Weltreporter.net ist ein globales Korrespondentennetz für deutschsprachige Medien. Diese Website präsentiert einen Ausschnitt unserer Arbeit.
Die Corona-Krise hat noch wichtiger gemacht, was uns Weltreporter auszeichnet: Wir sind schon da, wohin andere erst reisen müssen – und genau das jetzt nicht mehr können. Quarantäne, geschlossene Grenzen, Reisebeschränkungen, Ausgangssperren – Reisen sind schwierig geworden, nicht nur ins Ausland, und auch für Journalisten. Wer zum Coronavirus jenseits der Landesgrenzen recherchieren will, schaut ins Internet, telefoniert – oder beauftragt einen Weltreporter. Wir wissen, wie die Situation in vielen Regionen der Welt ist, denn wir arbeiten und leben dort.
Fabian Kretschmer berichtet aus China zur Öffnung der Stadt Wuhan und beschreibt, welche Auswirkungen die Krise auf die Blase des chinesischen Profifussballs hat. Anke Richter hat mit Deutschen gesprochen, die in Neuseeland festsitzen.
Sarah Mersch beobachtet, wie die Tunesier daraf reagieren, wenn Ausgangssperren plötzlich mit Drohnen überwacht werden. Wolf-Dieter Vogel schreibt aus Mexiko, weshalb ein Essayband mit philosophischen Texten in der Coronakrise offenbar einen wichtigen Nerv trifft.
Vermutlich schon, schreibt Julia Macher, aus dem Brennpunkt-Land Spanien. Sie arbeitet in Barcelona und berichtet von dort unter anderem darüber, was sich Hotels einfallen lassen, wenn Touristen fehlen.
Bettina Rühl und Marc Engelhardt recherchieren im dem Kongo und in Genf, wie die Ebolakrise zu Ende geht – und was sich für die Corona-Pandemie daraus lernen lässt.
Bettina Ruehl weiß außerdem, wie ein gespensticher Flughafen aussieht, sie war im Terminal von Nairobis Airport, als dort die letzten internationalen Flüge landeten. Im Deutschlandfunk berichtet sie an diesem Wochenende gemeinsam mit Südafrika-Weltreporterin Leonie March und anderen Korrespondenten über die Situation in Afrika.
Wie sich das Virus in Townships und Slums in Südafrika ausbreitet, schildert Leonie March außerdem in einem Korrespondentengespräch mit dem SWR.
Warum die Australier derzeit nicht sonderlich gut auf Kreuzfahrer zu sprechen sind – und wie es aussieht wenn Strände geschlossen werden – habe ich in einem kurzen Länder-Update zusammengestellt. In Brüssel fragt sich Eric Bonse, wann die EU-Staaten den “Exit” aus der Coronakrise vorbereiten?
So aktuell wie es uns möglich ist, halten wir Weltreporter Sie aus mehr als 100 Ländern auch über unsere Weltreporter.net-Facebookseite und unseren Twitter-Kanal auf dem Laufenden.
Bleiben Sie gesund, bleiben Sie demokratisch, bleiben Sie informiert.
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Minister aus Indonesien, Singapur und Australien, Regierungsvertreter aus Dänemark und Norwegen, von den Philippinen und den Fiji-Inseln, insgesamt 1200 Gäste aus rund 40 Ländern, dazu riesige Mengen an Catering in Fünf-Sterne-Sälen, die so eisgekühlt sind, dass man einem Schal braucht.
Selbstverständlich erhalten sämtliche Gäste alle möglichen nötigen und unnötigen Information auf Papier ausgedruckt, anstatt sie auf den USB-Stick zu kopieren, der sowieso Teil der Geschenktasche aus Kunststoff ist, die jeder Gast erhält. So beginnt der dritte Asia Pacific Rainforest Summit in Yogyakarta. Master of Ceremony Anthony Benny vom australischen Umweltministerium lädt die Gäste gleich zu Anfang ein, sich nach dem Gipfel die „tropischen Regenwälder in der Region anzusehen“ – was zumindest bei einigen einheimischen Teilnehmern die Mundwinkel zucken lässt, gibt es doch in Zentraljava schon seit Jahrhunderten keine nennenswerte Regenwälder mehr.
Die indonesische Umweltministerin Siti Nurbaya Bakar klärt das Missverständnis in ihrer Rede dann zumindest indirekt auf: Es werden Touren zu Wiederaufforstungsprojekten angeboten. Diese Baumplantagen sorgten unter anderem dafür, dass Java mittlerweile nicht mehr Holz aus Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo, einführen muss, sondern im Gegensatz dazu die eigene Produktion nach Kalimantan verschifft. Was sie nicht sagt: dass in Kalimantan nicht mehr viele Bäume übrig sind, die man irgendwohin verschiffen könnte. Dort sind neben den sich krebsartig ausbreitenden Palmölplantagen fast nur noch geschützte oder schwer zugängliche Gebiete bewaldet, also in Nationalparks und im Gebirge: Spätestens seit 2014 gilt Indonesien als der unbestrittene Weltmeister im Abholzen von Regenwäldern.
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Fehlt Ihnen im Nordhalbkugel-Winter zuweilen eine Dosis Licht? Australien wird mit Sonne und Hitze derzeit reichlich versorgt, vorgestern war es in Sydneys Westen gut beleuchtete 47 Grad. Die kann ich Ihnen nicht um die Welt schicken, aber etwas deutlich Besseres: Nehmen Sie sich etwas Zeit und reisen Sie mit uns in zwanzig Minuten um die Welt: Mit dem Weltreporter-Podast #3. In der dritten Audio-Reise des Journalisten-Netzwerks geht es um Licht. Begleiten Sie Weltreporter an Orte, an denen Licht verzaubert, wo Lichter aufgehen und dorthin, wo ein ganzes Land das Licht am Ende eines Tunnels feiert.
Aber Vorsicht, die erleuchtete Welt der Reporter hat ein paar Überraschungen für Sie parat: Unsere Kollegin in Südosteuropa hat ein besonderes Lichtspektakel sogar richtig sauer gemacht. Denn dort gehen die Uhren anders – sagt eine, die es wissen muss: Weltreporterin Danja Antonovic aus Belgrad. Sie erklärt Ihnen, warum dort die Weihnachtsbeleuchtung im September an- und erst im Februar wieder ausgeschaltet wird. Sie weiß auch, was über diese Lichterflut jene Belgrader denken, die selbst kaum genug Geld für die eigene Stromrechnung haben.
Belgrads winterliches Lichtermeer
Die meisten Momente, die das Podcast-Team der Weltreporter – Kerstin Zilm, Sascha Zastiral, Jürgen Stryjak, Birgit Kaspar und Leonie March – zusammengetragen hat, sind aber auf eher positive Art erhellend.
Auf der Audio-Reise zu den Einsatz- und Arbeitsorten von Weltreporter-Kollegen in aller Welt erfahren Sie von ungewöhnlichen Augenblicken in Tschechien, Australien und Kairo. Außerdem erleben Sie einen eiskalten Sonnenaufgang im Zelt über den Wolken in den Pyrenäen.
In Kenia, drei Autostunden von Nairobi entfernt, rennt Bettina Rühl vor Sonnenaufgang durch die Savanne. Warum sie dabei von Massai bewacht wird, erfahren Sie ebenfalls im Weltreporter Podcast #3.
Über den Wolken in den Pyrenäen
Von ganz persönlichen und manchmal sogar magischen Momente, die mit Licht und Schatten zusammenhängen, berichten Weltreporter aus dem nächtlichen Paris und einem Delfter Museum, aus Kairos Straßen und vom Strand in Lombok.
Wir haben Licht am Ende des sprichwörtlichen Tunnels in Tschechien gefunden und schauen in Chile vorbei, wo endlich neue, günstige Solaranlagen gebaut werden. Im Podcast erzählt unser neuer WR-Kollege in Südkorea, welche Hoffnungsschimmer die Einwohner von Seoul haben, angesichts der eher düstern Angst vor einem drohendem Atomkrieg. Sie erfahren, weshalb nicht mehr viele serbische Mädchen Svetlana (“Tochter des Lichts”) genannt werden und folgen Marc Engelhardt 175 Meter unter die Schweizer Erde, in die Tunnel des Europäischen Kernforschungszentrums. Auch dort funkelt ein besonderes Licht.
Gamelan-Musiker in Indonesien
Zu einem Klang- und Licht Erlebnis der historischen Art nimmt Christina Schott Sie in die Sultansstadt Jogjakarta mit. Dort wird seit Jahrhunderten die Kunst des Schattentheaters zelebriert, ein Meisterwerk des Kulturerbes, an dem heute auch Touristen teilnehmen können. Lauschen Sie dem Klingklong der indonesischen Gamelan, deren fünf- oder siebentönige Tonskalen vielleicht Geister vertreiben, mit Sicherheit aber die Zuhörer in eine ganz andere Welt versetzen.
An einem wiederum anderen Ende des Globus trifft sich die größte indische Bevölkerungsgruppe außerhalb Indiens zu einer Prozession, in der mit Lampen, Gesang und Farben der Sieg des Lichts über die Dunkelheit gefeiert wird. Auf welchem Kontinent diese Zeremonie die Straßen in ein spirituelles Volksfest verwandelt, erfahren Sie ebenfalls im Weltreporter-Podcast #3.
Sonnenaufgang in Kenia
PS: Alle drei Monate erzählen Weltreporter von Jobs und Recherchen zwischen Durban und Dänemark und laden ein zum Blick hinter die Kulissen, nehmen Sie mit in den Korrespondentenalltag oder teilen persönliche Eindrücke.
Sie haben die ersten WR-Podcast verpasst? Hören Sie sie in der Soundcloud an. Sie treffen einen Weltreporter-Gründer, hören, welches Geräusch unsere Kollegin in Los Angeles zuweilen von der Arbeit abhält, welche Eigenschaften zum Job gehören und was Kollegen in Krisenregionen auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten motiviert. Im zweiten Podcast geht es um Identität.
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Ja, heiß ist es auch, ist schließlich Sommer in Australien. Vor allem aber ist es derzeit rauchig um mich rum. Seit zwei Wochen fackeln in der Nähe Naturschutzgebiete ab, nicht groß genug für die Weltschlagzeilen, (“Waldbrände? Ich dachte, es brennt nur in Kalifornien?”), aber schon einigermaßen bedrohlich.
Wir husten, die Feuerwehren und Hubschrauber löschen, und die heimische Tierwelt versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Nicht immer mit Erfolg,
Koalas beispielsweise sind auf der Flucht vor Flammen eher langsam. Ein Team von Rangern und Tierschützern päppelt überlebende Beutler nach solchen Ereignissen wieder auf. Wenn sie zu retten sind. Der “Busch” – wie Australier die waldigen und eher ungezähmten Ecken der Natur jenseits der Großstädte nennen – regeniert sich. Beuteltiere, Reptilien und Vögel meist nicht. Das erinnert mich dran, dass mein Rauch-Gejammer ein Elitär-Problem ist: Die Augen sind rot, der Brandgeruch nervt, und die Hubschrauber über dem Office lassen die Tastatur vibrieren. Aber immerhin hat’s mir nicht das Fell versengt.
Zumal die “Bushfire Season” – ja, das heisst in Australien wirklich so – noch gar nicht richtig angefangen hat. Von Mai bis Oktober gab es in vielen Regionen die höchsten Temperaturen seit eh und je, Klimaleute veröffentlichen Aussichten auf einen besonders heißen Sommer, und damit geht die brandgefährliche Jahreszeit in den meisten Teilen des Kontinent jetzt erst richtig los. Na dann,…
Wir machen jedenfalls dieses Jahr zu Weihnachten kein Lagerfeuer. Etwas Regen wäre auch schön, falls jemand eine Wolke übrig hat…
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Der 3. Mai ist der Internationale Tag der Pressefreiheit. Um die allerdings ist es nicht sonderlich gut bestellt. Der Verband Reporter ohne Grenzen (ROG) hat zu diesem Termin eine überraschende und teils erschreckende Rangliste mit vielen Hintergründen zur Pressefreiheit in der Welt zusammengestellt.
Es ist ein hochspannendes und informatives Dokument, viel mehr als eine Liste.
Ein Blick auf die interaktive Weltkarte der ROG-Kollegen ist extrem aufschlussreich. Denn in der Übersicht geht es nicht nur darum, wo Journalisten, die ihre Arbeit erledigen wollen, dabei behindert oder sogar festgenommen werden.
Es werden auch Manipulationen und Monopole angesprochen – und keineswegs nur Einschränkungen in Diktaturen.
„Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, anstatt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten“, sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske zu dem Ranking, für das vor allem Ereignisse und Daten aus 2016 zusammengetragen wurden.
Zur Verschlechterung der Lage für Journalisten tragen weltweit auch medienfeindliche Rhetorik, beschränkende Gesetze und politische Einflussnahme bei. Deutschland hält sich auf der Liste unverändert auf Platz 16. Australien steckt zwischen Surinam und Portugal auf Platz 19. Nicht zuletzt weil in meinem Berichtsgebiet Journalisten beispielsweise nicht unbehindert über die Flüchtlingspolitik berichten dürfen.
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Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare, Lob und Kritik gab es seither reichlich, Reaktionen, die so spannend wie vielseitig waren. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.
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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert. Wir freuen uns auch darüber…
Viele Medien berichteten von den Lesungen, zu denen wir von Buchläden, Bibliotheken aber auch von vielen Schulen eingeladen wurden. Radiostationen rezensierten das Buch, zum Beispiel ‘B5 aktuell’, Deutschlandradio und Bayern 2. Autorinnen und Autoren haben auf Lesungen in ganz Deutschland diskutiert, (hier ein Bericht von einer Lesung mit Philip Hedemann aus dem oberpfälzischen Pressath) und Fragen beantwortet.
Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im neuen Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weiterging und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philip erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.
Angst auch nach 25 Jahren
Im Audio erfahren Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl zu, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die schon 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.
Birgit Kaspar in Toulouse spricht mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach all den Jahren in Paris, heute bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.
Birgit Kaspar und Marc Engelhardt lesen in Herne Foto: Claudia Korbik
Zu weit weg?
Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Marc Engelhard hat außer positivem Feedback natürlich auch kritische Meinungen gehört. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderen Ländern 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”
Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.
In Lesbos bleiben die Tische leer
Lesbos: Die Urlauber bleiben aus.
Im Audio #2 hören Sie auch von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sich sein Leben auf der Insel Lesbos komplett verändert hat. Am idyllischen Hafen von Skala Sikamineas bleiben die Tische leer. Zwar landen dort keine Flüchtlingsscharen mehr wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr. Sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.
Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage erdulden. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste von Menschenrechtsorganisationen und anderen noch immer unklar ist.
Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.
Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast einiges Neues. Zusammengestellt haben es die Weltreporter Kerstin Zilm, Leonie March, Randi Hauser und Sascha Zastiral.
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Alle reden von Donald Trump, aber niemand von John Key. Das ist Neuseelands konservativer Premierminister, manchmal auch „Donkey“ (Esel) genannt. Er beginnt seine Sätze gerne mit Plattitüden wie „At the end of the day“, die der Beschwichtigung und Verneblung dienen. Was Trump von sich gibt, ist krasser – jeder kennt die einschlägigen „Trumpisms“ über Frauen, Mexikaner, Moslems. In Neuseeland ist alles eine Nummer kleiner. Hier haben wir die Sprachkategorie „Keyisms“. Die klingen sanfter, haben aber auch brutale Konsequenzen.
Ein Key-ismus bedeutet, aalglatt genau das Gegenteil einer Tatsache zu behaupten, ohne dass die Verdrehung auffällt. „Wir haben die Sache eigentlich gut gemacht“, lobte sich John Key diese Woche. Was er am Montag vollbrachte, und was in all der Orlando-Trauer unterging: Key erhöhte die Flüchtlingsquote. Für eine Verdopplung trommeln hier seit letztem Jahr emsig Organisationen wie „Doing our bit“. Neuseeland, eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt, wo gerade mal ein Mensch auf 17 Quadratkilometer kommt, nimmt in Zukunft mehr Flüchtlinge auf. Es sind aber nur 250 mehr, von schlappen 750 pro Jahr auf 1000. Von wegen doppelt. Und das auch erst ab 2018.
Grant Bayldon, Vorsitzender von Amnesty International in Neuseeland, nannte Keys Entscheidung „absolut beschämend angesichts der größten humanitären Krise der Welt.“ Neuseeland sitzt im UN-Sicherheitsrat, aber seit dreißig Jahren wurde die Flüchtlingsquote in Neuseeland nicht erhöht. Wir stehen an schlapper 87. Stelle der Länder, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Daran haben auch die früheren linken Staatsoberhäupter nichts geändert – wie Helen Clark, die sich gerade als Generalsekretärin für die UN zu profilieren versucht. John Key ist Sohn einer jüdischen Immigrantin aus Österreich, die vor Hitler ins gelobte Aotearoa flohen. Aber statt für Flüchtlingshilfe pumpt er lieber 20 Millionen Dollar seines Jahresbudgets ins Militär.
Immigrationsminister Michael Woodhouse begründete die Entscheidung damit, dass die syrischen Flüchtlinge weder Englisch sprechen noch Arbeit finden würden. Man müsse nur auf Australien schauen, die hätten „einiges zu erklären“, da sie dreimal so viele „refugees“ aufnehmen. Erklären müssen die Australier sich in der Tat. Dafür, dass sie „boat people“ in menschenunwürdigen Lagern auf Pazifik-Inseln wie Nauru unterbringen. Und sechs Millionen Dollar Steuergelder dafür ausgeben, einen Propaganda-Film voller Ertrinkender und Hoffnungsloser namens „The Journey“ (Die Reise) zu drehen. Der wurde bereits in Afghanistan gezeigt und dient allein dem Zweck, potentielle Asylbewerber abzuschrecken.
Nicht nur seine erbärmliche Flüchtlingsquote hat Neuseeland dem großen Nachbarn voraus: Aotearoa ist das einzige westliche Land, in das man weder auf dem Land- noch dem Seeweg illegal hineinkommt. Das freut viele Kiwis. Volkes Stimme ist in allen Umfragen eindeutig: Refugees? Bitte draußen bleiben und lieber ertrinken.
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Vor Jahren lästerte der frühere neuseeländische Premierminister Robert Muldoon über die vielen Kiwis, die sein Land für ein besseres Leben in Australien verließen: Durch diesen Exodus würde sich der Intelligenzquotient in beiden Ländern heben. Jetzt kommt die Retourkutsche von „drüben“, und sie ist kein Scherz. Australien will all die Neuseeländer abschieben, die im Zuge dieser IQ-Anhebung kriminell geworden sind.
Bis zu tausend Straffällige schickt Australiens neuer Premier Malcolm Turnbull demnächst auf den Weg in die alte Heimat, damit sie ihm nicht mehr auf der Tasche liegen. Ein Riesenschreck für unser kleines braves Land: Darunter sind nicht nur Mitglieder der berüchtigten Biker-Gang Bandidos, sondern Drogendealer, Mörder und Vergewaltiger. Volkes Stimme jault auf: Die dürft Ihr gerne behalten! Schließlich sind sie ja bei euch erst zu Gangstern geworden, in dem großen bösen Land. Ein Land, das – wir wollen wirklich nicht darauf rumreiten, aber es muss doch mal wieder betont werden dürfen – einst von Strafgefangenen besiedelt wurde.
So gesehen gäbe es die Supermacht Australien gar nicht – ohne Abschiebung von Kriminellen. So wie die elfjährige Mary Wade, die aus dem viktorianischen England auf den roten Kontinent verschifft wurde, weil sie einem anderen Kind ein Kleid stahl. Diese Schwerverbrecherin ist die Vorfahrin von Kevin Rudd – dem ehemaligen Australien-Premier, der sich bei den Aborigines offiziell entschuldigte. Da kann man mal sehen, dass das ganze unerfreuliche Prozedere ein paar Generationen später doch noch zur Resozialisierung führen kann.
Nur mit dem Verfahren selber hakt es noch etwas. Viele kriminelle Ex-Kiwis leben seit ihrer Kindheit auf der andern Seite der tasmanischen See und können sich an ihr Geburtsland kaum noch erinnern. So wie der 56jährige Querschnittsgelähmte, lediglich als „Paul“ identifiziert, der vor ein paar Wochen zwangsdeportiert wurde. Mit nur 200 Dollar in der Tasche und einem Übernachtungsgutschein für eine Woche, aber keinerlei Freunden oder Familienkontakten fand er sich komplett verstört und gottverlassen am Flughafen Auckland wieder.
Besonders übel trifft es die, die in Nacht und Nebel-Aktionen von Rollkommandos in Abschiebelager für Asylsuchende gebracht werden. Manche müssen wochenlang auf der berüchtigten Christmas-Insel im Südpazifik ausharren, wo die Bedingungen menschenverachtend sind. Diese schäbige Behandlung vom großen Bruder nebenan war zuviel des Schlechten. Man ist tief verletzt. Plötzlich spritzt das Gift aus allen Kommentaren und Kolumnen. Kiwis berichten, wie übel sie „drüben“ behandelt werden – als Menschen zweiter Klasse. Wenn Australien billige Bauarbeiter braucht, dann seien die armen Nachbarn kurzfristig willkommen, aber dableiben dürften sie nicht. Darauf verzichten wir!
Malcom Turnbull hat uns gerade einen Kurzbesuch abgestattet. Da wurde auch die Knacki-Frage erörtert. Ein fairer Vorschlag: Ab sofort deportieren wir all die Possums nach Australien, die sich in Aotearoa als Schädlinge breit gemacht haben.
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Julica Jungehülsing lebt und arbeitet seit 2001 als freie Journalistin in Australien. Ihre Reportagen und Interviews von der Südhalbkugel erscheinen unter anderem in Stern, GEO Saison, GEO Special, Merian, Zeit, SZ-Magazin und Brigitte. 2007 erschien bei Herder ihr Buch “Ein Jahr in Australien”, das seither zum Bestseller wurde. Julica liebt Australiens faszinierende Weite und Natur, für den Adventskalender nahm sie das Geschrei der Kookaburras im Limburner’s Creek National Park and der Küste von New South Wales auf. Tonal unterstützt werden die lachenden Eisvögel in der Aufnahme vom Quaken der grünen Baumfrösche.
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Rucksacktouristen! Weltenbummler! Plant ihr, den Winter “down under” zu verbringen? Neuseeland im Campingbus zu umrunden? Prima. Es soll aber sicher kein spießiges Wohnmobil sein – man ist ja kein typischer Tourist -, sondern lieber so ein cooles Surfer-Ding mit Graffiti drauf und Matratze hinten drin, richtig? Dann unbedingt Dreadlocks zurechtfilzen, aber illegale Rauchwaren zu Hause lassen – man bringt ja auch nicht Eis nach Grönland. Und bitte zweimal überlegen, ob es wirklich ein Wagen von “Wicked Campers” sein muss.
Die Mietwagenfirma ist berühmt für ihre billigen, bunt besprühten Campingbusse. Voll crazy. Darin fühlen sich auch 35-Jährige wieder wie 20. Berüchtigt ist “Wicked Campers” für die Slogans, die hinten auf den Autos stehen. Die helfen beim Aufreißen von Urlaubsbekanntschaften. Zum Beispiel der hier: “A blow-job is a great last minute gift.” Das versteht jede, genauso wie “Fat girls are harder to kidnap”. Voll lustig. So ein freches Blas-mich-Mobil ist der reinste Mädchen-Magnet. Nur die Hässlichen flüchten sofort.
Bei Älteren zieht der hier: “Eine Ehefrau: Ein Apparat, den man aufs Bett schraubt, damit die Hausarbeit gemacht wird.” Menstruation, Muschis und alles, was Männer sonst noch fürchten, findet sich flott formuliert auf dem Autolack wieder. Der Schock-Effekt ist Kalkül, das Geschäft läuft bestens. “Wicked Campers” haben bisher alle Proteste kaltgelassen. Bis Paula Orbea mit ihrer Tochter in den Blue Mountains unterwegs war. Dort sah die 11-Jährige vor sich einen Campervan und las: “In jeder Prinzessin steckt eine kleine Schlampe, die es gerne mal ausprobieren will.”
Das Mädchen war verstört, ihre Mutter wütend. “Dieser Spruch unterstützt Pädophilie”, findet die Lehrerin aus Sydney. Er würde die Sicht von Männern wie dem Sexualstraftäter und Entertainer Rolf Harris wiedergeben, dessen jüngstes Opfer acht Jahre alt war. Paula Orbea startete eine Onlinepetition auf Change.org. Innerhalb von vier Tagen hatte sie über 125.000 Unterschriften aus Australien und Neuseeland zusammen. Der Stadtrat von Christchurch überlegte sogar, die “Wicked”-Vans komplett aus dem Stadtgebiet zu verbannen.
Die Firma knickte unter der Flut von Protest-E-Mails ein, entschuldigte sich öffentlich und versprach, innerhalb von sechs Monaten alle sexistischen Slogans zu entfernen. Auf Facebook sah man eine Frau, die angeblich selber zur Sprühdose griff. Auf dem Bus stand vorher: “Eine Vagina ist wie das Wetter … wenn’s nass ist, geht man rein.” Jetzt prangt dort: “If ya wouldn’t say it to ya nan … don’t put it on ya van.” Frei übersetzt: Was Oma schockt, gehört geblockt. Womit sich die “bad boys” von “Wicked” weiterhin cool gebärden: Ihre Sprüche sind nur zu krass für alte Langweiler, ansonsten in Ordnung. Schon im Vorfeld der Change.org-Aktion hatten die Van-Vermieter getönt: “Was verboten ist, macht uns interessanter.” Voll klar.
Da kann man deutschen Neuseeland-Besuchern getrost den Slogan an die Hand geben: “Wicked – Fick it!”
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Einen Funken Hoffnung gab’s noch für Australiens Great Barrier Reef, den löschte die Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) heute aus. Die konservative Regierung unter Tony Abbott hatte schon im Dezember beschlossen, drei neue Kohlehäfen in unmittelbarer Nähe des Weltkulturerbes zu genehmigen, dafür drei Millionen Kubikmeter Meeresboden auszubuddeln und über den Korallen zu verschlammen. Die GBRMPA musste jedoch auch noch zustimmen. Das wollte sie eigentlich bis 24.Dezember tun, hielt ihre Entscheidung dann aber wohl für kein passendes Weihnachtsgeschenk und vertagte auf heute.
Fischer, Anwohner, Menschen die gern tauchen und/oder die Natur schätzen und viele Umweltschutzorganisationen hatten eine heiße und verzweifelte Kampagne geführt. Erfolglos. Heute gab die GBRMPA ihre Entscheidung bekannt und die heißt: JA zu Kohle, ‘Dredging & Dumping’ und NEIN zum Schutz des Welterbes. In ihrer Begründung sagt die Behörde (deren Job eigentlich ist, das Riff zu erhalten und zu schützen): die strengen Umwelt-Auflagen für das Projekt würden die Biodiversität, sowie das Erbe und die soziale Bedeutung des Riffs gar noch verbessern. Das liest sich fast schon orwellianisch zynisch. Außerdem, so ein GBRMPA-Sprecher, sei das Riff ja viel größer als die Oma aus Wagga Wagga sich vorstelle, kurz, das falle gar nicht so auf und man solle sich mal nicht so anstellen.
Der größte Kohlehafen der Welt ensteht – mitten im größten Korallenriff der Erde.
Seit Antritt der neuen Regierung ist dies nicht die erste schlechte Nachricht für die Zukunft von Australiens Umwelt: Tasmaniens Tarkine Wildnis, gerade erst zum Schutzgebiet erklärt, ist dabei hunderttausende Quadratkilometer bisher geschützen Regenwaldes zu verlieren, das Wissenschaftsministerium wurde als aller erstes nach dem Wahlsieg abgeschafft. Tourismusbeschäftigte und Naturinteressierte sehen fassungslos und entsetzt zu.
Aber offenbar ist der Regierung wichtiger, noch mehr Bodenschätze so schnell und lukrativ wie möglich aus der Erde zu buddeln. Australien ist der weltgrößte Kohle-Exporteur. 2010 exportierte der Kontinent knapp 300 Millionen Tonnen Steinkohle. Hauptabnehmer sind Japan und China. Was wir Australiens Kohle rundum noch so verdanken, hat Bill McKibben im Monthly aufgeschrieben.
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Generell wird Santa (australisch kurz für: Weihnachtsmann) hier auch bei derzeit 26 ºC in seine traditionelle Kluft gesteckt: langer Mantel, Mütze und Fellstiefel. Er muss hinterm Bart in Filz und Fell vor Shoppingzeilen schwitzen und legt sogar volle Montur an, wenn er im Lifesaver-Boot übers blaue Meer zum jährlichen “HoHoHo” an den Strand gefahren wird. Um so erleichterter war ich, eben im Frisörladen ums Eck zu sehen, dass jemand Mitleid mit dem Herrn der Geschenke hatte und ihm eine jahreszeitlich etwas passendere Uniform erlaubt. Steht ihm gut finde ich.
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Zu wenig dringt vom australischen Wahlkampf in den Rest der Welt vor. Was schade ist, denn wenn die nächsten 4 Wochen bis zur Wahl nur ansatzweise so skurril weitergehen, wie sie angefangen haben, wird’s zum Schreien. Kostprobe gefällig? Gern! Gestern zb gab eine junge Kandidatin der “One Nation” Partei (so eine Art australische Le-Pen- oder Sarah-Palin-Truppe) ein Interview und erklärte : Sie sei jetzt nicht generell gegen Islam als Land, aber deren Gesetze sollten lieber nicht in Australien gelten. Okay, ich verstehe, Sie brennen darauf, den Namen dieser politischen Wunderwaffe kennen zu lernen: Verständlich, denn Stephanie Banister, mit 27 Jahren das jüngste “poster girl” ihrer politischen Vereinigung, hat noch weitere Weisheiten in Sachen Religion parat. Da Skepsis in diesen schnellmedialen Zeiten angebracht ist, hören Sie sich den Beweis aus Australiens öffentlichem Fernsehen auf Youtube an. Es lohnt! Sarah, sorry Stephanie weiß auch: Nur 2 Prozent aller Australier etwa folgten dem Haram (sie meinte Koran, haram ist ein muslimischer Terminus für etwas das verboten ist )
http://www.youtube.com/watch?v=6_1SFf8t-ko
Dann belehrte sie noch: Juden hätten andere Diätvorschriften (nicht haram sondern kosher und steuerfrei), aber Juden hätten ja eh ihre “eigene Religion, welche nämlich Jesus Christus folge”. Autsch, ich glaube Stephanie muss wirklich muss noch mal zurück in Jahrgang 10, wo’s um “Religionen dieser Welt” ging. Denn Glaube und Gott sind ihr Lieblingsthema (sagt sie). Kaum nötig zu erwähnen, dass die aufstrebende Politikerin sich am nächsten Tag beschwerte und falsch zitiert fühlte… Die Beweise waren allerdings etwas zu erdrückend.
Mit etwas Glück bleibt Australien mehr Banister-Intelligenz eventuell erspart: im Moment wird gerichtlich gegen sie ermittelt weil sie angeblich Aufkleber verteilt hatte: “halal funds terrorism” brüllten die weiß auf rot, und ihre Anhänger hatten sie in Brisbanes Supermärkten auf Fleischwaren und andere Produkte geklebt. Das Verfahren steht noch aus, aber mit Vorstrafe darf sie nicht ins Parlament. phhhh.
Dies waren Stephanie Banisters Aufkleber. Dank derer könnte Australien von ihr verschont werden.
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Manchmal ist doch wunderbar, wenn die Welt klar, kompakt und Entscheidungen einfach sind. Ich zb wüßte genau, was ich machen würde, wenn ich am 1. August um 20 Uhr nicht in silly Sydney, sondern ausnahmsweise circa 16500 Kilometer weiter nördlich wäre: Ich würde in die Rudi-Dutschke-Straße 23 in BerlinKreuzberg radeln, mich im taz-Café an einen schattigen Tisch setzen, zuhören, am Kaltgetränk nippen und viel und laut lachen.
Dann und dort nämlich lesen drei Weltreporter aus ihren extrem kurzweiligen Büchern: Anke Richter (Christchurch), Kerstin Schweighöfer (Den Haag) und Martin Zöller (Rom/München) lassen bei ihrer Culture-Clash Lesung übrigens auch mit sich reden und diskutieren. Das Motto des Abends ist sommerlich freudvoll alliteriert und geht so: “Mafia, Maori und Maasdamer”. Aber lassen Sie sich davon nicht abschrecken 😉 es wird garantiert ein urkomisch vergnüglicher Abend! Viel Spass und gute Unterhaltung!
Ps: der Eintritt ist übrigens frei.
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Tourismuswerbung will vor allem die schönen Seiten des Lebens zeigen, logisch. Reportagejournalismus zeigt zuweilen auch andere: Nachdenkliche oder gar unattraktive Aspekte. Das müsste sich eigentlich auch bis Sydney rumgesprochen haben. Doch dort überlappen sich im Moment so viele Events, dass die Touristiker von Destination NSW offenbar den Überblick verloren. Lieblingsevent der Stadtwerber ist derzeit Vivid, das Festival der Lichtspektakel. Und in das bezogen sie diesmal ein hochkarätiges Fototreffen ein, das Reportage Photography Festival. Nur irgendwie übersah dabei jemand, dass die Arbeit von Fotografen namhafter Agenturen wie Magnum, Noor und Contact nicht ausschließlich hübsch ausgeleuchtete Lichtbilder von glücklichen Momenten darstellt. Manchmal lichten sie auch Überschwemmungen ab, oder weinende Frauen in Ägypten. Oh, hm nö, das wollen wir aber lieber nicht so gerne, fanden die Stadtbeleuchter, und noch ehe die Bilder Samstag auf die Open Air Leinwand geworfen wurden, waren sie auch schon zensiert. “Too distressing” – zu bedrückend. Nur 14 der ursprünglich 37 Bilder durften bleiben.
Unter den angeblich nicht familien-freundlichen Exponaten waren auch legendäre Bilder wie David Burnett’s Iranfotos von 1970 oder Andrew Quiltys Aufnahmen von Landschaften nach Waldbränden. Die Fotofestival-Organisatoren finden die Entscheidung peinlich, der Sydney Morning Herald schuf eine Online-Galerie “Reportage uncensored”, der Rest wundert sich: Womit hatten die Tourismuswerber wohl gerechnet, als sie eine Schau mit Arbeiten von Reportage- und Kriegsfotografen sponserten? Vielleicht sollten sie nächstes Mal gleich auch das Thema vorgeben, etwa “Stimmungsvolle Naturbilder”. Dann aber nur von Flora und Fauna, die noch nicht bedroht ist, das könnte ja sonst auch wieder bedrücken.
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Interressant: Frauen haben im vermeintlichen Kumpel-Kontinent Australien politisch zwar die Top-Jobs, in den Medien allerdings sind sie eher still. Staatsoberhaupt ist nach wie vor Her Majesty Queen Elisabeth II, daneben lenken Premierministerin Julia Gillard, Generalgouverneurin Quentin Bryce ( das ist die Stellvertreterin, wenn QEII in England gebraucht wird) und Sydneys Bürgermeisterin Clover Moore. Selbst die Staatsfinanzen regelt eine Lady, Penny Wong, und falls Macho-Stralja noch einen braucht, selbst Penny’s Partner ist eine Frau. Von Gina Rinehart, der mit Milliarden Abstand reichsten Frau des Landes mal ganz zu schweigen.
In der Medienwelt, hält sich die Stimmkraft der Frauen indes seltsamerweise in Grenzen. Die Kollegen vom online-Magazin New Matilda haben gezählt, gepunktet und gewertet und eine extrem umfangreiche Studie über Frauen als Meinungsmacher in den Medien zusammengestellt. Ein paar Ergebnisse sind auch jenseits Australiens interessant: Von 26 Tages- und Wochenzeitungen (stattliche 17 davon gehören übrigens Herrn Murdoch) hat nicht eine einzige eine Chefin. Den Sydney Morning Herald leitete mit Amanda Wilson bis letztes Jahr eine Chefredakteurin, die erste in 180 Jahren auf vergleichbarem Posten. Seit sie ging, herrscht wieder Kerle-Country. In der Meinungsecke sieht’s wenig anders aus, laut new-matilda-Studie stammen nur ein Drittel aller Kommentare in den 26 Zeitungen von Frauen, Wirtschaft und Sport wo sie noch deutlich geringer punkten nicht mal mitgezählt.
Die deutsche Frauen-in-die-Medien-Initiative Pro Quote hätte auf der Südhalbkugel also noch gut zu tun.
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“Was macht man eigentlich so bei 43º Grad?” fragte mich Freitag eine Radio-Kollegin aus Zürich. Als ich kurz überlegte, von welcher australischen Gruppe alias “man” ich ihr nun erzählen soll, wurde sie konkret: Was machen Sie denn bei über 40 Grad?
Nun das war einfacher: Möglichst wenig. Aber das ist natürlich keine Sendung füllende noch sonderlich unterhaltsame Antwort.
Da vermutlich nur ein kleiner Teil der reporterwelt-Leser auch Schweizer Radiohörer sind, und da ich diese Frage von der verschneiten Nordhalbkugel derzeit oft höre, gibt’s die längere Version noch mal hier. Kontraste beleben einander ja angeblich. Zumal es ab morgen wieder Richtung Big Four gehen soll:
Als erstes lausche ich der Lüftung meines Laptops. Der überhitzt in solchen Situationen gern. Über 30 mag er nicht, da pustet und schnorchelt der alte Alukasten, dass es zum Herzerweichen ist. Wartet nichts zu dringendes hinterm Schirm, bekommt er meins mühelos weich. Ich verschaffe ihm Kühlung/klappe ihn zu und beschäftige mich anders.
Die Gesundheitsbehörde rät: Viel! Wasser! Trinken! Ich frage mich, ob es wirklich Menschen gibt, die auf derlei bei 2 x 20 Grad Celsius nicht ohne Behörde kommen?
Senioren dürfen ihre Wohnheime nicht verlassen. Yummie Mummies bleiben auch zu Hause. Überhaupt ist es still auf den Straßen, wer kann, geht zur Arbeit in ein klimatisiertes Büro, trotz Ferien (“mal kurz nach dem Rechten sehen”). Die jahrein jahraus tiefgekühlten Supermärkte sind überfüllt.
Ich folge meinem Instinkt und der Massenbewegung anderer aircon-loser Menschen und gehe ins Meer, das ist nur 22.5 Grad. Ein angenehmer Ort, nur leider nicht schattig. Die japanischen Touristinnen sind nicht blöd: die stehen mit den Füßen im Wasser und haben ihre Schirme aufgespannt.
Als nächstes folgt das Studium des Kinoprogramms: der längste Streifen gewinnt.
Das Schlimme – an solchen Tagen indes Schöne – an australischen Kinos: sie spielen ständig “In eisigen Höhen”, jedenfalls was die Temperatur angeht. Dort ist immer Winter, je älter das Kino, um so kälter der Saal. Warum ist mir schleierhaft und heute ausnahmsweise komplett egal.
Später noch mal kurz ins Meer. Inzwischen ist es dunkel, die Schirme sind weg, die heißen Winde immer noch da.
Dann lese ich Nachrichten: 40 Großbrände sind noch außer Kontrolle, Rupert Murdochs Australian beschäftigt sich mehrere Seiten lang damit, zu erklären, warum “Klimawandel” (“sic”) völlig überbewertet wird. Die Wissenschaftsbehörde berichtet von mehr extremen Wetterereignissen denn je. Ich frage mich, wie die bei der Hitze überhaupt streiten/arbeiten können und hoffe, das Telefon klingelt nicht.
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In Australien gehen heute einige Leute pünktlich nach Hause. Die nämlich, die beim “go home on time” Day mitmachen, einer Aktion vom Australia Institute. Dies Institut, ein philantophiser Think Tank, hat zusammengezählt, dass Australier jedes Jahr 2 Milliarden unbezahlte Überstunden kloppen und ihren Arbeitgebern damit 72 Milliarden Dollar schenken (58 Mrd Euro). Einer von zehn Australiern (und zwar genau 2.2 Millionen) wissen morgens nicht, wann sie abends nach Hause kommen. Etwa doppelt so viele gehen nicht zum Sport, nicht zum Arzt oder rechtzeitig schlafen weil sie zu viel arbeiten. Daher also der Vorschlag, heute mal zur Abwechslung pünktlich Feierabend zu machen: go home on time. Ich muss mich ja nicht entschuldigen, wenn ich nach 8 Stunden den Laptop zuklappe, aber zum Spass und zur Illustration hab ich mir auch einen “Leave Pass” ausgedruckt. Schon nicht wirklich gut, wenn so was nötig ist. Ich tippe, eine Menge Mitarbeiter von FR und FTD, die mit ihren Kündigungen rechnen, haben auch massenhaft Überstunden ohne Extralohn geschrubbt. Die, die ich dort kenne haben’s jedenfalls ständig getan. Und was haben sie (oder ihre Arbeitgeber) jetzt davon? Den Beweis, dass das Konzept, “ich schenke meiner Firma meine Zeit” nicht funktioniert. Ach ja. Traurig aber wahr.
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Manchmal ist wirklich kein Wunder, wenn Deutsches im Ausland klischeebeladen ist. In Sydney verdanken wir einen neuen Schub berechtigten Grusels einer bayrischen Biermarke, die mit prallen Brüsten zum Bierkonsum lockt. von jeder zweiten Litfassäule grinsen einem die Dirndl-Inhalte entgegen. Auf vielen Plakaten hat das Mädchen nicht mal mehr einen ganzen Kopf – Wozu auch, hat ja ordentlich was in der Bluse… Das Wort sexistisch hab ich seit Jahren nicht mehr benutzt, seit ich eben diese neuen Werbekampagne gesehen habe, geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Was das Laauenbraauuu (so heisst das auf gut australisch) da macht, finde ich leider nix anderes als hochgradig sexistisch.
Wahrscheinlich stösst es mir u.a. deshalb besonders auf, weil ich weiss, dass die Mädels die in deren Biercafé in Bondi arbeiten, die obersten Knöpfe der Blusen aufhaben müssen (kein Quatsch, hat mir eine Kellnerin bestätigt). Wer das nicht wolle meinte sie nur achselzuckend, müsse ja nicht da jobben. Tut mir leid, aber Ich find’s eklig. Ihr Bier können sich Löwenbräus sowieso sonstwohin stecken. Aber dafür, dass zu Deutschland in meiner derzeitigen Wahlheimat jetzt wieder allen spontan die Assoziationskette: “Bier, Bayrisch, ordinär plus sexistisch” einfällt, kann sich jeder an diesem Weltende bei den eigenen Landsleuten bedanken: genauer bei den geschmackbefreiten Bierfritzen und ihrer eindimensionalen Werbeagentur. Brrrrrr. Thankyouverymuch indeed.
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Natürlich herrscht Angst und Schrecken in Australiens Magazinwelt, Die Deutschen – Raus Rums Bratwurst – kommen, bzw. sie haben einen Großteil des hiesigen Glanzblattmarktes gekauft. Genauer: der Hamburger Bauer Verlag hat Australian Consolidated Press (ACP) erworben, die die meisten Regalflächen in australischen Kiosken füllen (siehe Ausschnitt). Überschriften üben sich im Umlaut, Reporter fragen, ob Leberwurst wirklich Pflicht in der Kantine wird, diverse andere altbewährte Vorurteile flattern und rauschen im Blätterwald. Ist doch immer schön, wenn ein paar Klischees gelüftet werden. Ich beobachte still, ich hab früher auch mal zwei Jahre bei Bauer gearbeitet und fand es – interessant. Zum Fürchten? Sicher nicht. Sprach-Angst, soviel weiß ich seit heute, muss sich jedenfalls in Australiens Redaktionen nicht breitmachen. Eine Freundin hat eben ein neues Magazin aus Deutschland mitgebracht. Anderer Verlag, aber egal: Es heisst Sofa auf englisch und auf der seltsam geschrumpften Titelseite stehen außer einigen deutschen Zeilen insgesamt 21 Worte in englischer Sprache: Fashion, plus, best, buy, budget, do it yourself, home office, cool, living, fashion, beauty, I my home, trends, runway looks. Kein Quatsch. Relax guys, take it easy! Wenn d a s deutsches Verlagsgut ist, brauchen sich die Kollegen von ACP wirklich nicht groß umzustellen.
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Für Hobby-Linguisten auf Reisen immer unterhaltsam: wenn sich der ländliche Australier international gibt. Meist sind es Warnschilder rund ums Thema Krokodil, die die Fantasie in Schwung bringen. In diesem Fall (im Ort Agnes Water in Queensland) ging’s um bissige Quallentiere. Ich stell mir dann gern vor, wie eifrige Gemeindemitarbeiter über babelfish brüten und derlei herrliche Wortsalate zusammen rühren. Es ist rührend, zugleich irgendwie schade, dass ihnen die humorige Seite der interessanten Sprachschöpfungen komplett verborgen bleibt.
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Ob wir “hier unten” (gemeint ist Australien) denn auch im EM-Fieber sind? werde ich dieser Tage häufig gefragt. Manche sind vorsichtiger und fragen: “Bekommt ihr von diesem Weltereignis viel mit?”
Auf beide Fragen antworte ich hier stellvertretend mit zwei Bildern, die ja bekanntlich mehr sagen als viele Worte. Oben Seite 10 aus der Sportbeilage vom Sydney Morning Herald von heute, 18. Juni 2012. Oben Damenhandball, dazwischen ein bisschen Cricket und, ja genau ganz unten rechts die Ergebnisse der European Championship im Football. (Genauer: es sind die Ergebnisse vom letzten Freitag und Vortagen…). Naja, sagen Sie jetzt, wer braucht Ergebnisse, wenn er die Spiele ansieht? (Und jetzt jammert bloß nicht wieder über Zeitverschiebung und unchristliche Sendeplätze, denn die habt ihr euch selbst zuzuschreiben).
Auch dazu ein kurze Klarstellung: Niemand hier unten sieht die Spiele. Auf jeden Fall nicht in mir bekannten Fernsehsendern. Nicht zu komischen Uhrzeiten oder am nächsten Tag als Aufzeichnung, nein, das australische Fernsehen zeigte die Vorrunden-Spiele in diesem Jahr überhaupt mal gar nicht. Mag sein, dass sie auf irgendeiner teuren Bezahl-Station von Rupert Murdoch laufen. Aber Menschen mit normalem Fernsehkabel sehen den Fussball nicht. Nicht die Deutschen oder die Dänen oder die Griechen. Ja wir können Highlights auf Youtube angucken. Und sehen wie Jogi Löw einem Balljungen das Runde aus dem winkligen Arm stösst. Macht das Spass? Hm, Nein. Ach ja, Sie hatten gefragt, ob hier unten irgend jemanden die Europameisterschaft interessiert. Die Antwort ist: Njet, No, Nicht Die Bohne.
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Australien ist ja mehr als Sommerland bekannt. Aber im kühleren Süden des Kontinents gibt es auch einen Winter, den Südhalbkugelwinter. Auch wenn das (vor allem deutsche) Reiseführer gerne ignorieren. Damit Besucher, die trotzdem nach Sydney kommen nicht traurig sind und Einheimische sich nicht sofapupend zu Winterschläfern entwickeln, gibt die Stadt sich im Mai/Juni immer besonders bunt Mühe: Mit Vivid Sydney einem Spektakel, das abends alles irre bunt macht, eine Lightschow auf Gebäuden, ein bisschen Disneyland aber auch wirklich nett. Mir haben’s vor allem die water ghosts angetan, Geister aus Licht, die im Hafen schwimmen. Und natürlich macht das Opernhaus was her, es wird angeleuchtet von urbanscreen aus Bremen, klar da oben kennt man sich mit langen Dunkelphasen aus. Grund Genug auf jeden Fall hin und wieder hinterm Öfchen vorzuklettern und eine Runde durch die City zu drehen. Oder über die Filmseite zu klicken. Die bewegten Bilder sind zwar im Zeitraffer und leicht Schwindel erregend, aber schön bunt.
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Internet, höre ich oft, macht unsere Arbeit schneller und flexibler, vor allem erleichtert es die Kommunikation.
Wirklich? Nach einer Woche mit einem Duzend Gesprächen wie dem Folgenden wage ich vorsichtig zu zweifeln:
– “Hi Cindy, für eine Reportage in Magazin Xy über TT würde ich gerne mit Dr Wz (Cindys Boss) sprechen. Wär das in den nächsten Tagen möglich?”
(Umrundet wird dieses Intro von dem in Australien üblichen Austausch über Wetter, Befinden der Gesprächspartner, deren letztes Wochenende, etc., die ich hier aus Gründen der Kürze weglasse).
– Was für eine großartige Idee! Wie war Ihr Name noch gleich?
– JJ
– Und wo sagten Sie noch…?
– bei XY…
(jetzt liefere ich ein Exkurs zu Auflagenzahlen, Brillanz, Schlagkraft des besagten Objekts im Allgemeinen und der Glorie, die geplante Geschichte auch für Cindy und ihren Boss haben wird im Besonderen … ps: das ist oft der Moment, in dem ich mich frage, ob ich wohl auch auf dem Isemarkt Allgäuer Bergkäse verkaufen könnte)
– How absolutely AMAZING!
(Cindy ist vor Glück überwältigt, es folgen diverse positive Ausrufe, die mein Anliegen ganz weit oben in die Kategorie “wunderbare Ereignisse der Woche” sortieren dürften)
– Well, ja, ich denke auch das könnte interessant werden.
Jetzt hat Cindy eine Idee, die ihren Tag vergoldet:
– Warum, liebe JJ, fassen Sie das alles nicht rasch für mich in einem E-mail zusammen und poppen es in meine Mailbox?
(Übersetzung: Cindy wird mein E-mail an Kylie in der Pressestelle weiterklicken, die mein E-mail in den Ordner “lästige Anfragen/zum Jahresende löschen” schiebt.)
– Warum, Cindy, kannst du uns nicht allen viel Zeit und Arbeit sparen und mich einfach zu Wz durchstellen, oder ihn bitten mich zurückzurufen. Er ist schließlich Regionalchef des Känguru-Schutz-Klubs und nicht der Kaiser von China. (Das sage ich natürlich nicht, sondern denke es nur, laut lüge ich:)– Kein Problem, das mache ich gerne, great talking to you, Cindy!
Zwei Tage später rufe ich Kylie in der Pressestelle an, wir werden ein ähnlich herzliches Gespräch führen. Zum Abschluss wird Kylie sagen:
– Warum fassen Sie das nicht rasch für mich in einem E-mail zusammen und werfen es in meine Mailbox …?
Ich lege auf. Dann denke ich dankbar darüber nach, wie Emails unsere Kommunikation erleichtern und beschleunigen, wie sie Alltag und Arbeit eigentlich überhaupt erst möglich machen… Und dann träume ich ganz kurz von jener altmodischen Epoche, in der Menschen noch miteinander telefonierten.
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Meistens sympathisiere ich mit den Bewohnern meiner Wahlheimat: Wenn Australiens Wirtschaft floriert, die Sonne lacht, die Welle gut bricht, keine Katastrophen passieren – Immer dann freue ich mich gern mit den 22 Millionen Skippys. Schließlich schreibe ich ja nicht nur über den Kontinent unten rechts, sondern wohne auch hier. Seit gut einem Jahr allerdings reagiere ich auf einen Aspekt australischen Glücksempfindens allergisch: Auf den starken Dollar.
Schon morgens beim Macchiato, wenn ich ins wohlgefällige Grinsen der Zeitgunsleser hinter den Wirtschaftsseiten blicke, rutscht meine Laune in den Keller: “Mighty Aussi Dollar here to stay!” Für Jahre, gar Jahrzehnte soll der von Erz, Nickel und Kohle gepäppelte Dollar fett bleiben, sagt Ross Gittins, der Wirtschaftsguru meiner Tageszeitung. Je mehr von dem Zeug sie aus der Erde buddeln um so besser gehts offenbar der Währung. Meine Nachbarn reisen wie verrückt, kaufen halb Amerika per online-shopping leer, hauen zu gut deutsch so richtig auf die Kacke. Es sei ihnen gegönnt. Für mich allerdings geht der Spaß nach hinten los: Meine Arbeit ist nur noch ein Drittel wert. Eine Story für die ich vor drei Jahren 1000 Euro und damit 2000 Dollar bekommen habe, bringt mir heute noch so eben 1200 $. Traurig aber wahr, denn meine Auftraggeber zahlen in Euro. Und sie haben ihre Tarife nicht ans australische Rohstoffwunder angepasst. Ist es ein Trost, dass ein paar (wenige) andere Industrien – Einreiseverkehr alias Tourismus zb – mit mir leiden? Ein schwacher. Denn auch Reisereportagen gehör(t)en zu meinen Jobs: “Australien? Och nö, viel zu teuer für unsere Leser…” Aber hier kommt der Lichtblick: Französischer Champagner kostet nur noch die Hälfte. Wie genau das mit dem Rohstoffboom zusammenhängt ist mir schleierhaft. Aber Veuve oder Piper brut sind kaum noch teurer als ein Abendessen im Thai-Imbiss. So könnte ich mir (könnte ich’s mir noch leisten) meinen Kontostand wenigstens stilvoll schön trinken. Santé, Prost und Cheers!
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Manche Besonderheiten im Land meiner Wahl mag ich lieber als andere. Weniger diplomatisch ausgedrückt finde ich ein paar Dinge in Australien so richtig affig. Dazu gehört das Verstümmeln der englischen Sprache. Fingernagel-über-Schiefertafel-kratzend unangenehm ist mir zum Beispiel: ‘Tis the season… “ Ausgeschrieben soll das heißen: “It is the season to… – und für die Pünktchen muss man sich dann wahlweise denken: drink too much to often, buy things you never wanted to buy, eat lots, dekorate a tree with glitter” Okay das ist lang, zugegeben, aber ‘Tis the season… ? Ahrg. Dazu ’tist es überall und unvermeidbar: das Apostroph-Tis mit den Pünktchen kitscht mich in Sydney dieser Tage bedrohlich von jeder zweiten Plakatwand an.
Und weil es ja heißt, manches schmerze weniger, wenn man mal drüber geredet hat, psychische Hygiene, etc, teile ich jetzt noch zwei Stümmeleien:
SupaCenta für Super Center – zumal es da wirklich nichts gibt, dass so richtig super/supa ist.
mart für market, was inzwischen über fast jedem neonbeleuchteten Eckladen steht.
Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber das ewige x-mas für Christmas finde ich auch unelegant. Trotzdem: schöne Feiertage und danke für’s Zuhören!
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Religion ist schon eine kuriose Sache. Ich beispielsweise bin (trotz 9 Jahren auf einer Klosterschule) eher unreligiös, wohne aber in einer für gläubige Juden ausgesprochen wichtigen Gegend: Mitten in einem Eruv (eine Art Sabbath-Erlaubniszone, erkläre ich gleich).
Leser, die wissen, dass ich an dem Stück Sand wohne, das auch als “Australia’s most famous beach” vermarktet wird, mögen sich wundern: Das lasterhafte Strandparadies voller Bars, Cafés, unkosherer Tattoos und Bikinis – eine Glaubensoase? Ja, beides stimmt: Ich lebe am Bondi Beach und mitten in einem Eruv. Okay, okay, ich erklär’s:
Ein Eruv ist eine Zone, in der jüdische Mitbürger auch am Sabbath Dinge tun dürfen, die an dem Tag sonst nur in ihrem Heim erlaubt sind: Etwa Dinge (oder Babys) tragen, oder Dinge (oder Babys) bewegen, zb im Kinderwagen. Da der Sabbath unpraktischerweise meist auf den Samstag fällt, ist vor allem die Nichtbewegen-Regel lästig. Schon blöd: am freien Tag drinnen zu hocken weil man nicht mit Baby oder Rollstuhlfahrer in den Park darf. Clevere Rabbis haben daher weltweit überlegt: Wir machen die “Zuhause-Zone” einfach größer! Und sie haben herausgefunden, dass das talmud-technisch völlig in Ordnung ist, solange das “Zuhause” nur von genug festen Pfählen und Zäunen, Parkplatzmauern, Golfplatznetzen, Telegraphenmasten und -kabelsalat begrenzt wird. (Mal ehrlich: Gott muss sich da oben auf die Schenkel klopfen, oder…?).
Rund um Bondi (Foto oben, das Seil über dem Surfer) und Tamarama (Foto ganz oben) und Dover Heights sind daher all die ohnehin vorhandenen “baulichen Merkmale” eines Heims (wie Golfplatzzäune und Promenadengeländer) zu einer Erlaubnisgegend verbunden worden, viele Quadratkilometer groß, verknotet mit Kabeln und Drähten: Fertig ist der Eruv!
Den meisten Leuten fallen die kaum auf, aber für einige heißen sie: “Easy, alles wie Zuhause, Kinderwagen schieben erlaubt!”
Religion ist eine irre Sache, aber das erwähnte ich ja schon.
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Das digitale Zeitalter ist da, und es ist wunderbar! Vor allem in Australien, wo ab 2012 oder 2013 (je nachdem wo man wohnt) nur noch digital TV gesendet wird.
Denn das sorgt für einen Freiluft-Supermarkt, der nicht nur duty free und tax free ist, sondern auch gratis. Wie das funktionieren soll? Wo doch alles teurer wird? Es geht so: Letzte Woche ließ unser Fernseher nach (vor allem rechts glimmert er nur noch rot und das ist nicht politisch gemeint), also muss ein neuer her, doch wieso im Geschäft Gelder zahlen? Wer in Sydney lebt, geht einfach kurz runter auf die Straße und wählt aus: Der kleine Sony vom Grünstreifen gegenüber? Nicht schlecht…. Der LG an der Straßenecke zwei Blocks weiter? Viel zu groß, aber unten an der Ecke Lamrock Street stehen gleich drei TV – zwei davon sogar mit Fernbedienung! Einer ist ein Panadingens, maximal zwei Jahre alt und wird unser neuer Freund für bewegte Bilder und Ton. Sogar die Fernbedienung hat noch Batterien. Wer sagt’s denn.
Grund für derart großzügige Nachbarn sind erwähntes Digitalzeitalter kombiniert mit Australiens nicht existenter Recycling-Politik. Denn, sieh oben, ab nächstem oder übernächstem Jahr bleiben herkömmliche Geräte stumm und schwarz. Also kauft ganz OZ digitale TV wie blöd – Und wirft die alten (bzw auch nicht so alten) Schätze vor die Tür. 7 Millionen Fernseher landen in den nächsten fünf Jahren auf australischen Müllhalden, nur 1 Prozent davon werden recycled. 870 000 davon wandern auf Grünstreifen, weil der Mensch generell faul und recycling ja irgendwie auch lästig ist.
Ein Programm das – schließlich ist das Nahen des Digital-Sehens kein Geheimnis – TV-Recycling gar VOR der Umstellung in Gang bringen sollte, wurde verzögert und soll nun erst in drei Jahren so richtig klappen. Lange nach der Umstellung. Für Leute mit Umweltbewusstsein ein Graus – für Sparfüchse wie mich ideal.
Ich bin sicher, wenn ich mich nächstes Jahre aus digitalen Gründen von meinem neuen Grünstreifen-Freund trennen muss … warten an der Straßenecke gegenüber schon die ersten ausgemusterten Breitwand-Digital-Maschinen der lieben Nachbarn, die auf Superplasma / LED / Apfel-TV oder sonstwas upgraden.
I can’t wait!
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Orange und von der Seite Pink. Ella’s Freundin hatte eine kuriose Hautfarbe. Ein Griff zur falschen Pickelcreme? Nee, dagegen sprach, dass auch Schultern, Arme, großzügiges Dekolletee und Beine der 18-Jährigen Orange leuchteten.
Später im Kino fragte ich meine Kollegin, was die Freundin ihrer Tochter eigentlich mit ihrer Haut hätte. (Ich gebe zu, in Make-up und Mode-Fragen war ich nie weit vorn.) Kathy, also meine Kollegin, wusste auch nicht wieso Sarah vor dem Ausgehen gestrahlt hatte wie eine Mandarine. Aber sie versprach, es herauszufinden. Kathy ist top in Recherchen der kniffligen Art. Dienstag rief sie an: Selftanning Lotion. In Sydney scheint gerade eine hautfreundlich milde Wintersonne, ohne starke Farbfolgen. “Also musste vor dem Ausgehen Selbstbräunung aus der Tube ran.”
Nun war aber Sarah aber ja leider nicht braun sondern erschreckend gelblich-apfelsinig geworden – zu viel Chemie offenbar, OrangeHaut statt Sommerteint. War ihr das nicht peinlich? Kam das auf Partys heute gut an? “Hab ich ja auch gefragt”, nickt Kathy. Und erntete blankes Unverständnis: Nein das Orange sei im Gegenteil völlig okay. Das käme nämlich auf den Facebook-Fotos von der Big-Night-Out später viel besser raus – Blitzlicht und zweimal digital kopiert, mache aus Orange ein saucooles Bali-Braun.
Und dass sie auf der Party leuchtet wie ein Kürbis und dann tagelang gelb durch die Gegend läuft? Egal! “Spätestens Mittwoch“ sei im echten Leben ihr Teint ja wieder wie sonst. Die Facebook-Fotos aber, die würden doch viel mehr Leute sehen als nur die, mit denen sie gefeiert hat. Immer wieder würden die angeklickt, von allen möglichen potentiellen Fans. Und blieben da den Rest ihres Lebens!
Fair enough, in der Ewigkeit will man top aussehen, klar. Facebook für Fortgeschrittene, grinst Kathy. Wer in der sozial-medialen Unendlichkeit gut rüberkommen will, muss eben zu kleinen Opfern bereit sein. (Fotos: Facebook)
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Australien hat reichlich Potential für Dramen: Fluten, Brände, Dürren – immer, oft und gern. Vulkane gehörten bislang nicht dazu. Feuerspeiende Hügel gibt’s hier unten einfach nicht. Dass sie trotzdem gerade Medien-Thema Nr. Eins sind, verdanken wir Chiles Puyehue-Cordón Caulle. Richtig: Asche kann offenbar weiter als nur von Reikjavik bis Recklinghausen reisen. Sie fliegt bei Rückenwind erstaunliche 11061,49 Kilometer von Chile bis nach Adelaide. Das nenn ich mal Globalisierung im ganz großen Stil. Aber dies nur am Rande, denn natürlich geht es hier um Wichtigeres. Um Höhere Gewalt und menschliche Schicksale!
Denn abgesehen von den Reisenden, deren Beweglichkeit durch die wg Asche stornierten Flüge eingeschränkt ist, tun mir dieser Tage vor allem meine Kollegen vom TV leid (stimmt nicht, sie gehn mir kolossal auf die Nerven): Seit Queen’s Birthday hocken sie nun in Flughäfen und führen tagein tagaus die mit Abstand uninteressantesten Interviews der Welt: Sie sprechen mit Menschen, die in Melbourne “gestrandet” sind (es gibt in Melbourne keinen Strand!), mit Passagieren, die in Adelaide “festsitzen” (ps: auch Adelaide hat Bus und Bahn), oder, Schreck-schwere-Not! solchen, die gar Hobart nicht erreichen / verlassen können.
Da stehen sie nun, die Kollegen von Kanal 2 bis 10 und halten im Halbstundentakt Leuten mit Koffern ihre Mikros und Kameras ins Gesicht. Und diese sagen dann mit 150prozentiger Sicherheit – richtig: so rein überhaupt und gar nichts Wissenswertes. Bzw: “Tja, nach xz wollte ich heute nun, und guess what? das wird wohl nix.” Manche ergänzen noch persönliche Details zb welche Festivitäten/Anschlussflüge/Konferenzen/ sie nicht erreichen.
Gestern machte derlei öffentlich rechtlich über 8 Minuten der 15-minütigen Hauptnachrichten aus! Wirklich nicht Schuld der “Gestrandeten”, dass sie uns so endlos langweilen. Aber was um Himmels willen sollen diese armen Figuren nun auch Ergreifendes sagen? Welche Originalitäten erwarten die Kollegen Reporter und TV-Stationen eigentlich?
Befreiung von der Qual, fürchte ich, kann wieder mal nur von Ganz Oben kommen. Also: Bitte liebe Asche – Senke dich, falle nieder oder flieg zurück. Wir möchten wieder Nachrichten mit Inhalt!
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Gut, dass ich heute abend eh nicht fernsehen wollte: 4 der 5 Kanäle, die mein TV (siehe unten) empfängt, zeigen nämlich das gleiche: die Hochzeit des Enkels der Königin von Australien! Und zwar komplett spaßfrei!
Das einzige Programm, in dem ich mir die Hochzeit nachher evtl. doch angeguckt hätte, wäre der “The Chaser” auf ABC gewesen (korrekt: The Chaser’s war on Everything). Eine klasse Satire-Sendung, die das ganze Theater gewohnt liebevoll mit dem für Australien typischen Sinn für den ein oder anderen zynischen Scherz begleiten wollte. Doch die Jungs vom Chaser wurden gestern zurück gepfiffen, die Sendung gekippt. Und zwar vom BBC und von “Clarence House” (da wohnen Kate & Will soweit ich weiß künftig). Zu schade, das wäre wenigstens originell gewesen. Eine Chaser-Kostprobe mit Rede-Therapie für Prince Philip sickerte gestern schon durch, heute (noch!) hier auf Youtube VERY Chaser! Für heute bleibt mir, eine der xy Royal-Weddingparties der Nachbarschaft mitzufeiern, natürlich wie auf den Antipoden üblich in Kostüm: Mein Kollege Drew geht als Lady Di, das kann ja auch komisch werden.
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Recycling ist keine Stärke der Australier. Das ist schade, u.a. wg Umwelt. Zugleich birgt die Wegschmeisswonne eine echte Gefahr für Exil-Deutsche: Wir verfallen bei dem Thema rasch in die allseits gefürchtete, allemanische Besserwisserei (“nun schaut mal Leute, WIR zeigen euch jetzt rasch wie das geht, okay…?”). Ich mühe mich derlei strikt zu vermeiden. In Sachen Wiederverwertung beiss ich mir allerdings dabei oft auf die Zunge bis die Zähne rot sind. Hilft nix, beim R-Thema komm ich mir oft vor, wie in Westfalen vor 25 Jahren (“Hömma gezz ellich, Glasscontäner…? Die sind doch viel zu laut, oder? und ürgendwie hässlich….”) Aber weil der WR Blog ja nicht Australisch geschrieben, die Gefahr als bettergerman enttarnt zu werden also gering ist, erlaub ich mir jetzt unter uns, mal eben so richtig drauf zu hauen. Anlass: ein Kriegsschiff.
Mit dem hat heute Australiens Navy nämlich wahrhaft Schiffe versenken gespielt: HMAS Adelaide, ein stattlicher Kriegskreuzer, wenngleich altersschwach, wurde mit Schlitzen versehen. Dann wurde er aus dem Hafen geschleppt, und vor Avoca nördlich von Sydney implodiert und auf dem Meerseboden abgelegt. Warum? Because they can! Wozu mühsam Stahl, Öle, Schrauben und was alles sonst noch so ein Schiff ausmacht recyclen, wenn man’s auch einfach auf dem Pazifikboden vermüllen kann? Genau, ist schließlich auch ein Super Tauchrevier der Zukunft oder? Wer weiss, wie lange es das Great Barrier Reef noch so macht, da hat man eben schon mal ein paar alternative Scuba-Paradiese….
Und jetzt zum Positiven (etwas Ausgewogenheit muss sein): Nicht alle Australier mögen den “hau wech die Sch…e”-Stil. Eine Anwohnergruppe versuchte sogar ein Jahr lang verzweifelt das Schiffeversenken vor ihrem Lieblingsstrand zu verhindern. Sie fanden das künstliche Riff zweifelhaft. Die Idee, 23 000 m2 bleihaltige Farbe via Schiffsrumpf ins Meer zu schieben kam ihnen ebenfalls etwas gestrig vor. Erfolg hatten sie und andere Umweltinitiativen nicht.
Kurz vor der Explosion des Kriegskreuzers protestierte dann sogar noch die Tierwelt. Das war dann schon wirklich eine Spur esoterisch: Exakt um die Uhrzeit, zu der die legale Meeresbodenverschrottung geplant war, tauchte eine Delfinschar (klick für Beweise!) rund um den grauen Schiffsrumpf und verzögerte die Aktion. Leider nur ein paar Stunden.
Weitere Positive Tendenzen: Es gibt hier und dort zarte Zeichen, dass Down Under recyclingtechnisch eines Tages im 21. Jahrhundert landen könnte: Es gibt zb schon ein paar Gegenden mit mehr als einer Mülltonnenfarbe. (Zb Bondi Beach, wie mein Hinterhoffoto, rechts, beweist). Es gibt gar Orte wie Bundanoon, das 2009 beschloss, kein Wasser in Plastik mehr zu verkaufen. Fast rührend angesichts der 600 Millionen Liter Plastikwasserflaschen das Australier – gesegnet mit erstklassigem Leitungswasser – pro Jahr kaufen… aber immerhin ein Anfang. Ein Ort in Tasmanien verpackt nicht mehr jede Banane in Plastiktüten, wie sonst allseits normal. Coles Bay ist seit Jahren tütenfreie Zone, und seltsamerweise sind nicht alle Einwohner sofort geflohen noch auf die Barrikaden gegangen, wie es Politiker für den Rest des Landes befürchten, sollte jemand eines Tages Geld für Tüterei verlangen…
Ach ja, thanks for sharing! das tat jetzt mal gut.
Zum Dank fürs Zuhören noch was Überraschendes: Die Vorgängerin der HMAS Adelaide von 1918 wurde übrigens artig zerlegt, verschrottet und anschließend Teile des Schiffsmaterials gar wiederverwertet.
Schon seltsam, wie kluge Ideen aus der Mode kommen.
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“Und, wie ging Weihnachten so in Bondi Beach?” fragt sich die Blogleserschaft ungeduldig. Sonnig, warm und randvoll mit Menschen. Der Strand war weitgehend ausgebucht. In den umliegenden Parks tranken sich Backpacker an die Grenzen der Besinnungslosigkeit.
Fröhlich prostend saß man unter “Alcohol-free Zone” Schildern mit Kühlboxen voller Wein und Bier. Abgemahnt wurde kaum jemand, die Schilder sind offenbar mehr dekorativ und ideell gedacht. Die Polizei behielt die Mengen im Auge, und dann kollabierten alle gemeinsam zu einer decibel dröhnenden Rave-party.
Und all das, weil vor gut 2000 Jahren in Bethlehem little Baby Jesus geboren wurde!
ho-holy night, silent night…
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Hart ist für Auslandsdeutsche in Australien in den letzten zehn Jahren vor allem eines gewesen: Sie durften nicht über Wetter meckern. Vor allem nicht über Regen, denn das gehört sich einfach nicht, wenn ein Kontinent die “schlimmste Dürre aller Zeiten” durchlebt.
Australier, die nebenbei gesagt auch ganz gern mal die Witterung besprechen (vor allem wenn Regen länger dauert als einen Nachmittag) mussten sich ebenfalls beherrschen. Schauer oder Güsse durften zehn Jahre lang bestenfalls mit “oh, how lovely!” oder “let’s hope it falls where the dams are /on farmland” (hoffe es regnet die Dämme voll / auf Farmland) kommentiert werden.
Nörgeln und Jammern indes: komplett Tabu!
Inzwischen ist alles anders. Die Dürre ist vorbei. Während ich bei sehr blauem Himmel (es regnet schließlich nicht überall und immer) in Sydney dem Laptop per Ventilator eine Extraration Luft zublase, schüttet es jenseits der blauen Berge. Seen, die jahrelang riesige Sandkästen waren sind wieder beschiffbar, unsere Trinkwasser-Dämme schwappen über, Pläne für neue, milliardenteure Entsalzungsanlagen sind den Politikern plötzlich insgeheim ein bisschen peinlich.
Denn es nässte stellenweise heftig. Farmer, die sich nach staubtrockenen Leidenszeiten auf die erste feiste Ernte freuten, strahlten uns knöcheltief im Wasser watend via TV an: Glückliche Gesichter unter tropfnassen Akubrahüten aus einstigen Krisenzonen in Neusüdwales, Erleichterung sogar bei Gemüsebauern in Victoria und im besonders gebeutelten Südaustralien.
Dann allerdings war Schluss mit lustig. Denn es hörte einfach nicht wieder auf, das heiß ersehnte Geregne. Die Farmer zogen Stiefel höher und Hüte tiefer ins Gesicht, das Wasser stieg zur Hüfte, die Ernte ersoff. Letzte Woche wurde in einem meiner Lieblingsorte, Wagga Wagga, der Parkplatz zum Schwimmbad, Gunnedah drohte Evakuierung.
“Drei Wochen Sonne und Wärme”, so Archie Kennedy, ein Landwirt in der Überschwemmungszone, bräuchte er nun, um seine Ernte retten zu können. Und dann sagte er das Unsagbare: Die Dürre sei ihm lieber.
Zum ersten Mal erlebe ich also den eigentümlichen Zustand, dass deutsche Weihnachtsferien-in-Australien-Touristen vom Niederrhein exakt das gleiche wollen wie australische Landwirte: Sonne satt. Über Regen nörgeln ist plötzlich nicht nur okay, sondern ein Akt der Solidarität und endlich erlaubt!
Ob Archies Wünsche erhört werden? Not sure. Das australische Bureau of Meteorology verspricht: Mit 75 % Wahrscheinichkeit wird Sydney dieses Jahr deutlich höhere Regenfälle als in anderen Sommern erleben.
Daher für alle Reisenden noch rasch der Expertentipp aus dem Strandbüro: Mückenspray nicht vergessen! 300 der weltweit 2700 Moskito-Arten sind in Australien heimisch, und die brüten derzeit um die Wette.
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Freunde des Trink- und Motorsports müssen sich dieses Wochenende in Australien schwer zusammenreissen. Vor allem in Bathurst, einem Bergort westlich von Sydney. Dort findet zum 50. Mal ein beliebtes Autorennen statt: Die Bathurst 1000: (Die Fahrzeuge umkreisen dabei den Mount Panorama so lange bis sie 1000 Kilometer geschafft haben). Für Zigtausende ist dies ein beliebter Anlass, rund um die Rennstrecke zu campieren und zu picknicken. Traditionell missachten dabei einige ihre zulässige Trinkgeschwindigkeit und anschließend Gebote der Höflichkeit. Deshalb griffen Behörden zu – runder Geburtstag hin oder her – DRASTISCHEN Maßnahmen: Die Alkoholmitnahme für Besucher wurde reglementiert, die Einhaltung des Limits kontrollieren Polizisten! Viele! Und die kennen kein Pardon: Erlaubt ist nur ein slab Bier. Genauer: 24 Dosen normalen Biers, 30 Dosen Leichtbier (was aber in Australien schwer zu kriegen ist), oder eine Flasche Hochprozentiges oder vier Liter Wein. Dieses Limit gilt übrigens pro Person, pro Tag. Harte Bandagen, fürwahr!
Heute tröstet der örtliche Abgeordnete via Zeitung die Pissköppe: “Leute können auch mit w e n i g Alkohol noch eine Menge Freude haben.” Wobei das wenig nicht in Anführungszeichen gesetzt war. (“There’s been a review of that so certainly we’re finding that suddenly people can deal with less alcohol and still have a good time.”) Fast zynisch ist natürlich angesichts derlei radikaler Prohibition, wenn man auf einem von einer Biermarke gesponsorten Zeltplatz campen muss oder gar im von einer Whiskey-Marke finanzierten Eventbus zum Rennen fährt. Ich hoffe, die V8-Fans haben trotzdem ein schönes Wochenende. Happy Birthday Bathurst!
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Natürlich konnte in all der Aufregung niemand widerstehen: Das Sydney Oprah House heißt Australiens Wahrzeichen Nr 2 demnächst. Jedenfalls im Dezember. Denn dann fliegt Oprah Winfrey, eine Talkshow-“Personality” aus Amerika, ein. Wir wissen das hier unten seit heute, und seit heute ist alles anders, alles! Auch für Oprah. Zum ersten Mal kommt sie nach Australien. Und sie ist soooo irre aufgeregt über das ‘absolute Abenteuer’. Verständlich, “The first cut is the deepest” wusste Yusuf Islam schon als er noch Cat Stevens hieß, und so ist Australiens Tourismusindustrie einfach ebenfalls irre nervös. Fast noch aufgeregter als OW. Heute auch nur von Irgendjemandem aus der Tourismusbranche einen nicht Oprah-relevanten Halbsatz zu bekommen war komplett unmöglich. “Das ganze Haus vibriert”, verriet mir hektisch eine Insiderin, die nur deshalb nicht-Oprah-bezogene Mails beantwortete, weil sie ab morgen Urlaub hat.
1 Millionen Australische Dollar gibt allein die Regierung in Neusüdwales aus, damit Oprah das Opernhaus sieht. Diverse weitere Mio schießen andere Länder und Sponsoren für Oprahs erstes Mal dazu. Man helfe bei der Unterbringung, hieß es erklärend. Mit Millionen? Ist Down Under so verflixt teuer geworden?
Nein, aber Oprah Winfrey bleibt ja ein bisschen (8 Tage), will Sydney und all das Outback rundum sehen, und nebenbei zwei Sendungen produzieren – Und sie kommt eben nicht allein: 450 Landsleute reisen mit. Denn zwar ist Oprah irgendwie irre positiv begeistert (was dann irre positiv für OZ ist, denn schließlich gucken massive amounts of people (Daily Telegraph) ihre Show, was dann massive für die Tourismusbranche ist). Und vermutlich auch für den Rest des Universums Folgen hat, denn wenige Stunden nach Bestätigung des welterschütternden Ereignisses meldete Google bereits 1299 Artikel, die sich mit “Oprah excitement visit Australia” befassten. Logisch, dass es längst eine Gesichtsbuchfreundegruppe gibt, in der sich “FB-Freunde von OW visits Australia” über ihre gemeinsame Vorfreude austauschen. Und einigen Medien schien kollektiv die Kinnlade runter gefallen zu sein, wobei ein Großteil des ohnehin beschränkten Vokabulars flöten gegangen sein musste und sich fortan auf einige wenige Adjektive reduzierte: Just massive, you know. It’s massive!
Doch kurz zurück zu Reisebegleitern und Publikum, denn da traut Oprah Winfrey den Australiern trotz Gratistrip und all der achselnassen Aufregung nun wohl doch nicht so ganz über den Weg: 300 US-Amerikaner ihres Stammpublikum fliegt sie mit ein, sicher ist sicher. Wahrscheinlich um Sprachbarrieren zu verhindern. Ihren eigenen Piloten bringt sie übrigens auch mit: Kein geringerer als John Travolta soll den Qantas-Jet sicher übers Meer steuern. Heißt es. Da fällt mir nur eins ein: massive, that’s just massive!
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Eine Woche vor der Wahl ist in Australien so gut wie alles politisch – außer den großen Parteien, die sich nachhaltig um ernsthafte Themen drücken und statt dessen viele Kindergärten besuchen. (Tony Abbott: “Dreijährige stellen keine schwierigen Fragen.”). Eigentlich kein Wunder, dass in so einer Situation ausgerechnet ein Fernseh-Fachhändler Heikles anfasst: Bevölkerung.
Dick Smith verkauft seit 40 Jahren Elektronik, der Mann ist so eine Art Mister-Media-Markt down under. In 433 Läden bringt er in Neuseeland und Australien alles unter die Leute was Kabel und Knopf hat. TVs, Telefone, Gameboys. Jetzt hat Smith genug verkauft, jetzt sorgt sich der Millionär um die Bevölkerung. “Bis vor sechs Monaten hatte ich noch nie über Bevölkerung nachgedacht.” Aber DS lernt schnell: Donnerstag hatte er schon seine eigene Fernsehschau zum Thema: “Dick Smith: The Population Puzzle”.
Eine knappe Stunde prime time TV kaufte sich der Mann. Und zwar nicht auf irgendeinem Kommerzsender, nein. Das ehrenwerte ABC – Pendant etwa zur ARD in Deutschland – strahlte seine Show gleich nach den Nachrichten aus. Mister Elektrofuchs zahlte 50 000 AUS $ und durfte dafür 60 Minuten lang zeigen, wie und warum der kuschlige Südhalbkugelkontinent doch lieber hübsch elitär und klein bleiben soll.
Kein Klischee wurde ausgespart: Wolkenkratzer überwuchern Strände, Asylboote, vor Dürre knarrende Felder.
Derweil fliegt DS wahlweise im Privatjet oder per Helikopter über Sydney und nörgelt über verstopfte Züge. Eine Ein-Mann-Schau mit ein paar Statisten, nichts wird diskutiert, niemand stellt Fragen; nur Smith, meist über zu viele Menschen, über die (außer ihm neuerdings) ja niemand nachdenken wolle. Nicht mal das stimmt. Australier reden ständig über Einwanderung: “Wie viele sind zu viele?” ist in einer der reichsten Industrienationen mit 22 Mio Einwohnern immer wieder Lieblingsfrage. (Derzeit kommen übrigens 170 000 Neue im Jahr: 13 000 Flüchtlinge, 45000 Familienzusammenführungen und gut 113 000 Einwanderer, die gesuchte Berufe mitbringen).
Das war das manipulativste Stück TV, dass ich in zehn Jahren in Australien gesehen habe. Aber mal abgesehen vom Inhalt: Ein Millionär kauft sich eine Stunde öffentlich rechtliches Fernsehen und darf seine Meinung verbreiten? What’s next: ‘Herr Supermarkt’ in einer “Doku” über Nuklearwaffen? “Frau Autofirma” über die richtige Religion? Der Bergbaugigant erklärt uns Gesundheitspolitik? I can’t wait…
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Manch Kurioses passiert, glaube ich, so nur in Australien, im Land der Eier legenden Schnabeltiere. In Australien zum Beispiel steht auf Nicht-Wählen 100 Dollar Strafe, man hat aber nur 3 Tage nach Ankündigung einer Wahl, sich ins Wählerverzeichnis eintragen zu lassen. Zackzack. Noch schneller fliegen Premierminister raus, wie Kevin Rudd erlebte, als ihn Ende Juni seine Labor-Parteikollegen über Nacht entmachteten.
Seither ist seine Ex-Vize Julia Gillard (Foto links) am Ruder und die will nun, auch ruckzuck logisch, neu wählen lassen, und zwar am 21. August. Und damit leiten wir elegant zum Konflikt zwischen Küche und Kabinett über.
Denn vor der Wahl muss Gillard natürlich mit Gegner Tony-‘Klimawandel-ist-Blödsinn’-Abbott im Fernsehen über die ein oder andere politische Priorität diskutieren. Dieser Top-2-Talk wird traditionell vom National Press Club organisiert und gern gesehen. Und selbst im Land der Schnabeltiere finden solche TV-Debatten sonntagabends zur so genannten ‘Prime Time’ statt. Und hier ist das Problem.
Denn um 7.30 läuft gleichzeitig eine Kochschau. So eine Art ‘Australien sucht den Superkoch’, mit fiesem um die Wette dünsten, Garnelen an Limonengrass und fliegenden Pürrierstäben. Glaube ich. Ich geb zu, ich hab Masterchef noch nie gesehen, bin damit aber offenbar fast allein im Land, denn mehrere Millionen Australier machen genau das jeden Sonntag um 7.30 Uhr
Zum Glück werden sie auch am 25. Juli diesem friedlichen Hobby frönen können, ohne zur Unzeit von Hässlichkeiten wie Verschuldung, Klimawandel oder Flüchtlingsfragen abgelenkt zu werden. Denn die TV-Debatte der potentiellen Regierungschefs wurde zuliebe der populären Küchenchefs verschoben. Dank Meisterkoch heißt es diesmal auf Channel 7 schon um 6.30 Uhr: ‘Election 2010: The Great Debate’, die Nachrichten fallen aus. Gekocht wird wann immer gekocht wird, um 7.30 Uhr.
Die Premierministerin war offenbar glücklich mit der Lösung:
“It says something about the stuff of real life,” sagte Gillard einem Radiosender in Sydney zum Konflikt zwischen Küchen- und Politikerlatein. “Leute interessieren sich dafür, wer Premierminister ist und wer regiert, aber Leuten ist auch ziemlich wichtig, was abends auf den Tisch kommt.’ Einsichten von ähnlich ergreifender Tiefe gab Frau Gillard auch im ABC zum Besten: ‘Australien ist ein großartiges Land‘ so die derzeitige und eventuell künftige Regierungschefin, ‘und eines der Dinge, die hier möglich sind, ist, dass man wählen kann, was man im Fernsehen ansieht.’ (Und das ist noch nicht mal sehr frei übersetzt.) Guten Appetit.
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Sie wetten, wie schnell Krabben linksseitig in einen Kreis laufen, sie wetten auf Pferde, Hunde, Boxer, Würfel und zur Not die Flugrichtung der Fliege im Outbackpub – Australier sind Weltmeister im Wetten. Im 21. Jahrhundert läuft das meiste Gewette natürlich online. Nicht ganz so romantisch wie einst Scheine wedelnd und mit Wettschein, but well. Aber wetten, dass Sie nicht wissen, worauf derzeit online und in anderen Wettbüros ebenfalls spekuliert wird? Ok. Hier kommt’s: Man setzt Geld auf den Termin der nächsten Wahl.
Nicht auf den Ausgang, das wär’ ja irgendwie noch sportlich. Gewettet wird, welchen TAG die neue Premierministerin Julia Gillard wohl für die Wahl festsetzen wird. Spannend was? Macht mir auch keinen echten Blutdruck, aber so isses. Irgendwo zwischen Cycling und Darts wird etwa bei sportingbet oder bei centrebet der Election date getippt. Theoretisch kann der übrigens an jedem möglichen Samstag bis 16. April 2011 sein. Nach der Entmachtung von Kevin Rudd im Juni wird aber gemunkelt, dass es eher früher als später an die Urnen geht. Nur $ 1,75 gibts daher pro Dollar, wenn man als Wahltag den letzten Augustsamstag vorhersagt. Für besonders unwahrscheinlich hält die Zockergemeinde den letzten Samstag im November (derzeit über 100 $ Gewinn pro Dollar). Ich wüsste ja zu gerne, ob die neue Staatschefin da auch ein paar Wetten laufen hat …
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Das Gute an der bösen Niederlage für die Australier heute früh beim Fussballspielen in Südafrika? Nicht sonderlich viel. Aber wir denken hier unten gern positiv, sind eine Sportsnation, leben im Land des fair-go, und auch verlieren muss können, wer mal gewinnen will. Daher nenne ich jetzt rasch die zwei Vorteile des 0 zu 4 aus australischer Sicht- (und Hör)weise:
Erstens haben die meisten Australier das Debakel nicht live ansehen müssen. Um 4.30 Uhr am Montag morgen (Anpfiff) schlafen hier einfach viele. (Auch wenn Queen’s Birthday und damit Montag Feiertag war. Jedenfalls überall außer im Westen Australiens, wo die Queen an einem anderen Tag geboren ist).
Zweitens haben die meisten das Desaster nicht mit anhören müssen. Weil sie ob des nervigen Getrötes dieser Trompeten kaum die Kommentare geschweige denn was anderes hören konnten und die TVs auf “mute / Stumm” geschaltet hatten. Oder eben aus. (Damit war ich offenbar wenigstens nicht die einzige, der diese Tröten total auf den Keks gehen.) In Australien ist “Soccer” eh ein Randgruppensport und was für Grundschulkinder. Diese seltsam summend penetrante Hörfolter hilft nicht gerade, den Sport ums runde Leder aus der Nische zu locken.
Ok, wenn jemand die Uhrzeit der Spiele etwas sportlicher gestalten würde und die Australier doch noch ein Tor schössen, könnte sich das ändern. Sogar ohne Ton, eventuell. Wir bleiben dran.
Ps. happy Birthday, Queen E.!
(PPs: die Autorin ist Exil-Anhängerin des sangesstärksten Vereins der Bundesliga, daher sicher nicht gegen Geräusche auf dem Platz, schon aber gegen blödes Gebrumme, and to be honest: what’s the point?).
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1.: Dem Land, in dem Rockstars wie Ex-Midnight-Oil-Sänger Peter Garrett Minister werden, fehlt das musikalische Talent. Eine gewagte Behauptung, zugegeben, wird aber gleich bewiesen: Hören Sie sich mal das neue ‘Aussie-Lied’ an. Nee, nee, halb anhören und dann wieder weg klicken gilt nicht! Schön den Regler auf laut und ganz bis zum Ende durchhalten. Und?
Eben, sag ich doch. Aber für derlei Treffsicherheit im Notenspektrum und für die dazugehörige Kampagne hat die Regierung hier unten grade 150 Millionen australische Dollar (102 Mio Euro) ausgegeben. Mein Tipp: keine douze points.
2.: Australien liegt nicht in Europa.
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Wir freien Journalisten, Freischreiber und selbstverwalteten Wortschmied-Betriebe jammern ja auch ganz gern mal (ich hab gehört, wir sind nicht die einzigen). Über vieles auch ausführlich, lange und nicht frei von Selbstmitleid (ok, jetzt rede ich nur über mich). Themen? Mannigfaltig: Verfall der Zahlungsmoral, fehlende Selbsthilfegruppen für an Schreibblock leidende Autoren, Mangel an Kinderkrippen für selbstständige Schreiberinnen … ich könnte endlos weiter machen (und, really: wieso sollen derlei Diskussionen Kollegen in der Heimat vorbehalten bleiben?) Zu kurz kommt bei all diesem Gebrumme eindeutig ein wirklich wichtiges Klagefeld: Das Lamentieren über die an jeder Ecke lauernden Attacken auf die Selbstdiziplin des Freiberuflers (kein Boss der uns in den Hintern tritt, wenn wir denselben nicht hochbekommen, etc…). Daher hole ich das lange Versäumte jetzt kurz nach:
Wie soll ein Mensch bei so einem Himmel vor der Haustür anständig arbeiten? Oder konzentriert über Themen-Exposees über Wirtschaftsmodelle des deutschen Einzelhandels in Australien brüten? Genau! Geht gar nicht. Thank god: it’s Friday! Und morgen kommt die allein, nonstop, (fast) ganz um die Welt gesegelte, 16jährige Jessica Watson in Sydney an. Da darf ich dann zum “Hero’s Welcome” (das ist ähnlich dramatisch wie wenn Papst und Obama gleichzeitig herkommen) und wenigstens legal, d.h. von Berufs wegen aufs Meer starren. Danke! Foto: Julica Jungehülsing
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Zigarettenpackungen sehen in Australien schon jetzt nicht besonders verlockend aus: Eklige Tumoren, Bilder von sehr mäßig lebendigen Babys an Kanülen
und ähnliche Szenarien zieren den Großteil der Schachteln. Darunter allerdings locken bisher noch Sonne-Sand-und-Meer-Motive nebst Namen wie “Holiday” oder “Longbeach”. Damit soll ab 2012 nun auch Schluss sein. Die Regierung hat gerade angekündigt, dass in Australien künftig nur noch die ersten markenfreien Packungen der Welt verkauft werden dürfen. Die heißen dann statt “Marlbo…dingens” nur noch schnöde “25 Cigarettes”. Der Firmenname bzw. die Marke ist noch unten irgendwo im Kleingedruckten in 4-einhalbpunkt-Schrift erlaubt. Sieht ein bisschen aus wie Medizin das ganze, finde ich. Unkomisch.
Australiens rigide Anti-Smoke-Kampagnen gehen damit noch einen Schritt weiter. Kein Wunder, denn sie sind ausgesprochen erfolgreich: Rauchten 1988 noch 30 Prozent aller Australier waren es 2007 nur noch 16,6 (In Deutschland paffen noch 27 Prozent). Und wer hier unten mal süchtig war (wie ich früher), weiß, dass die Aktionen wahrhaft wirken. Es raucht nicht nur kaum wer, weil es vielerorts schlicht verboten ist, es gilt auch dort wo es erlaubt ist als absolut unlässig und uncool. Wer dennoch pafft, wird im angenehmeren Fall mitleidig und bedauernd angesehen, im nicht so netten Fall als lästiges Übel. Bin gespannt, wie sich die künftig logo-leeren Schachteln auswirken. Die Regierung hofft, dass 2018 nur noch 10 Prozent aller Aussies paffen.
Nebenbei will Australien 5 Mrd $ mehr an Steuergeldern einnehmen, denn teurer wird Rauchwerk nämlich auch (heute abend schon mal um 20 Prozent). Das Gesundheitsministerium träumt von 20-$-Packungen (14 €), das Extrageld soll helfen die Gesundheitsreform zu finanzieren und u.a. den leidenden Krankenhäusern zugute kommen.
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Da ist es also fast: das Jahr des Tigers, und wie in meiner Wahlheimat üblich wird es RIESIG. Wir haben in Australien nämlich Superlative gern, größte Spinnen, giftigste Schlangen, längste gerade Bahnstrecken etc. Also, there we go: “Die g r ö ß t e n chinesischen Neujahrsfestivitäten außerhalb von Asien” feiert Sydney ab morgen, und wenn das Clover Moore, unsere Bürgermeisterin sagt, dann wird das wohl so stimmen. Ich hab mich immer gefragt, wie man derlei misst, zumal die Neujahrsfeierei zur Begrüßung des Tigers keine Veranstaltung mit Kartenverkauf und Drehkreuz ist, sondern eher eine Serie von Ereignissen und Möglichkeiten zu staunen und/oder Geld auszugeben. Das ganze dauert bis 28. Februar und es kommen auch echte Chinesen aus China: 300 “performer” aus Chongqing City zum Beispiel. Und dann sind natürlich unsere hiesigen chinesisch stämmigen Australier sowie ortsansässige Vietnamesen und Koreaner geladen. Groß und viel eben, größer geht’s nimmer.
Nebenbei macht sich Sydney im Jahr des Tigers um das Wohlergehen der Großkatze Sorgen: Laut World Wildlife Fund gibt es nämliche nur noch 3500 wilde Tiger, Tendenz rapide schwindend. Und das ist ja nun mal keine gute Sache. Wer also im Jahr des Tigers wilden Tigern Gutes tun will, so animiert Clover Moore, soll bitte einen Bengalischen Tiger adoptieren. Also nicht richtig echt jetzt, das gäb dann mit der Quarantäne wieder Ärger und mit der hiesigen Fauna auch. Eben mehr so ideell adoptieren. Kostet um die 60 Euro, first come, first serve-Basis. Besuchsrechte werden glaube ich nicht gewährt. Aber wie gesagt: es sind nicht mehr viele da, und ich bin überzeugt, dass die Sydneysider zum größten Neujahrsfest auch die meisten Tiger adoptieren.
Ps: aber nicht traurig sein, falls nachher keine Tiger mehr frei sind, man kann via wwf auch prima Orang Utans oder Schildkröten adoptieren. Denen gehts schließlich auch nicht so blendend.
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Schon fast zwei Wochen vor dem “Australia Day” zittern Ordnungshüter vor dem Nationalfeiertag. Denn für viele Bewohner des Fünften Kontinents ist der 26. Januar eher nationaler Trinktag. Statt sich an die Anfänge weißer Besiedlung zu erinnern wird gesoffen, und zwar gern bis es kracht.
Heute früh diskutierten Politiker und Polizei wahrhaft darüber, ob es eventuell helfen könnte, wenn Bottleshops erst ab 14 Uhr harte Sachen (mit über 4 Umdrehungen) verkaufen dürften…
Der Strandstadtteil Coogee hat sich kurzfristig zur booze-free zone erklärt, an den Nachbarstränden Bondi, Tamarama und Bronte darf eh seit ein paar Jahren nicht mehr open air gepichelt werden.
In Perth wird der dürre Rasen beim Riesenfeuerwerk ebenfalls mit Bier getränkt, sobald sich eine Uniform nähert – Absolutes Alkverbot. Denn Australier, die sich selbst gern augenzwinkernd als “nation of functioning alcoholics” bezeichnen, kennen leider ihre Grenzen nicht. Viele funktionieren eben nach zehn Bier dann doch nicht mehr so gut.
Sie trinken zu viel, zu ausdauernd, und mit wenig charmanten Folgen: 70 Prozent aller Polizeieinsätze im Bundesstaat New South Wales sind alkoholbedingt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: drei von vier Sirenenheulern verursacht ein randalierender Pisspot oder betrunkener Autofahrer. Oder anders: Fast 3 von 4 Polizisten wären ohne Alkohol arbeitslos… (komischerweise bringt das bisher keiner der Kollegen hier mit dem boomenden Arbeitsmarkt in Verbindung … 😉
Australia Day ist traditionell heiß und durstig da mitten im Sommer, für viele der letzte Ferientag, kurz: ein kontinentalübergreifender Partymoment. Allein die Ureinwohner fanden den Anfang weißer Besiedlung noch nie wirklich feiernswert.
Die anderen trinken, grillen, baden und trinken noch etwas mehr. Schon jetzt wittern Boulevardblätter in den angedachten Alkoholbeschränkungen einen Angriff auf die kulturelle Identität. Der Telegraph sieht die “Tradition einiger Biere oder Gläser Wein zum OZ-Day Barbeque in Gefahr“. Ach ja, wenn es nur um “einige Biere” ginge, wäre vermutlich die ganze Aufregung nicht nötig …
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Auch nach fast acht Jahren in Sydney fällt mir schwer, Santa ernst zu nehmen. Ich fürchte, das liegt an etwas peinlich Oberflächlichem wie seinem Outfit. Santa (eigentlich Santa Claus, aber wir kürzen hier unten gern ab), sind jene Herren, die in rotem Samtvelours gewickelt mit dichtem weißem Bart und kuschlig warmer Mütze seit ein paar Wochen umherwandern, in Shopping Malls sitzen und Geschenke verteilen. Dazu rufen Santa Clause zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit “HO!HO!HO!”
Das ist australische Mundart, aber was es heißt hat mir noch kein Einheimischer erklären können. Meine alltagskulturelle Beraterin Christine sagt: “Santa kommt samt zwölf Rudolph (Rudy) genannten Rentieren vom Nordpol. Mit Hohoho vermeidet er Smalltalk, für den er keine Zeit hat, weil er ja um die ganze Welt muss.” Mehr weiß sie über den dröhnend dargebotenen Dreisilber auch nicht. Das “Australian Phrasebook” des bekanntlich immerschlauen Lonely Planet bemüht sich erst gar nicht um eine Erklärung.
Ich glaube, das dreifach-Ho ist mitnichten ein Lachen, sondern Santas Art uns mitzuteilen, dass er es santafeindlich findet, bei über 30 Grad in dicken roten Mänteln rumzulaufen: “HO!HO!HO ist mir heiss!” “Ho-ho-hot is it here…” Nach gut 220 Jahren weißer Besiedlung des Kontinents könnten wir doch eigentlich klimatisch passendere Kleidung für den Hochsommergast vom Nordpol finden.
Immerhin – Dieses Jahr zieren die allgegenwärtigen, bunten Advents-Straßenbanner in Sydney nicht wie sonst die beliebten Eissterne-Motive und Schneemänner. Diesmal schmücken die im Dekorations-Rausch befindliche Innenstadt lokale Flora und Fauna.
Das gibt Hoffnung. Wer weiß, in ein paar Jahrhunderten darf sicher auch der australische Santa Surfshorts tragen. Vielleicht in Dunkelrot mit weißem Puschelrand.
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Das ist jetzt kein Scherz: Hat jemand da draußen irgendwo einen Arzt übrig? In meiner geschätzten Tageszeitung, dem Sydney Morning Herald, hat heute die westaustralische Ärztekammer Kopfgeld auf GPs (General Practitioners = Allgemeinmediziner) ausgesetzt. Das ganze geht so: Ich finde den Arzt, der Arzt arbeitet für mindestens 12 Monate in Westaustralien, und ich bekomme 3000 Dollar, könnte ich grade gut gebrauchen. Und WA ist eine wirklich klasse Gegend!
Natürlich bin ich bereit zu teilen, logisch. Denn wir sind hier unten im doktorlosen Kontinent auf jede Hilfe angewiesen, koste es was es wolle. Also, Tipps aus folgenden Ländern immer gern an mich, (faires 50-50 ist Eherensache): Gefragt sind Weißkittel aus Kanada, USA, South Africa, von den Neuseeländischen Inseln ;-), aus Singapur, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Irland und dem UK. Warum deutsche Ärtze nicht oben auf der ‘Wanted’ Liste stehen, ist mir nicht ganz klar, die müssen evtl. noch extra Beweise ihres Könnens einbringen. Aber wer Mediziner aus genannten Regionen kennt: Get them over here! Aber lasst es mich vorher wissen, danke.
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“Nein, danke, ich will nicht deine Gesichtsbuchfreundin sein.” Bislang hat das einigermaßen geklappt. Okay, zwischen 6 Millionen australischen Nutzern dieser “sozialen Plattform” vereinsame ich natürlich langsam. Facebook-Feind zu sein, ist hier derzeit etwa so sozial kompatibel wie wenn man zu schimmligem Kürbiseintopf einlädt. Ebenso gut könnte ich sagen: Bugger off, ich will nie wieder in Gesellschaft Kaffee trinken, Geburtstag feiern, ins Kino, auf Parties, Politik diskutieren…
Da mir diese www-Seite aber aus etwa 20 bis 30 Gründen (die u.a. mit Privatsphäre zu tun haben und mit denen ich jetzt niemanden langweilen will) total suspekt ist, bleibe ich standhaft. Und freu mich insgeheim an den Vorteilen meiner gesichtslosen Existenz: Mensch ohne ‘Profil’ zu sein, arm an twinkels und events, hat nämlich viele schöne Seiten: Ich muss weder die Fotos meiner Nachbarin beim Poledancing kommentieren, bleibe vor Unmengen von Blablabla verschont, und gestern habe ich die Einladung zum vierten “Baby-Shower” in diesem Jahr verpasst.
Noch kenne ich auch eine handvoll Leute, die Emails schreiben. Manche greifen sogar, wie in grauer Vorzeit, zum Telefonhörer wenn sie wissen / erzählen wollen wie’s so geht (statt zu signalisieren, man könne ja die “Facebook-Pinnwand” besuchen). Wie gesagt, mein Exil ist gut erträglich. Anders lautenden Warnungen zum Trotz habe ich auch nach wie vor Jobs. Neulich machte mir sogar ein NY Times Artikel Hoffnung, der unkte: der penetranten Seite gehen allmählich die Fans aus. Wow.
Allerdings geht meine plumpe Strategie (“Ich will da nicht rein”) nicht auf. Selbst als profillose und stadtbekannte FB-Hasserin spaziere ich durch das “soziale Netzwerk”, als sei ich Fan Nr 1: Party-Schnappschüsse, von denen ich nicht mal gemerkt habe, das sie gemacht wurden, Bilder beim Lifesaven am Strand, vom Pool, von Vorträgen, bei denen ich mich für die einzige mit Kamera gehalten hatte – ich bin bildreich präsent.
“Habe dich grade auf Facebook gesehen…” ist Albtraumsatz meiner Montagnachmittage. Dann ruft mich Freundin Ch. an und berichtet die Ergebnisse ihrer büroalltäglichen, zweistündigen FB-Lektüre.
Die Krux ist: als nicht FB-Nutzer, kann man solche peinlichen Fotos weder löschen noch um deren Löschung bitten (sign on to be Andi’s Facebook friend first…) Wahrscheinlich werde ich mir bei Gelegenheit ein ‘Profil’ zulegen… nur um mich dann anderswo löschen zu können.
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Europa ist ja schon ein schwieriger Ort. Finden wir auf jeden Fall hier unten in Ozztralija. Ok, dass das United Kingdom eine Insel ist und daher irgendwie nicht so richtig dazu gehört, Tony Blair als EU-Boss hin oder her, ist ja halbwegs logisch. Aber Holland? Ist da bei Euch auch schon Land unter, Kerstin? Laut meinem Supermarkt jedenfalls seid ihr draußen: Klare Sache, ihr dümpelt jenseits der Eurozone irgendwo zwischen Indien, Libanon und Kosher… (die Honigwaffeln waren by the way lecker – ob nun europäisch, dutch oder made in Poland).
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Wäscheleinen führen zu Slumbildung. Und Trockner sind eine Supersache. Wussten Sie nicht? Im Land der fleißigsten CO2-Verursacher ist derlei sonnenklar.
Zwar war es ein Australier, der die Wäschespinne (Hills Hoist) erfunden hat, beliebt ist Open Air Wäsche im Südhalbkugelwind trotzdem nicht. In Gärten darf Buntes (noch) flattern. Auf Balkonien nicht, jedenfalls nicht in Neusüdwales, (hier wohnen die meisten Australier), auch im “Sunshinestate” Queensland und in Westaustralien ist derlei per Mietergesetz verboten. Wofür gibt es schließlich Wäschetrockner! Die sind umweltpolitisch etwas gestrig? Pah, ein neunseitiger Behördenreport hat hier unten gerade herausgefunden: Leute verbrauchen fast mehr Strom mit Standby-Fernsehern und ähnlichem Gerät als mit Trocknern. Fazit: Es ist völlig okay, Wäsche weiter im Trockner zu trocknen, und es auf Balkonen verbieten.
Was genau jene leinenfeindliche Australier nun gegen die Balkonwäsche haben, ist nicht sooo einfach zu erklären. Besagter Neunseitenreport hat ermittelt, dass es vor allem um Ängste geht: Furcht Nr. 1: Immobilienpreise wackeln (“Sieht ja hier aus wie bei Hempels in Neapel! Das senkt den Marktwert der Wohnung!”), um soziale Ängste (“erinnert an Slums in Hong Kong”) und um die Angst vor Entblößung: (“Wer will schon des Nachbarn G-String sehen?”).
Ich habe übrigens noch nicht mal einen Balkon, meine Hinterhofleine stört offenbar das Immobilengefüge nicht, und ich könnte daher eigentlich die Klappe halten. Aber seit klar ist dass Australien die USA als größte CO2 Pro-Kopf-Verursacher überholt hat, fallen mir ständig derlei Absurditäten auf. 20,5 Tonnen Treibhausgase verursacht jeder Aussie im Jahr, doppelt so viel jeder Deutsche. Zwar heizt Sydney weniger als Stuttgart. Aber die Regierung liebt nun mal Kohlekraftwerke. Und sie hat Zeit für Gesetze, die Wäsche auf Balkonen verbieten. Halleluja.
Ich stimme Premierminister Rudd zu, der neulich in seinem Blog (ja, hier unten bloggt selbst der PM) meinte: ‘Viel mehr muss getan werden, wenn wir erfolgreiche Vereinbarungen bei der Konferenz in Kopenhagen erziehen wollen.’ Ich kanns kaum erwarten.
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Gerade ist die Sonne aufgegangen, hinter einer sehr weiten Steppe: Eukalyptus, Sand, Schafe. Himmel: Pink, Rosé und Orange vor Babyblau. Ich liege im Indian Pacific, einem Überlandzug, der Pazifik mit Indischem Ozean verbindet (sic!) und fahre von Ost nach West. Wie spät es ist? Keine Ahnung. Seit mehr als zwei Tagen habe ich keinerlei Schimmer, was die Stunde schlägt, und das liegt nicht an übermäßigem Weinprobieren in Barossa, McLaren und Clare Valley, in den letzten Tagen. Es liegt an Australiens Zeitzonen.
Normalerweise gibt es derer drei bis vier, dieses Land hat eben viele Längengrade, damit kann ich umgehen. Doch im Moment gibt es weit mehr als die. Ich tippe fünf bis sechs. Vielleicht mehr. Sicher bin ich nicht. Australien hat zwar kaum mehr Einwohner als eine brasilianische Großstadt, aber die leben in acht Bundesstaaten. Mit ausgeprägtem Staatenstolz. Daher können sie sich weder einigen, ob sie nun alle Sommer- und Winterzeit haben wollen oder nicht. Noch sind sie einer Meinung, wenn sie denn “daylight saven” wollen, wann sie das am besten tun sollten. Letztes Märzwochenende, hau ruck drehen wir alle zusammen am Zeiger? Wie andere Kontinente auch?
Pah. Zu einfach. Südaustralien dreht halbes Stündchen weiter und eine Woche später (oder zwei, wenn gerade ein wichtiges Radrennen ist). Was in Queensland läuft, weiß keiner so genau, weil sie da oben noch immer “Versuchsphasen” haben. Und in Westaustralien ist es eh ständig früher als irgendwo sonst. Und ich sitze in dieser Eisenbahn, und Damien, der wirklich herzensgute Zugbegleiter, klärt mich auf: “Breakfast is at 7.30”. – “Traintime” natürlich. Die ändert sich weitgehend unabhängig vom Überschreiten der Staatsgrenzen. Sie tickt nach Verfügbarkeit des Kochs und der Logistik des Reisefortschritts. Mein Handy piepst, Digitalziffern blinken: 12.30. “check your clock – Sie sind in eine neue Zeitzone gereist. Wollen sie die Uhr anpassen?” fragt mich Nokia zum xten Mal hämisch. Traintime ist sieben. Die am Fenster vorbeifliegende Bahnhofsuhr von Northam zeigt 8.30 Uhr. Ich gebe auf. Dem glücklich Reisenden schlägt bekanntlich keine Stunde.
Mein nächster Termin ist morgen um 8 Uhr früh, in Fremantle. Bis dahin hab ich mich eingependelt. Hoffe ich.
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Endlich. Heute abend ist es soweit: “Australia” (The Movie) feiert Weltpremiere in Sydneys George Street. Mit rotem Teppich, Nicole, Hugh, gesperrter Innenstadt etc. Die (wenn’s gut geht) breiteren Massen werden das 150 Millionen Dollar teure Werk erst nächste Woche sehen, der europäische Rest der Welt zu Weihnachten. Aber wir hier unten wenigstens, haben den Hype dann hinter uns, hopefully. Denn dieser arme Film muss Unglaubliches leisten, auf jeden Fall wenn man hiesigen Medien folgt, die seit Wochen über kaum anderes mehr berichten (ok, für Obama gab's eine kurze Unterbrechung). Wird der Film fertig? Stirbt Hugh am Ende? Wird der Film nicht fertig? Mag Oprah Winfrey ihn? (Antwort: ja) – es ist wie im Film… Vermutlich sind alle so aufgeregt, weil Baz Luhrman den Namen des kompletten Kontinents für sein 165-Minuten-Epos vereinnahmt hat. Aber der Streifen über Drama, Rinder und Liebe zu Zeiten des zweiten Weltkriegs im Outback müsste eigentlich schon vor Erstaufführung unter der Last der Verantwortung reißen. Ehrlich, dies ist nur eine kurze Liste der Dinge, die der Film leisten soll: Er muss neue Touristenströme nach Australien locken (die Tourismus-Behörde hat Regisseur Baz 50 große Scheine extra gegeben um auch noch einen Werbespot im Stil des Films zu drehen). Er soll die ‘müde australische Filmindustrie vor dem endgültigen Einschlafen bewahren’ (Sydney Morning Herald). Er muss über Australiens Rolle im Zweiten Weltkrieg aufklären (AP). Er muss Nicole Kidman eine Rolle geben, in der sie ausnahmsweise Leute sehen wollen (jj). Er muss Hugh Jackman richtig berühmt machen (mit und ohne Gesichtshaar). Und last but not least so der ‘Herald Sun’ muss der Film den “Australiern zeigen, wer sie sind… “ Au weia, that’s asking for a lot. Ich bin eigentlich schon froh, wenn er mich gut unterhält.
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Sie kommen aus aller Welt, singen Länderlieder (“Chi chi chi – le le le”, “Juuuuh Ess Aijaijai”), üben die französische Nationalhymne (schließlich war Bastille Day” / 14 Juillet) und lernen täglich dazu: Sydneys World Youth Day-Besucher. Gestern lernte eine Gruppe aus Amerika, dass der Pazifik im Winter kalt sein kann, beim Baden indes Badezeug sinnvoll ist. (In Sydney derzeit um 15,5 Grad C). Züchtig bekleidet mit Jeans, langärmeligen T-Shirts und Strümpfen probierten die jungen Katholiken in Bondi Beach ihre Variante von Jesus’ Walking on Water-Technik aus… Leider klappte der Gang übers Wasser noch nicht so gut, und die Teenager landeten klatschnass in den Wellen. Da sie das Experiment genau an Bondi Beachs strömungsreichster Stelle absolvierten, kamen Sekunden später die Lifeguards und schickten die Teens gen Badezone. Mitsamt ihrer triefenden Klamotten.
Auch viele wasserscheuere Pilger überraschte die Tatsache, dass Australien einen Winter hat. Viele junge Leute vor allem aus asiatischen und afrikanischen Ländern reisten mit kleinem Gepäck an: Rock, Shorts und T-Shirt. In den bis zu 7 Grad kalten Nächten frieren sie sich derzeit die Ohren ab und fürchten sich vermutlich schon jetzt vor dem Massen-Event “Sleeping under the Stars” am Samstag. Hilfe naht: Australische Frauengruppen stricken derzeit wie besessen Mützen und Schals, Bürger spenden Wolljacken, und Qantas hat 1.0000 ausrangierte Airline-Decken zur Verfügung gestellt. So könnte es doch noch richtig kuschelig werden am Samstag….
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Der trockenste (bewohnte) Kontinent und der flachste der Welt? Genau: Australien. Nicht gerade ein Snowboarder- und Ski-Paradies? Falsch.
Weil jeder Mensch können müssen darf, was jeder gerne will, kann auch der Australier im Winter auf Brettern Berge runter fahren. Koste es was es wolle (s.u.). Die Skisaison dauert offiziell von Anfang Juni bis Oktober, und in der Zeit fährt “man” in the snow. Ist keiner da, wird welcher gemacht. Hauptskigebiet sind, logisch, die Snowy Mountains zwischen Neusüdwales und Victoria mit Gipfeln um 1600 Meter. “LiveCams” sagen uns, die wir in T-Shirts in Strandnähe sitzen, wie’s dort um den Schnee bestellt ist. Für die nächsten Wochen versprechen sie Schnee-”Höhen” zwischen 7 und 19 Zentimetern. So richtig juckt das die Australier nicht. Sie fahren trotzdem ‘in den Schnee’, und zahlen dafür. Letztes Jahr verkauften Australiens zehn Ski-Resorts etwas mehr als zwei Millionen Tagespässe. Und die kosten mehr als in der Schweiz. Wer glaubt, St. Moritz sei teuer (Tageskarte Hauptsaison 67 CHF/ 41 €), sollte mal Perisher Blue ausprobieren. Das ist zwar weder so hoch noch so steil oder anspruchsvoll wie das Engadin, nimmt aber 98 australische Dollar (60 €) am Tag. In Thredbo, Falls Creek und Mount Hotham ist man ebenfalls mit knapp einem Hunderter dabei. Kein Wunder eigentlich, Perisher hat diesen Sommer 9,75 Mio $ (5,8 Mio €) für bessere Kunstschnee-Wasser-Anlagen und 34 neue Schneekanonen ausgegeben. Die müssen natürlich wieder reinkommen. Manchmal denke ich, wir haben hier unten eigentlich gar keine Wasserprobleme oder Dürren, Strom kommt sowieso aus der Steckdose und Öl kaltgepresst aus der Toskana.
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Seit ein paar Monaten versuche ich, mich für den World Youth Day zu akkreditieren. Akkreditieren heißt so viel wie “beglaubigen, bevollmächtigen”. Das hat mit Bürokratie zu tun und wird von Journalisten hin und wieder verlangt: vor Großereignissen oder brisanten Terminen wie Fashion Week oder G8-Gipfel. Ist lästig und nicht zu ändern, dauert meist ein bis zwei Stunden.
Die Akkreditierung für das Massen-Ereignis der Pilger – also called WYD – im Juli in Sydney hat mich bislang sieben Stunden gekostet. Die gigantische Medienmaschine, die hinter dem WYD steckt, will mich nämlich ganz ganz genau kennen lernen, ehe sie mir erlaubt, über das Ereignis zu schreiben.
Ich habe Formulare ausgefüllt und Beweise meiner Tätigkeit hochgeladen. Ich habe Fotos von mir runtergeladen (ohne Schatten auf dem Gesicht, weniger pixel bitte, mehr pixel, zu viel Arme, Nase mehr nach links). Ich habe Auftragsbriefe von Redaktionen verschickt, den WYD-Mediadamen meine Hobbies und mein bisherhiges Leben geschildert. Ich bin immer noch nicht akkreditiert. Und ich beginne zu zweifeln. Es fehlen: Das polizeiliche Führungszeugnis (mal im Ernst: was gehen den Jugendtag meine Vorstrafen an? Saß nicht sogar Jesus mit Sündern zu Tisch?). Und es fehlen: drei verschiedene, amtlich beglaubigte Identitätsnachweise. Drei. Mal unter uns: Wenn ich was richtig Böses vorhätte, und zu dem Zweck also eine ID fälschen würde. Würde ich dann nicht auch schaffen, drei Papiere zu fälschen… ?
Zum Glück wird die Welt notfalls auch ohne meine Akkreditierung über Massenmesse, Pilger und Papst erfahren: Denn wie berichtet kommen noch etwa 5.000 andere Journalisten aus aller Welt her (sind die wohl alle schon akkreditiert?). Das sind Kollegen, die daheim in den Redaktionen “Religion & Kultur” sitzen, oder in “Jugend & Welt” oder im Ressort “Ausland”. Und weil Sommer ist, kann Australien auch ausnahmsweise mal “Ausland” sein und fällt nicht wie sonst unter “Reise” oder “Vermischtes”. Zumal ja der Papst kommt, und der war schließlich Deutscher, ehe er in den Vatikan zog. Oder ist es immer noch. Keine Ahnung, wie das mit der doppelten Staatsbürgerschaft bei Päpsten ist. Auf jeden Fall ist der Bezug da und das Sommerloch auch, und da sollen dann ja gern ein paar Kollegen nach Sydney fliegen.
Wenn die Papstmesse vorbei ist, dann haben die meisten noch ein bisschen Zeit: “Wo ich schon da unten bin, geh ich noch kurz ans Reef und mach dann noch die Aborigines”, mailt der Kollege vom Regionalanzeiger und fragt nach Tipps. Er guckt Papst, taucht und ‘macht Aborigines’. “Drei Tage reichen da doch, oder?” erkundigt er sich noch, “für die Aborigines?” – “Ja sicher”, lüge ich beherzt. Kein Problem – Drei Tage für die Recherche eines Problems, an dem ein Kontinent seit Jahrhunderten nagt und dessen Zeitzeugen auf einem riesigen, weiten Kontinent verstreut leben – Drei Tage sind üppigst bemessen… Viel Spass und gutes Gelingen! Ich mach mich dann mal für zwei Wochen aus dem Staub. Ich schaff die WYD-Akkreditierung eh nicht.
Ps: Wissen Sie was der Werbeslogan des Jugendtages in Sydney ist? "WYD – the time of your eternal life". Da komm ich mir schon wieder kleinlich vor mit meinem Gestöhne über die sieben Stunden Formulare ausfüllen und Beglaubigungen beglaubigen lassen.
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Angeblich ist fast jeder vierte Australier Katholik, und diese Gruppe damit Down Unders zahlenstärkste Glaubensgemeinschaft. Soweit die Statistik. Die gefühlte Katholikendichte scheint deutlich geringer. Käme das nur mir so vor, würde ich tippen, dass das an meiner Jugend in Münster liegt. (Das ist eine sehr katholische Stadt, von der es heißt “Entweder es regnet, oder es läuten die Glocken; passiert beides, ist Sonntag”). Also, nicht nur habe ich in sieben Jahren Sydney noch nie Sonntags Glockenläuten gehört, hier ist auch nicht mal Pfingsten frei. Aber egal. Zahlen sind Zahlen, und mit denen werden wir gut einen Monat vor Papstbesuch und World Youth Day (WYD) geradezu überschüttet (fühlt sich fast an wie Sonntag in Münster): Das größte religiöse Großereignis in der Geschichte Australiens! 125 .000 Gläubige und internationale Besucher! 8.000 Helfer werden helfen. 2.000 Priester beten. 700 Kardinäle und Bischöfe zelebrieren. 3.000 bis 5.000 Medienvertreter die Medien vertreten. 3,5 Millionen Mahlzeiten werden all diese Leute essen… Ah, es ist herrlich, ich könnte endlos weiter zählen.
Mit den meisten dieser Nummern kommen die meist toleranten Einwohner Sydneys auch gut klar. Selbst darüber, dass die Stadt im Juli gut eine Woche dank einer Art Lock-Down voller Straßenblockaden (300 Straßensperren = 263 000 $ an Parkuhr-Einnahmen-Verluste) unbefahrbar wird, murren wenige.
Nur die WYD-Dollar-Zahlen, die stimmen viele, insbesondere die 75 Prozent Nicht-Katholiken, eher unfröhlich. Mindestens 150 Mio Australische $ (90 Mio Euro) wird die Glaubenswoche die Steuerzahler kosten. Nicht inbegriffen: die 40 Millionen, die der Australische Jockey-Club, Besitzer der Rennbahn Randwick, für den WYD bekommt. Diese Zahl muss ich vielleicht erklären: Australier sind Pferde(- und Wett)besessen. Viele glauben fest, dass das Glück der Erde eher auf dem Rücken der Pferde als sonstwo liegt. Melbourne Cup Day, ein Pferderennen im November, etwa ist Feiertag. Pfingsten nicht. Und Papst Benedikt zelebriert die WYD-Riesenmesse ausgerechnet auf einer Rennbahn im Stadtteil Randwick. Na und? Nix na und. Das kommt einer Katastrophe gleich. Mindestens aber einem finanziellen Desaster der Pferdeindustrie: Wochenlang wird der Platz unbenutzbar, Wetteinnahmen in schwindelnder Höhe werden schwinden, Pferde träge und Rasenflächen häßlich werden. Doch die 40 Millionen $ werden es schon richten. Dass die Jockeys entschädigt werden müssen, sieht in Sydney auch jeder ein. Gemurrt wird, dass nicht anderswo gebetet wird – etwa im Olympia-Stadium, das war doch teuer genug. Ach ja, seufzen verstohlen jene der 25% katholischen Sydneysider, denen Pferdewetten weniger heilig sind: “Fronleichnam ist Fremdwort, Heiligabend Haupt-Einkaufstag – vermutlich höchste Zeit, dass der Papst nach Australien kommt.”
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Danke, danke, wir haben es mitbekommen, selbst an entlegenen Globusrändern wie Australien wissen wir: Deutschland wandert aus was das Zeug hält. Von deutschen TV-Sendern auf allen Kanälen begleitet, von jeder anderen Medienart beschrieben und erzählt, von Unrast getrieben. Und wir? Wir, die wir an denen angeblich so begehrten Fluchtzielen leben, können dann wohl einfach sehen, wie wir damit klar kommen, wie? Naja, das geht schon ok. Auch wenn ich mich zuweilen insgeheim frage, wie es wird, demnächst nach Deutschland zu kommen – und peng: da ist keiner mehr. Alle futsch. Good-bye und Tschüs. Logisch, ich weiß, ein paar bleiben. Muss ja. Schon allein die, die all die Serien schreiben und filmen oder angucken müssen. Und die nämlich, die haben super viel Spaß in Deutschland zur Zeit. Eine Riesengaudi. Monsterjux.
Woher ich das weiß? Auch dank des Auswanderer-Booms. In Deutschland wird nämlich längst nicht mehr für Geld gearbeitet. Kein Scherz. Gerackert wird aus lauter Spass an der Freude, aus schierer, purer Lebenslust! Lohn, Honorar, Bezahlung? Pah, das ist doch was für Nörgler und Auswanderer. Oder für Korrespondenten am Ende der Welt, die noch nix von der neuen deutschen Spass-Gesellschaft gehört haben. Für Hinterwäldler wie mich. Die angemailt, angerufen, angetextet werden um den deutschen Medienauswandererboom zu füttern. Mit frischen Fällen. “Sind Sie doch bitte so nett, bis Anfang der Woche bräuchten wir ein Single aus Bayern …” “Würden Sie bitte mal schnell… – Ah, nee, Sydney hatten wir schon so oft, können Sie nicht wen auftreiben, der ins Outback gezogen ist?” “Na, das klingt doch super, aber wäre schon besser, wenn die Familie auch Haustiere hätte… “ Lustige Recherche-Arbeit eben. Durch den Kontinent telefonieren, Leute überreden, Kontakte auswringen, wieder telefonieren. Mach ich ganz gern mal zwischendurch. Vorher teile ich den deutschen TV-Mitarbeitern meinen Tagessatz für derlei Dienste mit. Und dann hört der Spass ganz abrupt auf. Oder fängt so richtig an, wie man’s nimmt. Bezahlen ist nämlich (siehe oben) von gestern. “… haben wir eigentlich leider nicht die Möglichkeiten, Honorare zu zahlen…” lese ich dann, oder “…teile ich Ihnen mit, dass wir Vermittlungen dieser Art in der Regel nicht vergüten…” Und zuletzt höre ich: “Wir sind auf die Mitarbeit von Kollegen angewiesen, die Spaß an der Sache haben und uns gerne unterstützen möchten.” Einen Riesenspass hatte ich. Danke, Channel X! Selten so gelacht. Sorry, aber unter uns: Wenn ich Spaß brauche, geh ich dann doch lieber surfen als für deutsche Sender honorarfrei am Telefon zu hängen (auch Telekommunikation ist übrigens in Australien noch gebührenpflichtig).
PS: Mit welchen Spaß-Moneten, in welcher Lach-Währung bestreiten deutsche Fernsehredakteure eigentlich inzwischen ihren Alltag? In Sydney, falls das eine der Auswanderer-Serien interessiert, werden altmodische Sachen wie zB Miete – total vorsintflutlich – immer noch in Dollar gezahlt.
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Ab 31. März gibt es auch in Australien Terroristen. Nee, Unsinn, also nochmal: Ab 31. März kommen auch aus Australien keine Terroristen mehr raus. Oder wenn es dann welche gibt, finden wir sie am Flughafen. (“Äh, hallo, worum genau geht’s hier, genau?”) Ja, sorry, also es geht ums Fliegen mit Flüssigem. Darum, dass man ja seit dem vereitelten Anschlag in London im August fast nirgends mehr im Handgepäck haben darf außer organisches Felsquellwasser oder Wimperntusche. Das ist eben ab April auch down under Gesetz.
Wir haben eben spekuliert, wieso das in Känguruland etwas länger als anderswo gedauert hat. Mein Lieblings-Bayswim-Partner meint: “Unsere Terroristen hier sind eben nicht so clever, die hätten das gar nicht so schnell rausbekommen mit den Flüssigbomben.” Meine Nachbarin hat was von Zeitverschiebung gemurmelt. Mein Verdacht ist, es liegt an der Gründlichkeit, mit der die zuständige Behörde sich der Sache angenommen hat: Die Regierung musste nämlich erstmal Aufklärungs-Broschüren (“Was darf rein?”) drucken, und zwar 14 Millionen Stück (Australien hat knapp 21 Mio Einwohner). Und die mussten wiederum in fünf Sprachen verfasst werden: englisch, chinesisch, japanisch, koreanisch und malayisch. Das dauert dann vielleicht eben schon mal sieben Monate.
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15 $, genauer: 14 Australische Dollar und 99 Cent kosteten die Bananen gestern in meinem Supermarkt, das gleiche beim Gemüsehöker. 15 $ sind 9 Euro. Und Schuld ist Larry. Larry war der Hurricane, der im März 85 % der Bananenstauden in Queensland vermichtet hat. Und so lange die eben nicht nachgewachsen sind (das dauert 9 Monate, wie für Nachwuchs üblich) sind Bananen teurer als kalifornische Kirschen. Denn Bananen einführen ist verboten. Vor allem weil die Regierung Angst hat, irgendwelche feindfreien Schädlinge könnten gleich mit importiert werden. Also leidet Australien Entzug.
Angeblich essen wir hier 15 Millionen Bananen pro Woche, das war natürlich vor Larry. Als Paul beim Schwimmtraining Dienstag tatsächlich eine dieser 3-Dollar-Stangen aus dem Rucksack zog, starrten ihn alle an, als hätte er in der Eckkneipe Champagner bestellt. Das war die erste geschälte Banane, die ich seit Monaten gesehen habe. Unter uns: Mir ist es Wurst, ich ess auch gern mal Äpfel und Mangos und Birnen und Kiwis. Rundum allerdings nimmt das Gejammer kuriose Formen an. Der Sydney Morning Herald titelte am Wochenende: "Economy slips on banana skin" (Writschaft rutscht auf Bananenschale aus).
Larry, sorry: die Bananen-Preise, so hieß es, seien nebst steigender Benzinpreise Grund für das Elfjahreshoch der Inflationsrate (4 Prozent). Bananen und Benzin sind schuld. Kein Scherz. Sagt die erste Seite der größten Zeitung. Australiens satte Wirtschaft auf dem Weg in die Krise – dank Larry! Mangels Bananen, jawoll.Ps: Paul hat Dienstag eine Rekordzeit geschwommen, 24.2 sec auf 50 M. Wahnsinn. Die Kiwis haben natürlich Samstag im Rugby gewonnen. Überrascht? Ich nicht…