater ans Meer zu gehen, zum See zu radeln, Pizza zu essen und am meisten, dass sie ihn nicht umarmen kann. Wenn sie ihn besuchen, ist eine Glasscheibe zwischen Jose und den Frauen. Norma und Jessica wissen, dass Jose vielleicht wieder abgeschoben wird. Zum ersten Mal geschah das 1994 nachdem er mit Drogen erwischt wurde, sagt Norma. Damals sei er noch am selben Tag zurück gekommen. Es sei leicht gewesen, die Grenze zu überqueren. 2010 wurde Jose bei der Arbeit aufgegriffen und abgeschoben. Diesmal war es schwieriger, zurück zu kommen, doch er schaffte es – und wurde ein paar Monate später wieder verhaftet. Jessica versteht bis heute nicht, warum ihr Vater nicht wie sie und ihre Mutter einen Pass bekommen und bei ihr bleiben kann.
Meine Nachfrage bei der Einwanderungsbehörde ergibt eine nüchterne Antwort: Die Behörde sei dazu da, illegale Einwanderer wie Jose so schnell wie möglich aus dem Land zu weisen. Mit Drogendelikt und mehrfacher illegaler Einreise sei er eine Priorität auf der Abschiebeliste. Ohne Erlaubnis ins Land einzureisen könne mit einer Haftstrafe von bis zu zwanzig Jahren bestraft werden.
Ich gebe diese Email nicht an Norma und Jessica weiter. Die Geschichte ist tatsächlich sehr kompliziert. Im Moment weiß ich noch nicht, wie ich sie am besten erzählen kann.
Hören Sie hier, wie die beiden beschrieben, wie Jose abgeholt wurde, was sie an ihm mögen und was sie für die Zukunft hoffen: Norma and Jessica
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Angela Thompson erzählt gerne aus ihrem Leben und aus dem ihrer Mutter. Über die hat sie sogar ein Buch geschrieben: “Bleib immer neben mir”. Es ist die Geschichte eines Frauenlebens im 20. Jahrhunderts mit eindrücklichsten Schilderungen unter anderen von der Bombardierung Dresdens, von überraschend wertvollen Päckchen die die in den Westen geflüchtete Familie von der in Dresden zurück gebliebenen Omi bekam, von im Rückblick verrückt erscheinenden Entscheidungen der Mutter, schwer zu ertragendem Verhalten des zurück kehrenden Vaters und Andeutungen des neuen Freiheitsgefühls der Autorin, als sie in Kalifornien ankommt und studieren kann.
In Deutschland haben viele längst genug von diesen Geschichten und ich dachte ich gehöre zu dieser Gruppe, die nichts mehr hören mag vom Krieg, von Flucht, von Hitler, von Bomben und dem Kampf ums Überleben. Bis ich Angela traf und sie mir mit Gefühl, Humor und Wissen aus ihrem Leben und dem ihrer Mutter erzählte. Besonders wichtig ist ihr dabei, dass US-Bürger diese Geschichten hören und lesen, um zu verstehen, was in den Menschen vorging, auf die die Bomben ihrer Helden fielen. Sie selbst hat sich in den 70er Jahren von Los Angeles aus für politische Gefangene in der DDR eingesetzt, unter anderen mit dem damaligen Gouverneur Ronald Reagan als Verbündeten. Sie fuhr mit dem Auto quer durchs Land um in Washington mit Kongressabgeordneten und Senatoren über Unterdrückung im Osten Deutschlands zu sprechen und machte heimliche Besuche bei den Familien der Gefangenen.
Für Radio/Audio-Enthusiasten-Truppe ‘Listen Up Los Angeles’ hat Angela einen Teil dieses interessanten Lebens erzählt. Weil heute der Jahrestag der Bombadierung von Dresden ist hier der entsprechende Ausschnitt aus meinem Interview.
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Das Ereignis der Woche war, natürlich, die Amtseinführung von Präsident Barack Obama. Die Einwohner von New York beschäftigte daneben ein weiteres Thema: ein Aufruf des texanischen Generalstaatsanwalts Greg Abbott, ihre Heimat zu verlassen und nach Texas zu ziehen. Eine Liebeserklärung an die sonst so verhassten Yankees? Nicht ganz: Angesprochen waren ausdrücklich nur “Law abiding gun owners” – gesetzestreue Bürger, die eine Waffe besitzen.
Abbott, ein im Rollstuhl sitzender Republikaner, hatte die Anzeigen online auf diversen Nachrichtenseiten schalten lassen. Sie erschienen insbesondere bei Nutzern auf dem Bildschirm, die ausweislich ihrer Postleitzahl in Manhattan oder in der Staatshauptstadt Albany leben. Nun ist man in den USA einiges von dem Cowboystaat gewohnt und nimmt ihn, anders als er sich selbst, nicht immer ganz ernst. In den vergangenen Monaten zum Beispiel wurden in Texas mehr als hunderttausend Unterschriften für eine Petition gesammelt, die es dem Bundesstaat ermöglichen sollte, sich vom Rest der Republik abzuspalten. Auch den Unterzeichnern war freilich klar, dass Washington den Antrag rundweg ablehnen würde.
Abbotts Abwerbungsversuche sind ein anderes Kaliber. Hintergrund sind die strengen Waffengesetze, die der Gesetzgeber des Staats New York auf Druck von Gouverneur Andrew Cuomo in Rekordzeit verabschiedet hat. Es war die Reaktion auf das Blutbad an der Sandy-Hook-Schule in Newtown, bei dem ein 20jähriger Selbstmordattentäter mit halbautomatischen Sturmgewehren 20 Kinder und sechs Lehrer niedergemäht hatte. Der Schock war so groß, dass selbst das als lahm und notorisch korrupt geltende Provinzparlament in Albany in Bewegung kam und damit nach Ansicht der meisten New Yorker Menschen das Richtige tat. Nicht jedoch nach Ansicht der Gun-Lobby, die in mehr statt weniger Waffen das Rezept gegen Massenmörder sieht – damit sich der gesetzestreue Bürger verteidigen kann. Mit dieser Position hat sie an der liberalen Ostküste allerdings einen schweren Stand, ganz anders als im waffenvernarrten Süden der USA.
Für Abbott war es somit ein günstiger Zeitpunkt, um auf sich aufmerksam zu machen. Der 55jährige wolle die Amerikaner “vor reflexartigen und skurrilen Reaktionen der politischen Elite” bewahren, erklärte sein Sprecher. Ganz nebenbei will er im kommenden Jahr auch Gouverneur von Texas werden und kann die Publicity gut brauchen, die ihm seine provokative Aktion verschafft. Klugerweise ließen sich bisher weder der New Yorker Gouverneur noch Bürgermeister Michael Bloomberg zu einer Antwort hinreißen. Die in Manhattan erscheinende Wochenzeitung Village Voice allerdings nahm den Fehdehandschuh auf. Sie warnte ihre Leser: “Abbott lügt. Texas will dich nicht. Selbst wenn Du ein durch und durch republikanischer, Waffen tragender New Yorker bist, könntest du glauben, dass Schwule und Frauen Menschen sind. Das kommt da unten gar nicht gut an.”
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Am Donnerstag ist es mal wieder so weit – in Hollywood gehen zu unchristlicher Zeit Lichter und Fernseher an, weil die Oscar-Akademie um halb sechs morgens bekannt gibt, wer in diesem Jahr für die goldenen Männchen nominiert ist. Warum tut sie das um diese frühe Zeit, wenn selbst in Kalifornien noch nicht die Sonne scheint? Damit die Live-Übertragung auch zur besten Sendezeit im Frühstücksfernsehen an der Ostküste (der Westküste drei Stunden voraus) für hohe Einschaltquoten sorgen kann.
Daniel Day-Lewis braucht nicht den Fernseher einzuschalten. Er hat eine Nominierung sicher für seine Lincoln-Darstellung in Steven Spielbergs Bürgerkriegs- und Sklaverei-Geschichtsschinken. Michael Haneke für sein ‘Amour’ genauso. Spannender ist, ob die Akademiemitglieder auch Quentin Tarantinos Version der Sklavengeschichte ‘Django Unchained’ mit Nominierungen ehrt. Humor und Gewalt des blutigen Spaghetti-Western mit Oscar-Gewinner Christoph Waltz in einer Hauptrolle neben Jamie Fox, Kerry Washington und Leonardo DiCaprio dürfte für manche schwer verdaulich sein.
Auch spannend: ob die einzige Frau, die jemals einen Regie-Oscar gewonnen hat wieder eine Chance bekommt. Kathryn Bigelow löst nach ‘Hurt Locker’ mit ihrer Leinwandversion Osama bin Laden-Jagd ‘Zero Dark Thirty’ Kontroversen um Medienkooperation des CIA sowie um Sinn und Zweck von Folter aus. Ich wette, sie bekommt eine Nominierung.
Scheinbar ist auch sicher, dass das Kino-Musical ‘Les Miserables’ von den Akademiemitgliedern mit Nominierungen geehrt wird. Ich habe das Kostüm- und Gesangspektakel noch nicht gesehen. Singende Schauspieler sind einfach nicht meine Sache. Angeblich hat es das Zeug, den Erfolg von ‘Chicago’ von vor zehn Jahren zu wiederholen.
Heftig die Daumen drücke ich neben Christoph Waltz Quvenzhane Wallis. Die neunjährige Hushpuppy stiehlt in der wunderbren Mischung aus Realität und traumartigen Sequenzen ‘Southern Beasts of the Wild’ allen die Schow. Bekommt Quvenzhane eine Nominierung wird sie eindeutig der Liebling auf und um jeden roten Teppich.
Leider werde ich am Tag der Oscar-Verleihung, dem angeblichen Höhepunkt des Hollywood-Kalenders am 24. Februar, dank der zahllosen Nominierungen, Preisverleihungen und Ehrungen wie jedes Jahr komplett erschöpft und vor allem froh sein, wenn der letzte Oscar für den besten Film vergeben ist.
Neugierig wer gewinnt, bin ich trotzdem. Noch.
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Ich wusste, dass die Deutsche Bank mir bei der Suche nach der Wahrheit im verworrenen Geflecht um Zwangsausweisungen nicht wirklich helfen wollte, als ich die Mail des Bank-Sprechers aus New York öffnete. Er hatte mir versprochen, der Text werde alles erklären, was ich wissen wollte. Er ist zwölf Seiten lang, hat reichlich Fußnoten und beginnt mit der Geschichte des US-Eisenbahnbaus im 19. Jahrhundert.
Ich konnte mir nun sehr gut vorstellen, welche Erfahrungen die kaum englisch sprechende Margarita Lucero gemacht hatte, als sie aus ihrem Haus geworfen wurde, erfuhr, dass die Deutsche Bank ihr Haus laut Besitzurkunde besitzt und der Sache auf den Grund gehen wollte. Bis dahin hatte Margarita nie etwas mit der Deutschen Bank zu tun gehabt. Jetzt wollte sie eine Erklärung und den neuen Hypothekenvertrag, den man ihr versprochen hatte. Sie erfuhr über Umwege, dass Deutsche Bank als Treuhänder Investoren vertritt aber nicht für Zwangsausweisungen zuständig ist. Diese unerfreuliche Arbeit erledigt Dienstleister Carrington Mortgage Service für das Geldinstitut.
Margarita Lucero hat 15 Jahre ihre Hypothekenraten pünktlich bezahlt. Vor zwei Jahren bat sie um niedrigere Raten. Sie bekam über Carrington Mortgages zweimal einen Übergangsvertrag mit dem Versprechen, wenn sie die Raten dafür pünktlich zahle würde sie eine neue Hypothek bekommen. Der zweite Übergangsvertrag lief aus. Eine neue Vereinbarung gab es nicht. Die Sheriffs kamen und warfen die Familie aus dem Haus. Margarita Lucero erfuhr, dass die Deutsche Bank ihr Haus besitzt – und dass niemand mehr mit ihr verhandeln will.
Sie wandte sich an die Occupy-Bewegung. Die prüfte den Fall und schaltete sich ein. Seit acht Wochen besetzen sie mit Mama Lucero Grundstück und Haus. Ihre Kinder, Bruder und Schwägerin sind bei Freunden und Verwandten untergebracht. Die Besetzer fordern von der Bank, dass sie der Familie Lucero, die nichts geschenkt haben will, ihr Haus mit einem fairen Vertrag zurück gibt. Sie demonstrieren, schreiben Briefe, rufen Politiker, Staatsanwälte, Banken und Konsulate an. Bisher haben sie keine Antwort bekommen. Jetzt bereiten sie eine Sammelklage gegen die Deutsche Bank vor. Familie Lucero ist nur einer von vielen ähnlichen Fällen in den USA.
Ich fragte die Deutschen Bank, ob die Familie Lucero lügt, wenn sie behauptet, dass die Bank ihre Zwangsausweisung veranlasst habe. Der Sprecher wich mit ausschweifenden Formulierungen voller Fachwörter aus. Dasselbe passierte auf die Frage, ob die Bank die Zwangsausweisung stoppen könnten. Danach bekam ich die Mail, die alles erklären sollte. Beides sind Fragen, die mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten sind. Kein Wunder dass Mama Lucero ihre Hoffnung auf ein Weihnachten zu Hause mit ihrer Familie in die Hände der Besetzer legt, die mit Schlafsäcken, Zelten und Sofas in ihrem Garten leben.
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Alle wissen ja, dass in Amerika heute gewählt wird. Aber fast genau zeitgleich findet auch in China ein Machtwechsel statt. Von Wahl kann man hier zwar nicht sprechen. Ausgekungelt wurden die neuen Parteichefs in den Hinterzimmern der Kommunistischen Partei. Verkündet werden die neuen Miltglieder des engsten Machtzirkels – dem Ständigen Ausschuss des Politbüros der KPCh – auf dem am Donnerstag beginnenden Parteitag. Der findet nur alle fünf Jahre statt. Und deshalb ist es auch etwas Besonderes, dass die Großmacht USA und die Vielleicht-Bald-Großmacht China mit nur wenigen Tagen Abstand beide ihre politische Spitze zur Disposition stellen oder austauschen. Zum letzten Mal fanden US-Präsidentenwahl und KPCh-Parteitag im Jahr 1992 zeitgleich statt. Damals siegte in den USA Bill Clinton. In China war aber – drei Jahre nach der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste – an einen Stabswechsel garnicht zu denken. Der damalige Parteichef und Präsident Jiang Zemin war gerade erst drei Jahre an der Macht und auf dem Parteitreffen eher dabei, diese zu konsolidieren. In den achtziger Jahren wechselten sich zwar einige Parteichefs ab, doch der starke Mann war der alte Reformpatriarch Deng Xiaoping. Und davor herrschten Mao und zumeist auch das Chaos.
Klar, der Spaß an einem solchen zeitlichen Zusammentreffen ist vor allem was für eingefleischte Politjunkies. Denn wahrscheinlich wird sich zwischen beiden Staaten gar nicht viel ändern – auch wenn der voraussichtliche neue KP-Chef und Präsident Xi Jinping am Ruder ist, und dann beim nächsten Gipfel entweder Obama oder Romney die Hand schüttelt. Die bilateralen Beziehungen der beiden Staaten gelten als die wichtigsten der Welt, und sie sind trotz regelmäßiger Spannungen und gelegentlichem Misstrauen eigentlich stabil.
Wie sehr die Amerikaner den chinesischen Stabwechsel in der Partei beobachten, ist von Peking aus schwer zu sagen. Aber die Chinesen schauen genau auf die USA. Die Debatten standen auf chinesischen Video-Plattformen. Obama sorgte auch hier 2008 für eine gewisse Aufregung. Seit damals gibt es auf Klamottenmärkten T-Shirts mit Obama im Mao-Käppi. Oder Autoaufkleber wie diesen hier:
Schickaniere mich nicht, steht da drauf: Mein Großer Bruder ist OBAMA.
Viele Chinese interessieren sich gar mehr für die US-Wahl als für den Generationswechsel daheim. Mehr Farbe, es fliegen die Fetzen in einem öffentlichen Wahlkampf, und ja überhaupt, man kann eben etwas auswählen. Zumindest Chinas Netizens haben dabei ähnliche Vorlieben wie die meisten Europäer Bei einer Umfrage des Microblogs Weibo führte Obama innerhalb von zwei Tagen mit 7:1.
Chinas Staatsmedien meckern derweil, denn beide Kandidaten prügeln auf China ein – das so genannte China-Bashing hat im US-Wahlkampf Tradition. Besonders kernig gibt sich Mitt Romney, der China gleich am ersten Amtstag als Präsident zum Währungsmanipulator abstempeln will. Angst vor Romney? Ach wo. Man müsse Romneys Parolen nicht beim Wort nehmen, glaubt Shen Dingli, Direktor des Zentrums für Amerikastudien an der Shanghaier Fudan-Universität. „Romney wird das gleiche tun wie Clinton, Bush oder Obama“, so Shen. Sprich: Nach dem Wahlkampfgetöse die Politik auf das übliche Lautstärke herunterfahren.
In den USA laufen jetzt die letzen Stunden vor der Wahl. In Peking ist die Stadt noch zwei Tage im Warte- und Ausnahmezustand. Patrouillen suchen die Stadt ab nach reaktionären Slogans, die Polizei lässt stadtbekannte Dissidenten nicht aus den Augen. Überhaupt stehen überall Polizisten. Und selbst Taxifahrer haben genaue Anweisungen: Weiträumig umfahren sollten sie den Tagungsort am Platz des Himmlischen Friedens, und darauf achten, dass Fahrgäste keine Anti-KP-Parolen an ihrem Auto befestigen. Auch dürfen sie niemanden mitnehmen, der irgendeine Art von Ball transportiert. Es könnte ja sein, dass der Fahrgast Tischtennisbälle mit subversiven Botschaften aus dem Auto wirft. Daher müssen die Fahrer die Fensterscheiben auf den Rücksitzen blockieren. In China wird eben nichts dem Zufall überlassen.
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Am Tag nach dem Sturm ist New York eine geteilte Stadt. Die eine ist von Sandy hart getroffen – mit Überschwemmung, Stromausfall und dem Schock, trotz High-Tech so verwundbar zu sein. Die andere hat gewaltigen Böen erlebt, aber sonst kaum unter dem Monstersturm gelitten – und probt Business as Usual.
Glücklicherweise wohne ich in einem wettertechnisch privilegierten Viertel an einem Hang in Brooklyn, Park Slope. Oder vielleicht sollte ich schreiben “sandy-privilegierten Viertel”. Denn Park Slope wurde im vergangenen Frühjahr von einem lokalen Tornado heimgesucht, der dutzende Bäume zu Fall brachte. Womöglich ist dies einer der Gründe, weshalb Sandy den Bäumen in unserer Nachbarschaft vergleichsweise wenig zusetzte. Ja, einige sind gefallen, aber doch viel weniger als wir erwartet hatten.
Insgesamt war die Stimmung in Park Slope heute geradezu fröhlich. Brooklyns Stadtteilpräsident Marty Markowitz hatte schon morgens kämpferisch die Parole ausgegeben: “Der Sturm hat sich die falsche Stadt ausgesucht, wir geben nicht auf!” Viele Leute gingen einkaufen – zwei von drei Läden hatten geöffnet -, und vor allem waren Restaurants und Kneipen dicht besetzt. Die Menschen feierten den zusätzlichen Feiertag – kaum einer konnte wegen U-Bahn-Ausfalls und gesperrter Tunnels zur Arbeit – und die Erleichterung, eine Katastrophe unvermutet gut überstanden zu haben.
Aber auch in Red Hook, einem Viertel in der Evakuierungs-Zone am East River, bewiesen die Leute Standfestigkeit und Humor.
Das zeigten nicht nur solche Graffitis, sondern auch die Atmosphäre in dem Viertel. Während die Keller ausgepumpt wurden, standen die Leute in Grüppchen zusammen, tauschten Tipps aus und Neuigkeiten. Und selbst in Downtown Manhattan ist die Lage weniger dramatisch als viele Fernsehbilder vermitteln. Wir mieteten heute nachmittag einen Wagen und fuhren durchs Börsenviertel. Das Wasser ist längst abgeflossen; der spärliche Verkehr läuft trotz ausgefallener Ampeln reibungslos. Während die Subway nach wie vor still steht, fahren schon wieder Busse – kostenlos. Sandsack-Barrieren wie hier vor Goldman Sachs werden abgebaut.
In den deutschen Medien ist das Unspektakuläre verständlicherweise nicht so interessant. Doch es entsteht auf diese Weise ein schiefes Bild. Wir erhielten viele Mails von Angehörigen und Freunden, die Angst hatten, dass wir einem kompletten Chaos zum Opfer gefallen wären. Manche mochten unsere beruhigenden Antworten kaum glauben. Es war ihnen nicht bewusst, dass zwar in 600 000 Haushalten der Strom ausgefallen ist – aber rund vier Millionen keine Probleme haben.
Fotos: Christine Mattauch
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Der Sturm ist da. Einmal mehr liegt New York in Agonie. Die Küstengebiete sind evakuiert worden, U-Bahnen und Busse fahren seit gestern abend nicht mehr. In vielen Supermärkten sind die Lebensmittelregale leergekauft und Batterien ausgegangen. Schulen und Universitäten sind geschlossen und auch der Parketthandel der Börse – gemeinhin ein sicheres Zeichen dafür, dass die Sache ernst ist.
Das alles stimmt und vermittelt doch ein falsches Bild. Die Windböen, die bei uns in Brooklyn ums Haus heulen, sind bisher kaum stärker als bei manchen Gewittern. Und als ich gerade einen Spaziergang auf unsere Viertels-Einkaufsstraße 7th Avenue wagte, war ich überrascht, wie viele Menschen unterwegs sind.
Einige führen ihre Hunde aus, andere gehen ganz normal einkaufen oder essen – denn tatsächlich haben diverse Läden und Restaurants geöffnet, von der Drogerie Rite Aid über den Billigjapaner Shinju bis zur Hamburgerkette Cheeburger, wo sich ein paar Jugendliche über Fritten hermachten. Die Post allerdings hat zu. Auch unser Hardwarestore Tarzian samt angrenzender Drogerie, der sonst keine Gelegenheit zum Geschäft auslässt, ist so kunstfertig verrammelt, als wolle der Inhaber Reklame für Klebstreifen machen. Vielleicht will er das ja auch.
An den Küsten Staten Islands und Brooklyns ist die Lage ebenfalls durchwachsen, wie klatschnasse Reporter im Lokalfernsehen NY1 berichten. Riesige Brecher arbeiten sich an den Stränden empor, und heute nacht wird das noch schlimmer werden, wenn die Flut ihren Höchststand erreicht. Vorerst aber laufen auch dort noch viele Anwohner über die Promenaden und sagen den Reportern ins Mikrofon, dass sie überhaupt nicht daran denken, ihre Wohnungen zu verlassen – obwohl die Stadt in den großen Sozialsiedlungen jenseits der Promenade schon gestern Aufzüge, Heizungen und Warmwasser abstellen ließ, um die Evakuierung zu beschleunigen. In New York wird nicht gerade sanft mit Almosenempfängern umgegangen. Busse mit Polizisten fahren durch die Straßen, um evakuierungswillige Mitbürger einzuladen.
Hat das Hurrican Center Sandy – in der Boulevardpresse auch „Frankenstorm“ genannt, in Anspielung auf Frankenstein, schließlich ist übermorgen Halloween – etwa überschätzt? Die Prognosen der Wetterstationen sind erstaunlich unterschiedlich. Einige sagen, dass der Höhepunkt des Sturms heute abend gegen 18 oder 20 Uhr lokaler Zeit zu erwarten sei, andere meinen, das Schlimmste sei bereits vorbei. Unser Vollkornbrot und die Thunfischdosen jedenfalls liegen noch ungeöffnet im Schrank. So langsam beginne ich mich mit dem Gedanken zu befassen, wer das eigentlich alles essen soll, wenn der Sturm vorüber ist.
Fotos: Christine Mattauch