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Endlich wieder Gipfelchaos

Eine Stadt im Lockdown, und diesmal geht es nicht um Corona. Die gesamte Genfer Innenstadt ist abgeriegelt, der Luftraum ist gesperrt, auf dem Genfer See darf einzig die Schweizer Marine kreuzen. Seit Tagen schon haben Sicherheitskräfte den Parc de la Grange abgesperrt, eine der größten Grünflächen von Genf.

Die Villa La Grange in Genf: Gipfeltreffen hinter Gittern.

Der Schweizer Zivilschutz hat den Zaun rund um den Park mit Gittern verstärkt, auf ihnen liegen mehr als zwei Kilometer Stacheldraht. Und wie reagieren die Genfer? Sie freuen sich, nicht alle natürlich, aber viele. Endlich ist ihre Stadt wieder zurück auf dem diplomatischen Parkett. Wenn es um Putin vs. Biden geht, steht es Zoom 0 – Genf 1.

Einen Bericht von mir darüber, wie Genf sich auf das Gipfeltreffen Putin-Biden vorbereitet hat, hören Sie hier

Ein kollektives Aufatmen geht durch die Stadt, die sich seit der Gründung des Roten Kreuzes 1863 als Zentrum der Weltdiplomatie versteht. Der Genfer Regierungsrat Sami Kanaan formuliert das so: »Ich glaube, dass ein solcher Gipfel dazu beiträgt, dass Genf nach der Pandemie wieder auf der Landkarte des Multilateralismus erscheint. Das ist von unschätzbarem Wert, übrigens auch sehr konkret. Ich denke da an die Hotellerie, an alle möglichen Faktoren. Ich glaube, das ist alle Mühen wert.«

Ankunft Biden: Am Dienstag, 15.6., landet der US-Präsident um 16:23 Uhr in Genf-Cointrin. (KEYSTONE/Pool/Martial Trezzini)

Mehr als 30.000 Menschen sind in Genf bei einer der mehr als 200 internationalen Organisationen beschäftigt. Indirekt hängen ganze Branchen vom Genève internationale, dem internationalen Genf, ab. In normalen Jahren veranstalten alleine die Vereinten Nationen 10.000 internationale Treffen. Im Covid-Jahr 2020 war es kaum mehr als ein Drittel. Nachdem kleine und große Gipfel vor allem im virtuellen Raum stattfanden, ist die Angst in Genf groß, dass die Diplomaten gar nicht mehr zurückkehren werden.

Shakehands in der Villa La Grange: Wladimir Putin und Joe Biden bei ihrem Gipfeltreffen in Genf, 16.6.2021.

Einen Kommentar von mir über die Rückkehr des Multilateralismus nach Trump und Covid-19 können Sie hier lesen

Jetzt sind sie wieder da, und das auch noch im ganz großen Stil. Vergleiche werden gezogen zum großen Gipfel zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, die 1985 in Genf das Ende des kalten Kriegs einleiteten. »Wenn es irgendeinen Ort gibt, an dem beide Länder erfolgreich miteinander verhandelt haben, dann ist das Genf«, urteilt der amerikanische Politologe Marshall Shulman. Dabei geht es diesmal in Genf gar nicht um Ergebnisse. Es geht darum, dass wieder miteinander geredet wird, in echt und nicht digital. Genf ist wieder zurück auf der Weltbühne. Das hoffen zumindest die Genfer.

Alles außer Zoom: Das Pressezelt gegenüber der Villa La Grange in Genf am Vormittag des 16.6.21

Und die 3.000 Journalistinnen und Journalisten. Endlich sitzen wir wieder nah am Puls dessen, was geschieht. Zwar nur in einem riesigen Pressezelt gegenüber der abgesperrten Villa, aber wenigstens nicht im Homeoffice am Bildschirm. Wenn vor der Tür Sirenen erschallen und Autokonvois entlang rasen, dann springen alle auf. Und auf den mehr als 20 Stand-Up-Positions steht immer irgendjemand live vor der Kamera. Endlich wieder Gipfelchaos.

 

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Weltreporter live: Unterwegs in der neuen Zeit

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Weltreporter live #3

Welt ohne Reporter*innen?
Das Verschwinden der Auslandsberichterstattung

eine digitale Veranstaltung von weltreporter.net/live am 15.12.2020 um 18 Uhr

Ausgedünnte Redaktionen, schwindende Budgets und wachsender Druck auf unabhängige Berichterstatter in vielen Ländern: drei von vielen Problemen, die die Arbeit von Korrespondentinnen und Korrespondenten erschweren. Die Corona-Pandemie verdüstert die Lage noch weiter. Dabei sind in Zeiten von Fakenews, Propaganda und Verschwörungserzählungen zuverlässige Nachrichten aus dem Ausland so wichtig wie nie. Über die aktuellen Herausforderungen der Auslandsberichterstatter und mögliche Wege aus der Krise diskutieren Weltreporterinnen und Weltreporter aus Beirut, Kairo, Nairobi und Shanghai. Sie berichten von ihren Erfahrungen, kommentieren eine aktuelle Umfrage unter Auslandskorrespondent*innen und stellen sich den Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Moderiert wird die Sendung von Weltreporter Marc Engelhardt aus Genf.

Mit dabei:

Theresa Breuer, Beirut – berichtet aus Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan, wo sie – mit Afghaninnen – einen Film über ein medial vernachlässigtes Thema mit starken Frauen gemacht hat

Philipp Mattheis, Shanghai, ex Hamburg – berichtet aus einer Autokratie, in der es immer schwerer wird, Fakten zu sichern und Meinungen einzuholen; dabei bringt er sich potentiell auch selbst in Gefahr

Bettina Rühl, Nairobi – kennt aus ihrem Berichtsgebiet Krisengebiete (Somalia) ebenso wie Autokratien; muss sich oft auf Aussagen von NGOs verlassen, um aktuell berichten zu können; Anfang Jahr hat sie die Afrikareporter gegründet, um selbst Schwerpunkte zu setzen

Jürgen Stryjak, Kairo – deckt aus dem Studio in Kairo ein Berichtsgebiet mit zahlreichen Kriegen und Konflikten (Syrien, Jemen, Libyen) ab und ist täglich mit der Frage konfrontiert, was man dort wissen kann; vor lauter Krisen kommen Alltagsgeschichten oft zu kurz

Moderation: Marc Engelhardt, Genf

 

Einladung für den 15.12. als PDF. Aufzeichnung hier:

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Über die Reihe

Weltreporter live: Unterwegs in der neuen Zeit

ist eine digitale Veranstaltungsreihe des Weltreporter*innen-Netzwerks. Aufzeichnungen bisheriger Veranstaltungen siehe unten.

Was passiert da gerade in der Welt? Lassen Sie sich von unseren Weltreporter*innen mitnehmen an Orte rund um den Erdball. Orte, an denen sie seit Jahren leben und arbeiten. Lassen Sie sich erzählen, was in den USA jenseits von Trump passiert. Wie Corona Gesellschaften verändert und wie man als Journalist*in damit umgeht – und wie gefährlich es für uns alle ist, wenn aus manchen Regionen oder Ländern gar nicht mehr oder nur im Krisenfall berichtet wird. Das alles in interaktiven Live-Sendungen mit mehreren Weltreporter*innen, die Ihnen im Gespräch, aber auch durch Video- und Audiozuspieler aus ihren Ländern und über ihre Arbeit berichten. Und Sie, liebes Publikum, sind live dabei, stellen Fragen, bekommen Antworten, raten mit und lernen die Weltreporter*innen und ihre Arbeit kennen. Schauen Sie mit unseren Augen auf die Welt. Wir freuen uns auf Sie und Ihre Fragen!

 

29. Oktober 2020, 18 Uhr: Alles Trump? Die USA jenseits der Schlagzeilen

mit Christoph Drösser (San Francisco, USA), Arndt Peltner (Oakland, USA), Kerstin Zilm (Los Angeles, USA) und Wolf-Dieter Vogel (Oaxaca, Mexiko). Moderation: Bettina Rühl (Nairobi, Kenia)

 

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19. November 2020, 18 Uhr: Normaler Notstand? Leben und Arbeiten in der Pandemie

Wie hat sich der Arbeitsalltag der Weltreporter*innen durch die Pandemie verändert? Warum hat die Prävention an manchen Orten gut geklappt, an manchen nicht und was kann man daraus für die Zukunft lernen?

mit Karen Naundorf (Argentinien), Christine Wollowski (Brasilien), Leonie March (Südafrika) und Klaus Bardenhagen (Taiwan). Moderation: Julia Macher (Barcelona, Spanien)

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15. Dezember 2020, 18.00 – 18.45 Uhr: Welt ohne Reporter*innen? Das Verschwinden der Auslandberichterstattung
Moderation: Marc Engelhardt (Genf, Schweiz)

Anmeldung zur Weltreporter Live–Sendung am 15.12. (Zoom)

weltreporter.net ist das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondent*innen. 46 Journalist*innen berichten aus mehr als 160 Ländern – aktuell, kontinuierlich und mit fundiertem Hintergrundwissen.

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Diese Ankündigung der Reihe als PDF

 

 

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Ausgezeichnet!

Von Südamerika bis Australien, von Europa über Nordamerika, Asien und natürlich Afrika eint uns Weltreporter derzeit eines: Stolz: Ende Juli erhält unsere Vorsitzende Bettina Rühl das Bundesverdienstkreuz.
Bettina Rühl

Bettina Rühl bekommt das Bundesverdienstkreuz

Die Korrespondentin wird damit für ihre „unabhängige, überdurchschnittlich engagierte und bemerkenswerte Recherche-Arbeit” in Afrika und ihre Berichterstattung über Afrika ausgezeichnet. Vorgeschlagen hatte sie Bundesaußenminister Heiko Maas, mutmaßlich höchstpersönlich Fan von Bettinas Reportagen, Hintergründen und Analysen.

Im WDR-5 Programm Scala sprach Bettina über die Auszeichnung. Vor allem aber erzählt sie über die Weltreporter und darüber, wie ihre Arbeit in Kenia derzeit aussieht, was sie eigentlich für 2020 geplant hatte – und wie die Corona-Pandemie für sie neue Schwerpunkte gesetzt hat. Und Isabelle Klein sprach mit ihr für die Deuutschlandfunk-Sendung @mediasres über die Auszeichnung, Afrika und die Anfänge ihrer Arbeit Ende der 1980er-Jahre.
Weltreporter Marc Engelhardt (Genf), der selbst viele Jahre aus Afrika berichtet hat, sagt: “Es ist eine hoch verdiente Ehre für Bettina Rühl. Ich kenne keine andere Journalistin, die ein so intimes Wissen über Afrika hat und es auf so brillante Art und Weise weitergibt.”
Bettina Rühl berichtet seit über zwanzig Jahren über Afrika. Ihre Features, Reportagen und Berichte werden in verschiedenen Programmen des ARD-Hörfunks gesendet, in Magazinen und Zeitungen gedruckt. Außerdem vertritt sie regelmäßig die ARD-Hörfunkkorrespondentin für Ostafrika und arbeitet bisweilen fürs Fernsehen.
Gemeinsam mit den Kolleginnen Sarah Mersch (Tunis) und Leonie March Durban veröffentlicht Bettina Rühl seit einem Jahr außerdem auf der Online-Plattform Riffreporter das Magazin Afrika-Reporter. Es gibt extrem lesenswerte Einblicke, Hintergründe und Analysen über den Kontinent.

Der zweite am Bande

ArndtPeltnerBettina Rühl ist nicht die einzige Weltreporterin, der diese Ehre zuteil wird. Arndt Peltner, seit einem Jahr Weltreporter in Oakland, USA, wurde 2004 für seine Arbeit mit Radio Goethe mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Peltner habe es geschafft, mit dem Musikprogramm junge Menschen in den USA für Deutschland zu interessieren und fördere die Freundschaft zwischen jungen Menschen in den beiden Ländern, hieß es in der Begründung. Peltner war vor 16 Jahren einer der jüngsten Träger des vom Bundespräsidenten vergebenen Verdienstordens.
 

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Covid-19 – Wie geht’s dem Rest der Welt?

Maßnahmen lockern? Anders forschen? Alte Menschen isolieren? – Debatten, die in Deutschland geführt werden, beschäftigen auch andere Länder. Aber es gibt dort auch völlig andere Lösungen, Ansätze und Konflikte. Die Weltreporter berichten in diesen Wochen von allen Kontinenten fast ausschließlich über Situationen, Menschen und Ereignisse, die irgendwie mit Covid-19 zu tun haben.

Falls Sie eine C-Verschnaufpause brauchen: Manche Themen – wie Cornelia Funkes neuer Roman, über den Kerstin Zilm im Deutschlandfunk Kultur spricht  – haben weniger inhaltlich als vielmehr anlässlich mit Corona zu tun: Die Bestsellerautorin Funke lässt in den kommenden Wochen live auf Instagram und YouTube aus dem vierten Buch ihrer Tintenwelt-Serie lesen. Das Buch ist noch gar nicht veröffentlicht. Funke erzählte Kerstin Zilm, warum sie die ersten 14 Kapitel von ‘Die Farbe der Rache’ trotzdem schon aus ihrer Schublade geholt hat.

Ein Geschenk für die Fans – Kerstin Zilm spricht mit Cornelia Funke

In Taiwan wurden die ersten Coronavirus-Infektionen noch vor jenen in Deutschland gemeldet, doch bis heute gibt es in dem asiatischen Land weniger als 450 Infektionen und sechs Tote – Wie gelingt eine so beeindruckende Bilanz? Nicht ohne Einschränkungen, aber mit raschen, wirksamen Maßnahmen hat der Inselstaat vor der Küste Chinas geschafft, die Ausbreitung des Virus unter den 23 Millionen Einwohnern stark einzudämmen. Einen spannenden Bericht dazu hat Klaus Bardenhagen für die Umschau des MDR gefilmt.

Klaus Bardenhagen berichtet aus Taipei Foto: Screenshot mdr

Klaus Bardenhagen berichtet aus Taipei    Foto: Screenshot mdr

Dort erklärt er – diesmal auch vor der Kamera – warum Taiwan in diesen Tagen so eine Art Insel der Seligen ist. Über die strenge Heimquarantäne und die besondere Rolle der Taxifahrer in Taiwan hatte Klaus Bardenhagen zuvor bereits mit dem ARD Studio Tokio für das Mittagsmagazin einen Beitrag gedreht.

Knapp 10.000 Kilometer weiter südwestlich arbeitet Anke Richter, die sich in den vergangenen drei Wochen kaum wie Kollege Bardenhagen auf einem vor Menschen wimmelnden Markt getummelt haben dürfte. In Christchurch  wurde der Lockdown mit deutlich härteren Sanktionen durchgesetzt als in vielen deutschen Städten. Und Neuseeland  liegt jetzt im weltweiten Kampf gegen das Coronavirus mit einem Reproduktionsfaktor von 0,5 vorne. Als sonderlich harsch wurden die Maßnahmen dort jedoch von vielen nicht empfunden. “Nett und schlau” nennt Anke in ihrer Story für Zeit Online die Strategie, mit der der Pazifikstaat bisher offenbar gut fährt. Regierungschefin Jacinda Ardern sitzt dort im Sweatshirt zu Hause und beantwortet im Livechat auf Facebook Fragen ihrer Landsleute – unprätentiös, herzlich, sachkundig.

Jacinda Ardern plaudert mit ihren Landsleuten ©Screenshot Facebook

Neuseelands PM Jacinda Ardern plaudert mit ihren Landsleuten © Screenshot Facebook

Während anderswo Mediziner fehlen, schickt Kuba Doktoren in die Welt: 596 Ärztinnen und Ärzte habe man in insgesamt 14 Länder entsandt, um sie zu unterstützen, hieß es aus dem kubanischen Gesundheitsministerium. Wie es dazu kam, dass sich der sozialistische Inselstaat in der medizinischen Kooperation derzeit so profiliert, hat Wolf-Dieter Vogel analysiert.

Singapur hatte die Krise fast im Griff. Doch jetzt schockiert ein massiver Ausbruch in den Wohnheimen für ausländische Arbeiter den reichen Stadtstaat, schreibt Mathias Peer im Handelsblatt. Zwar gehört Singapur zu den reichsten Ländern der Welt, doch bei ihren Gastarbeitern sparen viele Unternehmen wo es geht – das rächt sich nun offenbar.

Ein Straßenhändler verkauft Desinfektionsmittel @ Bettina Rühl

Ein Straßenhändler in Kenia verkauft Desinfektionsmittel © Bettina Rühl

Den afrikanischen Kontinent hat das Coronavirus mit Verzögerung erreicht. Inzwischen steigen die Infektionszahlen  deutlich an. In Kenia, Uganda, Simbabwe und Südafrika greifen Polizei und Militär hart durch, um Ausgangsbeschränkungen durchzusetzen. Im Deutschlandfunk berichten Bettina Rühl und Leonie March über die Situation in Slums der kenianischen Hauptstadt und über das zum Teil drastische Krisenmanagement  Südafrikas.

Julia Macher erzählt in ihrer Hörfunk-Reportage auf Deutschlandfunk Kultur wie Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Barcelona mit der Corona-Krise umgehen. Das war für die Weltreporterin in Spanien auch eine erzählerische Herausforderung: Wie bleibt man trotz Ausgangssperre und „social distancing“ nah dran an den Protagonisten?

 

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Coronavirus-Pandemie: Die Folgen in der Welt

Die Corona-Krise hat noch wichtiger gemacht, was uns Weltreporter auszeichnet: Wir sind schon da, wohin andere erst reisen müssen – und genau das jetzt nicht mehr können. Quarantäne, geschlossene Grenzen, Reisebeschränkungen, Ausgangssperren – Reisen sind schwierig geworden, nicht nur ins Ausland, und auch für Journalisten. Wer zum Coronavirus jenseits der Landesgrenzen recherchieren will, schaut ins Internet, telefoniert – oder beauftragt einen Weltreporter. Wir wissen, wie die Situation in vielen Regionen der Welt ist, denn wir arbeiten und leben dort.

Fabian Kretschmer berichtet aus China zur Öffnung der Stadt Wuhan und beschreibt, welche Auswirkungen die Krise auf die Blase des chinesischen Profifussballs hat. Anke Richter hat mit Deutschen gesprochen, die in Neuseeland festsitzen.

Sarah Mersch beobachtet, wie die Tunesier daraf reagieren, wenn Ausgangssperren plötzlich mit Drohnen überwacht werden.  Wolf-Dieter Vogel schreibt aus Mexiko, weshalb ein Essayband mit philosophischen Texten in der Coronakrise offenbar einen wichtigen Nerv trifft.

Haben Ihre Orangen etwas mit dem Coronavirus zu tun?

Vermutlich schon, schreibt Julia Macher, aus dem Brennpunkt-Land Spanien. Sie arbeitet in Barcelona und berichtet von dort unter anderem darüber, was sich Hotels einfallen lassen, wenn Touristen fehlen.

Bettina Rühl und Marc Engelhardt recherchieren im dem Kongo und in Genf, wie die Ebolakrise zu Ende geht – und was sich für die Corona-Pandemie daraus lernen lässt.

Bettina Ruehl weiß außerdem, wie ein gespensticher Flughafen aussieht, sie war im Terminal von Nairobis Airport, als dort die letzten internationalen Flüge landeten. Im Deutschlandfunk berichtet sie an diesem Wochenende gemeinsam mit Südafrika-Weltreporterin Leonie March und anderen Korrespondenten über die Situation in Afrika.

Wie sich das Virus in Townships und Slums in Südafrika ausbreitet, schildert Leonie March außerdem in einem Korrespondentengespräch mit dem SWR.

Warum die Australier derzeit nicht sonderlich gut auf Kreuzfahrer zu sprechen sind – und wie es aussieht wenn Strände geschlossen werden – habe ich in einem kurzen Länder-Update zusammengestellt. In Brüssel fragt sich Eric Bonse, wann die EU-Staaten den “Exit” aus der Coronakrise vorbereiten?

So aktuell wie es uns möglich ist, halten wir Weltreporter Sie aus mehr als 100 Ländern auch über unsere Weltreporter.net-Facebookseite und unseren Twitter-Kanal auf dem Laufenden.

Bleiben Sie gesund, bleiben Sie demokratisch, bleiben Sie informiert.

 

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Ausgezeichnet: Weltreporter Philipp Hedemann erhält „Plan Medienpreis für Kinderrechte“

Für eine Reportage über die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen über das Internet erhält Weltreporter Philipp Hedemann den „Plan Medienpreis für Kinderrechte“. Der Journalistenpreis wird von der Stiftung „Hilfe mit Plan Österreich“ in Kooperation mit dem Verband Österreichischer Zeitungen und dem Bundeskanzleramt in Wien vergeben. „Fass Deine Schwester an“ erschien im Nachrichtenmagazin Profil. In diesem Text erzählt Hedemann die Geschichte eines Mädchens, das – wie Tausende andere Kinder auf den Philippinen – gezwungen wurde, sich vor Webcams auszuziehen. Andere Minderjährige werden sogar vor laufender Kamera missbraucht, vergewaltigt und gefoltert. Die Philippinen gehen mittlerweile verschärft gegen diese Form des Kindesmissbrauchs vor.

Ruby (21, Name geŠändert) wurde als MinderjŠährige füŸr Live-Sexstreams missbraucht. Hier in der Einrichtung einer christrlichen Hilfsorganisation in der NŠähe von Manila.

 

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Die Weltreporter feiern ihr 15-jähriges Bestehen

Das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandkorrespondenten feiert dieses Jahr sein 15-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben die „Weltreporter“ nach vorne geblickt – mit einer Diskussion zum Stand und zur Zukunft des Auslandsjournalismus. Dem Netzwerk gehören inzwischen rund 50 Korrespondentinnen und Korrespondenten an, die aus mehr als 160 Ländern berichten.

Im ausverkauften Grünen Salon der Berliner Volksbühne folgten über 100 Gäste der Diskussion unter dem Titel „Das drohende Verschwinden der Welt“. Qualitativ hochwertige Auslandsberichterstattung hat es zunehmend schwer. Schuld daran sind das Mediensterben in Deutschland, Sparvorgaben in den Redaktionen und Auslagerung von Risiken auf die Schultern der Korrespondentinnen und Korrespondenten. Wie kann angesichts dieser Ausgangslage die Zukunft aussehen?

Die Welt sei so unübersichtlich und schnell geworden, dass selbst gestandene Korrespondenten sie nicht mehr verstünden, räumte Jochen Wegner, Chefredakteur von „Zeit Online“ und Mitglied der Chefredaktion von “Die Zeit” zum Auftakt der Debatte ein. Bettina Rühl, Vorsitzende der „Weltreporter“ hielt dagegen: Tatsächlich sähen Korrespondenten oftmals Krisen voraus, nur würden Berichte über solche Entwicklungen von immer weniger Redaktionen veröffentlicht, bevor ein offener Konflikt ausgebrochen sei. Das Ergebnis: Die Öffentlichkeit werde immer häufiger von Ereignissen vermeintlich überrascht, die für Deutschland auch politisch und wirtschaftlich relevant seien.

Der klassische Korrespondent bleibt unentbehrlich

Für Journalist und Medienwissenschaftler Lutz Mükke bleibt der klassische Korrespondent unentbehrlich. Zwar könnten interessierte Leserinnen, Hörer oder Zuschauer durch soziale Netzwerke auf eine Vielzahl direkter Quellen zugreifen. Allerdings könnten nur Korrespondenten mit Ortskenntnis die Brückenfunktion übernehmen, die zur Einordnung und Vermittlung von Geschehnissen im Ausland gebraucht werde – gerade dann, wenn sich Ereignisse zu überschlagen scheinen. Dies werde jedoch schwierig, wenn man sich vor Augen halte, dass zum Beispiel in Subsahara-Afrika in den vergangenen Jahren mehr als ein Fünftel der Korrespondentenstellen deutschsprachiger Medien abgebaut wurden. Das Reisebudget sei sogar halbiert worden, so Mükke.

In diesem Zusammenhang „sehe ich eine große Zukunft für Netzwerke wie die Weltreporter, weil wir uns keine umfassenden Korrespondentennetzwerke mehr leisten können“, räumte Zeit-Chefredakteur Jochen Wegner ein.

Marcus Bensmann, Mitglied des Rechercheverbunds Correctiv, plädierte für die stärkere Nutzung der Möglichkeiten, die sich durch das Internet und die soziale Medien eröffnen. „Es gibt bei den Menschen eine erkennbare Sehnsucht nach Informationen und nach dem Verstehen der Welt.“ Bei dem stiftungsfinanzierten Modell von Correctiv würden zum Beispiel Nutzerinnen und Nutzer mit einbezogen und an Recherchen beteiligt.

Bettina Rühl bei der Podiumsdiskussion in der Volksbühne

„Das Internet ist nicht nur eine Bedrohung, sondern bietet auch Chancen für eine breitere Berichterstattung“, erklärte Bettina Rühl. Bislang sei darüber allerdings die Finanzierung hochwertigen Journalismus kaum möglich. Das zu ändern, gehört zu den, Zielen des Netzwerks für die nächsten Jahre. „Wir wollen uns an die geänderten Bedingungen anpassen, ohne unsere zentralen Ansprüche aufzugeben“, betonte Bettina Rühl: „qualitativ hochwertige Berichterstattung und beste Ortskenntnis“.

Die Veranstaltung wurde unterstützt von torial.com, der Online-Plattform für JournalistInnen, und der Deutschen Post DHL Group.

Fotos: Rainer Stosberg

 

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Nichts für Höhenängstliche

Schon lange wollte Weltreporterin Kerstin Zilm die Glasrutsche am zweithöchsten Wolkenkratzer in Los Angeles ausprobieren. Die führt – in mehr als 300 Metern Höhe – außerhalb des Gebäudes in einem leichten Bogen vom 70. Stockwerk drei Höhenmeter abwärts zu einer Aussichtsplattform. Dieses Jahr bekam sie endlich den Auftrag, zu rutschen und darüber zu schreiben. Als sie sich an den Beginn der Glasröhre setzte, wurde ihr dann allerdings doch etwas mulmig. Zwar war die Aussicht geradeaus fantastisch: schneebedeckte Berge, grüne Hügel, ein Polizeihubschrauber auf Augenhöhe. Aber der Blick hinunter auf Hochhausdächer, Mini-Autos und Mini-Palmen brachte ihren Magen zum Grummeln. Mutig stieß sie sich ab. Und der Spaß war in weniger als fünf Sekunden vorbei. Zum Glück bat der Fotograf sie, nochmal zu rutschen. Und nochmal. Und nochmal. Zwölf Mal. Schlecht war Kerstin da längst nicht mehr.

 

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Ausgezeichnet – Das tolle Gefühl, einen Preis zu bekommen

Kerstin Zilm mit den anderen Preisträgern und RIAS-Kollegen in Berlin.

“Die Preisträger sollen keine Dankesrede halten. Das wird schnell zu langweilig. Ich werde Euch einfach ein paar Fragen stellen.” Ich war sehr froh, als Petra Gute, die Moderatorin der Preisverleihung mir das sagte.

Dankesreden sind Landminen. Nicht dass ich schon viele gehalten hätte, aber von jahrelanger Berichterstattung über die Oscars weiss ich, dass selbst die erfahrensten Redner vergessen, Menschen zu danken, ohne die sie niemals einen Preis erhalten hätten. Oder dass Musik angespielt wird, bevor sie es tun können.

Ein paar Fragen also, das sollte nicht schwierig sein.

Ich war bei der Verleihung der RIAS Medienpreise in Berlin, in genau dem Funkhaus, in dem alles, was echtes Radio angeht, für mich angefangen hat, mit einem Volontariat kurz nach dem Mauerfall. Aufregende Zeiten waren das für das ‘Radio In the American Sector’ und deshalb auch für mich. Bis dahin wollte ich Hitparaden DJ werden, beim Radio Platten auflegen und in Wunschsendungen mit Hörerinnen und Hörern reden. Kaum war ich einmal mit Mikrofon und Aufnahmegerät unterwegs in Berlin, wusste ich: was ich wirklich will, ist Reporterin werden.

“And the rest” – wie man so schön in meiner neuen Heimat sagt, “is history.”

Ausgezeichnet wurden an dem Abend JP Burgard aus dem ARD-Fernsehstudio in Washington DC, Lara Wiedeking vom ZDF in Washington DC, Arndt Peltner, freier Korrespondent und Radioshow-Moderator aus Oakland, Ainara Tiefenthäler und Shane O’Neill von der New York Times, und ich. Die ausgezeichneten Werke befassen sich mit Themen vom Verschwinden der Gletscher in Alaska bis zur Geschichte des Stacheldrahts und dessen Bedeutung für die US-Gesellschaft.

Ich bekam den Preis für eine Serie von Beiträgen darüber, wie sich die US-Gesellschaft mit der Präsidentschaft von Donald Trump geändert hat, und wie die Menschen in Kalifornien darauf reagieren.

Weltreporterin Zilm mit RIAS Berlin Geschäftsführer Erik Kirschbaum und Moderatorin Petra Gute

Nach einer leidenschaftlichen Rede des CBS-Reporters Bill Whitaker und einem Appell an alle Journalisten, alles daran zu setzen, akkurat und ehrlich über aktuelle Ereignisse zu berichten, war es endlich so weit. Die Preise wurden vergeben.

Ich überlegte, wie ich in das Gespräch mit der Moderatorin irgendwie einbauen kann, welche Bedeutung der RIAS für mich hat und auch dass die RIAS Berlin Kommission buchstäblich mein Leben veränderte.

Dank der Kommission war ich 1994 acht Wochen in den USA, bei Politikern, Universitäten, Fernseh- und Radiostationen. Dort entdeckte ich meine Faszination für das Land und die Menschen, die dort wohnen. Über mehrere Stationen bekam ich 2003 den Posten der ARD-Korrespondentin in Los Angeles. 1998 in Washington als Juniorkorrespondentin für das Deutschlandradio lernte ich einen netten Mann kennen. Mit dem bin ich inzwischen verheiratet. Das wäre alles nicht passiert ohne die RIAS Berlin Kommission! Und ich wäre sicher nicht ARD-Westküstenkorrespondentin geworden. Irgendwie wollte ich das alles unterbringen ohne eine Dankesrede zu halten.

Na endlich! Moderatorin Petra Gute und Kerstin Zilm

Ja, und dann stellte Petra Gute mir die erste Frage: “Was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass Sie den Preis bekommen?” Kurz dachte ich an all die diplomatischen Dinge, die ich sagen könnte/sollte. Aber es platzte ehrlich aus mir heraus:

“Na endlich!”

Seit zehn Jahren nämlich reiche ich Beiträge ein für den Preis. Ich hatte schon fast aufgegeben.

Zum Glück lachte der ganze Saal. Und irgendwie hab ich in den nächsten Antworten dann auch all die Sachen untergebracht, die ich auch noch sagen wollte.

 

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WR Podcast #4: Alles eine Frage der Zeit

Weltreporter sind in fast allen Zeitzonen zu Hause. Das hilft uns bei der Arbeit, sorgt für Aufträge, kann aber auch für Verwirrung sorgen. Welche das sind, erzählen unsere Reporter auf einer 20-minütigen Reise um die Welt, aus Regionen, in denen die Uhren oft gründlich anders ticken als in Berlin oder in Bremen. Im vierten Podcast der Weltreporter geht es um Zeit – um Rhythmus, Ungeduld und Warten, um Verschiebung der Zeit und ihren Wert. Ein Dutzend Reporter nehmen Sie mit auf einen sehr persönlichen Ausflug in ihren Alltag und an Orte, von denen wir sonst für Sie – Leser und Hörer – in deutschen Medien berichten. 

Weltreporter schreiben und recherchieren nicht nur auf sechs Kontinenten, einige von uns nutzen die Zeitverschiebung, die diese Arbeit mit sich bringt auch für Jobs, die es vor fünf Jahren noch gar nicht gab. Christina Schott hätte, als sie als Journalistin nach Indonesien zog, nie gedacht, dass ausgerechnet die Zeitverschiebung ihr mal eine familienfreundliche Arbeitszeit verschaffen würde. Wie viele Kollegen in der Region sorgt sie mehrere Tage im Monat an einem online Newsdesk dafür, dass die Webseiten großer deutscher Tageszeitungen 24 Stunden aktuell bleiben. Und wenn dann kurz vor ihrem Feierabend ein Vulkan spuckt, bricht bei ihr kein Stress aus – dann übergibt sie an die Frühschicht in Berlin oder Frankfurt. 

Zug verpasst? Das kann in den Niederlanden Folgen haben…

“Meine Arbeitstage in Seoul sind oft endlos lang”, sagt hingegen Fabian Kretschmer, und er sagt auch, warum das so ist und er eigentlich nichts dagegen hat. Der Südkoreakorrespondent erinnert außerdem an einen historischen Moment, in dem in seiner Region die Uhr zum politischen Theater wurde, und eine halbe Stunde kurzfristig die Weltpolitik durcheinander brachte.

Möge dir Zeit übrig bleiben

Kerstin Zilms Großmutter wünschte der Enkelin in Kalifornien einst, ihr möge Zeit übrig bleiben. Auf Kerstins  “Auf Wiedersehen” reagierte die alte Dame gerne mit einem “so Gott will und die Heiligen einstimmen.” Ein Spruch, den Jürgen Stryjak in Kairo in ähnlicher Variante fast häufiger hört als ein “Guten Morgen”; denn zur präzisen Zeiteinschätzung gehört in Ägypten das Inschallah إن شاء الله  – so Gott will. Ob beim Schraubeneinkauf oder im Kebab-Restaurant – der Herrgott hat bei der Verwirklichung von Wünschen offenbar seine Hände im Spiel. In Stryjaks Wahlheimatstadt, die den Korrespondenten zuweilen an eine Science-Fiction-Vision aus dem Filmklassiker “Blade Runner” erinnert, kann die Formel “In schā’a llāh” sogar Einfluss auf das Tragen eines Sicherheitsgurtes haben… 

Benjamin Wamocho studiert Tiermedizin und unterrichtet Musik in Nairobi

Gott hat den Europäern die Uhren gegeben und den Afrikanern die Zeit – diesen Spruch zitieren Afrikaner gerne, wenn mal wieder ein Europäer ausflippt, weil jemand Stunden nach dem vereinbarten Termin kommt. Bettina Rühl, die auch nach 30 Jahren Arbeit in Afrika noch zuweilen mit dem dortigen Zeitverständnis hadert, hat in Kenia einen Experten für Zeit und Rhythmus befragt: einen Musiker. Benjamin Wamocho erklärt ihr wunderbar, warum nicht immer schlecht sein muss, wenn man eher spürt, wann es Zeit für etwas ist, als ständig die Zeiger eines Geräts bestimmen zu lassen.

Ungeduld ist die Tugend des Korrespondenten

Marc Engelhardt, der von der Schweiz aus die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates verfolgt, muss bei der Arbeit mit einem anderen Aspekt der Zeit zurechtkommen: “In der in Diplomatie ist Zeit auch Macht”, weiß er. Je länger etwa in New York über Syrien-Sanktionen verhandelt wird, um so mehr Menschen sterben im Bombenahgel in Ostgutha. “Warten können mag eine Tugend der Diplomaten sein – Ungeduld ist die Tugend des Korrespondenten”, sagt Marc Engelhard.

Bei Kerstin Zilm in Los Angeles ticken die Uhren anders, erst recht zur Oscar-Zeit

Folgen Sie uns auf dieser akustischen Reise, und freuen Sie sich auf einige überraschende Erkenntnisse:
Wie tickt Los Angeles und wann ist der richtige Moment für eine Hochzeitsparty in Tunesien? Wie unterscheiden sich die südafrikanischen Gummizeiten right now von just now und now now? Weshalb schüttelt Christine Wollowski in Brasilien immer noch den Kopf und verabredet sich Tina Schott längst nicht mehr an Straßenecken? Welche Folgen kann ein verspäteter Zug im superpünktlichen Holland haben, und wie genau klingt die Schafszeit in einem südfranzösischen Dorf? – Antworten auf all diese Fragen und einiges mehr hören Sie im Weltreporter Podcast #4, zusammengestellt von unserem Podcast-Team in fünf Zeitzonen: Kerstin Zilm, Birgit Kaspar, Jürgen Stryjak, Sascha Zastiral und Leonie March. 

PS: Sie haben unsere ersten Podcast-Ausgaben über Licht und Identität verpasst? Sie finden Sie nach wie vor in der Soundcloud und natürlich auf unsere Homepage.

 

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Buschtrommel statt “Bunte”

„Gone bush“ heißt es in meiner Abwesenheitsnotiz, denn ich verbringe den Sommerurlaub wie jedes Jahr in unserem Hauslaster-Domizil an der wilden Westküste. Der steht hoch oben auf einem dicht bewachsenen Hang über tosendem Meer. Solarstrom, Plumpsklo, kein Internet, kein Handyempfang. Das ist Segen und Fluch, mal wieder.

Es war vor exakt sechs Jahren, als ich mich auf dem Fahrrad die steile Küstenstraße entlang bis zum nächsten Café in Punakaiki quälte, um dort einen Blick auf die Zeitung vom Vortag zu erhaschen. So aktuell sind dort die Auslieferungszeiten. Dafür kann man immer mit Sandfliegen rechnen. Solch kleine Mankos machen sie dort mit einmaliger Whitebait-Pizza und singenden Einheimischen wett, die jeden Freitag bis in die Puppen musizieren.

So kam es, dass ich als Letzte im Lande erfuhr, was dem bekanntesten wie dicksten Deutschen in Aotearoa widerfahren war: Kim Dotcoms Villa außerhalb Aucklands war in einer Großrazzia, wie sie das Land noch nie gesehen hatte, gestürmt worden. Der Hausherr saß im Knast – und die Auslandskorrespondentin am schönsten Arsch der Welt, weit von jedem Flughafen oder WLAN-Anschluss entfernt. Tage verbrachte ich telefonierend in dem Café, sah viele Touristen kommen und gehen und bekam am Ende eine halbwegs seriöse Geschichte zustande.

Jedes Mal, wenn ich das Pancake Rocks Café betrete, fällt mir kurz der von Dotcom versaute Urlaub ein. Und jedes Mal schwöre ich, dass sich solche Tiefpunkte statistisch nicht wiederholen können. Denn Januar ist Sommerpause, da ruht das kiwianische Leben komplett. Nicht ganz. Ein Leben begann längst woanders – im Bauch unserer neuen Premierministerin. Jacinda Ardern, keine drei Monate im Amt, und zack-bumm, schwanger. Ja, Wahnsinn! Eine Weltnachricht. Und ich mal wieder in seliger Unerreichbarkeit im Busch.

Darüber lachten wir dann alle beim letzten Grillen vor dem Hauslaster. Stießen auf unsere coole PM an, die das babytechnisch sicher alles gewuppt kriegt. Sonnten uns als eingewanderte Spät-Kiwis in dem Glanz, mit Jacinda ein bisschen internationalen Eindruck gemacht zu haben, auch wenn mein medialer Beitrag dazu bis dato noch fehlte. Bis unser frisch angereister Gast, der früher an dem Tag Empfang hatte, einen Schluck vom Bier nahm und beiläufig sagte: „Aber dass Kim Dotcom gerade wieder geheiratet hat und den neuseeländischen Staat in Milliardenhöhe verklagen will, das weißt du?“

Der MegaUpload-Krösus, dessen schillernde Laufbahn gerade in einem dollen Dokumentarfilm beleuchtet wurde, hatte ausgerechnet den Jahrestag seiner Verhaftung für die zweite Hochzeit gewählt – um, wie er twitterte, etwas Schlechtes in Gutes verwandeln. Nach wie vor schlecht für mich. Welch ein Sommer. Schlagzeilen sprudeln in die Welt, die zusammen eine halbe „Bunte“ füllen könnten, und ich habe nichts als eine Buschtrommel. Ich bin dann mal Wellenreiten.

 

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WR Podcast #3 Lichte Momente

Fehlt Ihnen im Nordhalbkugel-Winter zuweilen eine Dosis Licht? Australien wird mit Sonne und Hitze derzeit reichlich versorgt, vorgestern war es in Sydneys Westen gut beleuchtete 47 Grad. Die kann ich Ihnen nicht um die Welt schicken, aber etwas deutlich Besseres: Nehmen Sie sich etwas Zeit und reisen Sie mit uns in zwanzig Minuten um die Welt: Mit dem Weltreporter-Podast #3. In der dritten Audio-Reise des Journalisten-Netzwerks geht es um Licht. Begleiten Sie Weltreporter an Orte, an denen Licht verzaubert, wo Lichter aufgehen und dorthin, wo ein ganzes Land das Licht am Ende eines Tunnels feiert.

Aber Vorsicht, die erleuchtete Welt der Reporter hat ein paar Überraschungen für Sie parat: Unsere Kollegin in Südosteuropa hat ein besonderes Lichtspektakel sogar richtig sauer gemacht. Denn dort gehen die Uhren anders – sagt eine, die es wissen muss: Weltreporterin Danja Antonovic aus Belgrad. Sie erklärt Ihnen, warum dort die Weihnachtsbeleuchtung im September an- und erst im Februar wieder ausgeschaltet wird. Sie weiß auch, was über diese Lichterflut jene Belgrader denken, die selbst kaum genug Geld für die eigene Stromrechnung haben.

Belgrads winterliches Lichtermeer

Die meisten Momente, die das Podcast-Team der Weltreporter – Kerstin Zilm, Sascha Zastiral, Jürgen Stryjak, Birgit Kaspar und Leonie March  – zusammengetragen hat, sind aber auf eher positive Art erhellend.

Auf der Audio-Reise zu den Einsatz- und Arbeitsorten von Weltreporter-Kollegen in aller Welt erfahren Sie von ungewöhnlichen Augenblicken in Tschechien, Australien und Kairo. Außerdem erleben Sie einen eiskalten Sonnenaufgang im Zelt über den Wolken in den Pyrenäen.

In Kenia, drei Autostunden von Nairobi entfernt, rennt Bettina Rühl vor Sonnenaufgang durch die Savanne. Warum sie dabei von Massai bewacht wird, erfahren Sie ebenfalls im Weltreporter Podcast #3.

Über den Wolken in den Pyrenäen

Von ganz persönlichen und manchmal sogar magischen Momente, die mit Licht und Schatten zusammenhängen, berichten Weltreporter aus dem nächtlichen Paris und einem Delfter Museum, aus Kairos Straßen und vom Strand in Lombok.

Wir haben Licht am Ende des sprichwörtlichen Tunnels in Tschechien gefunden und schauen in Chile vorbei, wo endlich neue, günstige Solaranlagen gebaut werden. Im Podcast erzählt unser neuer WR-Kollege in Südkorea, welche Hoffnungsschimmer die Einwohner von Seoul haben, angesichts der eher düstern Angst vor einem drohendem Atomkrieg. Sie erfahren, weshalb nicht mehr viele serbische Mädchen Svetlana (“Tochter des Lichts”) genannt werden und folgen Marc Engelhardt 175 Meter unter die Schweizer Erde, in die Tunnel des Europäischen Kernforschungszentrums. Auch dort funkelt ein besonderes Licht.

Gamelan-Musiker in Indonesien

Zu einem Klang- und Licht Erlebnis der historischen Art nimmt Christina Schott Sie in die Sultansstadt Jogjakarta mit. Dort wird seit Jahrhunderten die Kunst des Schattentheaters zelebriert, ein Meisterwerk des Kulturerbes, an dem heute auch Touristen teilnehmen können. Lauschen Sie dem Klingklong der indonesischen Gamelan, deren fünf- oder siebentönige Tonskalen vielleicht Geister vertreiben, mit Sicherheit aber die Zuhörer in eine ganz andere Welt versetzen.

An einem wiederum anderen Ende des Globus trifft sich die größte indische Bevölkerungsgruppe außerhalb Indiens zu einer Prozession, in der mit Lampen, Gesang und Farben der Sieg des Lichts über die Dunkelheit gefeiert wird. Auf welchem Kontinent diese Zeremonie die Straßen in ein spirituelles Volksfest verwandelt, erfahren Sie ebenfalls im Weltreporter-Podcast #3.

Sonnenaufgang in Kenia

PS: Alle drei Monate erzählen Weltreporter von Jobs und Recherchen zwischen Durban und Dänemark und laden ein zum Blick hinter die Kulissen, nehmen Sie mit in den Korrespondentenalltag oder teilen persönliche Eindrücke.

Sie haben die ersten WR-Podcast verpasst? Hören Sie sie in der Soundcloud an. Sie treffen einen Weltreporter-Gründer, hören, welches Geräusch unsere Kollegin in Los Angeles zuweilen von der Arbeit abhält, welche Eigenschaften zum Job gehören und was Kollegen in Krisenregionen auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten motiviert. Im zweiten Podcast geht es um Identität.

 

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Kein Lagerfeuer zu Weihnachten

Ja, heiß ist es auch, ist schließlich Sommer in Australien. Vor allem aber ist es derzeit rauchig um mich rum. Seit zwei Wochen fackeln in der Nähe Naturschutzgebiete ab, nicht groß genug für die Weltschlagzeilen, (“Waldbrände? Ich dachte, es brennt nur in Kalifornien?”), aber schon einigermaßen bedrohlich.

Wir husten, die Feuerwehren und Hubschrauber löschen, und die heimische Tierwelt versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Nicht immer mit Erfolg,

Koalas beispielsweise sind auf der Flucht vor Flammen eher langsam. Ein Team von Rangern und Tierschützern päppelt überlebende Beutler nach solchen Ereignissen wieder auf. Wenn sie zu retten sind. Der “Busch” – wie Australier die waldigen und eher ungezähmten Ecken der Natur jenseits der Großstädte nennen – regeniert sich. Beuteltiere, Reptilien und Vögel meist nicht. Das erinnert mich dran, dass mein Rauch-Gejammer ein Elitär-Problem ist: Die Augen sind rot, der Brandgeruch nervt, und die Hubschrauber über dem Office lassen die Tastatur vibrieren. Aber immerhin hat’s mir nicht das Fell versengt.
Zumal die “Bushfire Season” – ja, das heisst in Australien wirklich so – noch gar nicht richtig angefangen hat. Von Mai bis Oktober gab es in vielen Regionen die höchsten Temperaturen seit eh und je, Klimaleute veröffentlichen Aussichten auf einen besonders heißen Sommer, und damit geht die brandgefährliche Jahreszeit in den meisten Teilen des Kontinent jetzt erst richtig los. Na dann,…
Wir machen jedenfalls dieses Jahr zu Weihnachten kein Lagerfeuer. Etwas Regen wäre auch schön, falls jemand eine Wolke übrig hat…

 

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Bettina Rühl ist neue Vorsitzende von Weltreporter.net

Hamburg, 15.11.2017 – weltreporter.net, das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondenten hat einen neuen Vorstand.

Bettina Rühl wurde zur neuen 1. Vorsitzenden von Weltreporter.net gewählt. Sie arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten über Afrika, seit 2011 von Kenia aus. Für ihre Features, Reportagen und Berichte wurde Bettina Rühl vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Medienpreis der Kindernothilfe„ dem Medienpreis Entwicklungspolitik und dem Preis der Leipziger Medienstiftung. Die Auszeichnung ehrt Journalisten, Verleger und Institutionen, die sich mit hohem persönlichem Einsatz für die Freiheit und Zukunft der Medien engagieren.

Neue 2. Vorsitzende ist Sarah Mersch. Sie lebt und arbeitet seit 2010 in Tunesien, wo sie seit 2011 den politischen Umbruch, erste demokratische Gehversuche und Rückschläge beschreibt. Neben ihrer journalistischen Arbeit trainiert sie für die DW Akademie junge Journalisten in Nordafrika und im Nahen Osten.

Zum neu gewählten globalen Vorstandsteam gehören außerdem Christina Schott (Jogjakarta) als Schatzmeisterin sowie Kilian Kirchgeßner (Prag) und Mathias Peer (Bangkok) als Beisitzer.

 

 

Bettina Rühl dankt dem scheidenden Vorstand unter Kerstin Schweighöfer (Den Haag) für seine Arbeit: „Mit dem neuen Vorstand wird das Netzwerk Weltreporter weiterhin für qualitativ hochwertige Auslandberichterstattung stehen.“

Auch wenn Journalisten in den vergangenen Jahren unter Konkurrenzdruck der kostenlosen sozialen Medien geraten sind – für den mancherorts bereits angestimmten Abgesang auf die klassischen Medien sei es zu früh, sagt Rühl: „Das Bewusstsein für die gesellschaftliche Bedeutung einer redaktionellen Qualitätskontrolle wächst wieder. Wir wollen das Neue mit gestalten um sicher zu stellen, dass auch in einem neuen Umfeld gut recherchierte und spannend erzählte journalistische Inhalte möglich sind.“

 

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Unabhängigkeit! – Das Buch der Weltreporter zum Thema Separatismus

Der eskalierende Streit um ein unabhängiges Katalonien, die Auseinandersetzung um einen Kurdenstaat im Norden Iraks, die Referenden für mehr Autonomie im Norden Italiens: Kein Thema ist derzeit so heiß wie Separatismus.

“Unabhängigkeit! Separatisten verändern die Welt”, erschienen im Verlag Christoph Links

Die Weltreporter beleuchten das Thema in ihrem aktuellen Buch von allen Seiten, in Berichten aus 18 Staaten und solchen, die es werden wollen. Was hat die katalanische Unabhängigkeitsbewegung so stark gemacht, wie steht es um die schottischen Separatisten und warum erkennt niemand die seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreichen somaliländischen Separatisten an? Wie immer waren wir vor Ort, haben mit den Menschen gesprochen und ihre Geschichten und die Hintergründe aufgeschrieben.

Das Ergebnis: 272 Seiten mit Reportagen aus allen Ecken der Welt und vielen Antworten auf Fragen, für die in kurzen Artikeln und Aufsagern kein Platz ist.

“Unabhängigkeit! Separatisten verändern die Welt” ist erschienen im Verlag Christoph Links und bei jedem Buchhändler sowie online erhältlich.

 

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WR Podcast #2 – Fremde Heimat, vertraute Fremde

Kennen Sie das: Wenn die Fremde vertraut wird, und die Heimat eher befremdlich? Wir Weltreporter erleben dieses seltsame Spannungsverhältnis häufig, privat ebenso wie während Recherchen für Reportagen. Identität – was macht uns aus, was ist wo vertraut? Wie funktioniert dieses Phänomen “Heimat”, wenn man sich an vielen Orten zuhause fühlt – oder nirgends so richtig? Im Weltreporter-Podcast #2 ist das Podcast-Team für Sie diesen Fragen nachgegangen.

Die Idee entstand durch eine Geschichte, die Afrika-Weltreporterin Bettina Rühl aus Somalia mitbrachte. Bettina hatte in Mogadischu Menschen getroffen, die trotz Krieg in die somalische Hauptstadt zurückgekehrt sind: Von sicheren Orten, an die sie geflüchtet waren, zurück an einen sehr riskanten.

Abdullahi Muse Hassan in seiner Druckerei in Mogadischu.

Warum geht man in die Heimat zurück, auch wenn es gefährlich ist? Warum gehen andere nicht zurück – wie viele Weltreporter?

In Skype-Gesprächen über das Thema Identität zwischen London, Kairo, Durban, Südfrankreich und Kalifornien kamen die WR-Podcaster auch schnell darauf, warum sie genau dort sind, wo sie sind – und was sie manchmal dort vermissen. Und sie haben andere Reporter gefragt, was ihnen – außer Vollkornbrot – fehlt: einen richtig schönen deutschen Streit, Gemütlichkeit, Biergärten, deutsche Buchläden, Schnee und Radwege spielten in den Statements aus aller Welt ihre Rollen.

Birgit Kaspar, Weltreporterin in Frankreich, hat schon an vielen Orten gelebt. Für sie ist “Identiät” auch ein Spannungsfeld zwischen Polen. “Identität” schmeckt für sie manchmal orientalisch oder klingt Kölsch, zuweilen ist sie auf ewig “l’Allemande” und zugleich französische Nachbarin. Außerdem hat Birgit Kaspar mit Youssouf gesprochen – er gehört zu denen, die nicht zurück wollen.

Kirstin Ubesleja und ihre drei Pässe

Youssouf ist einer von einem Dutzend Somaliern, die in Saint Martory auf ihre Papiere warten und Französisch lernen, damit sie sich im Gastland integrieren können. Was er trotz einiger Hürden an der Fremde liebt, hören Sie im Podcast.

Wer Gespräche über die doppelte Staatsbürgerschaft knifflig findet, sollte Kerstin Zilm zuhören. Die Reporterin hat in Los Angeles Kirstine Upesleja interviewt, eine Frau, die staatenlos geboren ist und heute gleich drei Pässe hat. Kirstine Upeslejas Eltern stammen aus Lettland, sie ist in Münster aufs lettische Gymnasium gegangen und hat eine “emotionale Beziehung” zu dem Land, das sie oft besucht, in dem sie aber nie gelebt hat. Sie lebt in Amerika, spricht aber (ihrer Ansicht nach) nur deutsch perfekt. Im Podcast erzählt sie, wie die mit einem derartigen Identitätenmix klarkommt.

Jürgen Stryjak isst echt deutsch: Original German Döner Kebab.

Seit über 25 Jahren ist Jürgen Stryjak Korrespondent in Kairo, und für den Podcast hat er sich mit dem wichtigsten aller Themen der Heimatferne beschäftigt: Mit dem Essen. Er verrät, was Ägypter meinen, wenn sie so richtig ägyptisch (zum Beispiel KFC) essen gehen wollen. Und er lädt ein zum ersten “echt deutschen Döner Kebab” in Kairo. “Überfremdung” im Doppeltwist, oder upside down würde ich sagen – aber hier unten auf meiner Globushälfte fließt das Wasser ja eh andersrum ab, heißt es.

Viel Spaß mit dem zweiten Podcast der Weltreporter, diesmal zusammengestellt von Kerstin Zilm, Jürgen Stryjak, Birgit Kaspar, Leonie March und Sascha Zastiral.

PS: Sie haben den ersten WR-Podcast verpasst? Hören Sie ihn in der Soundcloud an. Alle drei Monate erzählen weltreporter von Jobs und Recherchen zwischen Durban und Dänemark und laden ein zum Blick hinter die Kulissen, mitten in den Korrespondentenalltag.

Im Podcast #1 treffen Sie einen Weltreporter-Gründer, hören, welches Geräusch unsere Kollegin in Los Angeles zuweilen von der Arbeit abhält, welche Eigenschaften zum Job gehören und was Kollegen in Krisenregionen auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten motiviert.

 

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Katalonien: Vergiftetes Klima – auf Jahre

Soll keiner sagen, er hätte es nicht gewusst. Seit Jahren zanken sich die katalanische Regierung Generalitat und die Zentralregierung in Madrid um ein Referendum über die Unabhängigkeit der Region im Nordosten. Keine Seite wich von ihrer Maximalforderung zurück: Barcelona setzte auf „Referendum, si o si“; Madrid hielt am „Ist rechtlich nicht möglich“ fest und verweigerte politische Zugeständnisse jeder Art.

Vor dem Büro des katalanischen Vizepräsidenten demonstrieren Unabhängigkeitsbefürworter gegen Festnahmen

Jetzt spitzt sich die Lage von Tag zu Tag zu. Mit der Organisation des für den 1. Oktober angesetzten , umstrittenen Referendums beaufragte Beamte der katalanischen Regionalregierung wurden zeitweise verhaftet. Madrid sendet 5000 Beamte der Policia Nacional und der Militärpolizei Guardia Civil, an die viele noch ungute Erinnerungen aus der Franco-Zeit haben, in die renitente Region und stellte auch die autonome, katalanische Landespolizei Mossos d’Esquadra unter zentralstaatliches Kommando. Und auf den Straßen rufen die Menschen „Raus mit den Besatzungskräften“. Die Hafenarbeiter weigern sich, die auf zwei Kreuzfahrtschiffen untergebrachten spanischen Polizisten zu beliefern und veranstalten frühmorgendliche Hupkonzerte. Dass das umstrittene Referendum stattfindet, ist so gut wie ausgeschlossen: Die Wahlkommission hat sich aufgelöst, Wahlzettel und -listen wurden beschlagnahmt. Unter diesen Bedingungen ist höchstens irgendeine Art von Protestwahl möglich.
Das politische Klima aber wird auf Jahre vergiftet bleiben. Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Menschen gesprochen, die mit dem Traum von einer unabhängigen katalanischen Republik eigentlich nicht viel am Hut hatten, jetzt aber wütend und empört über das Verhalten aus Madrid sind. Schlechter hätte die Regierung Mariano Rajoy die Katalonienfrage nicht lösen können.

 

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Podcast #1: Die Weltreporter persönlich

Die Weltreporter im Gespräch – Ab sofort lassen wir Sie noch näher ran, an unsere Arbeit in aller Welt: Im WR-Podcast erzählen künftig alle drei Monate Korrespondenten von Jobs und Recherchen zwischen Durban und Dänemark, geben einen Einblick  in den Korrespondentenalltag, live & lebendig. Wir schalten unsere Mikrophone für Sie auf Empfang und laden ein in unsere Schreib- und Tonbüros auf fünf Kontinenten. Der erste WR-Podcast führt hinter die Kulissen des größten Korrespondenten-Netzwerks freier Auslandsjournalisten, das über 47 deutschsprachige Reporter in fast ebenso vielen Ländern vereint.

Kerstin Zilm im per Wolldecke isolierten Studio.

Wer sind die Weltreporter-Journalisten und was bewegt sie? Erfahren Sie, unter welchen Bedingungen Geschichten entstehen, die Sie später gut gemischt online oder im deutschen Radio hören. Verbringen Sie 20 Minuten mit uns – jenseits der Schlagzeilen. In diesem ersten Podcast treffen Sie einen Weltreporter-Gründer, hören, welches amerikanische Geräusch unsere Kollegin in Los Angeles zuweilen von der Arbeit abhält und was Kollegen in Krisenregionen auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten motiviert.
Ganz nebenbei bekommen Sie Antworten auf eine Reihe von Fragen, die Sie sich vielleicht noch nie so gestellt haben 😉 Zum Beispiel:

  • Wie lange dauert es, einen Dänen kennenzulernen?
  • Wer ist die erfolgreichste Immigrantin der Niederlande?
  • Wo treffen sich Karel Gott und Prager Hochkultur?
  • In welcher Region ist ein Plan B überlebenswichtig?
  • Was bedeutet Reporterglück in Tunis?
  • Und wie genau klingt es, wenn ein südafrikanisches Nashorn ins Mikrophon atmet?

Ägypten-Korrespondent Jürgen Stryjak während des Volksaufstandes 2011 auf dem  Tahrir-Platz.

Der erste Weltreporter Podcast widmet sich aber auch ernsteren Themen: Im Interview berichtet Jürgen Stryjak, der seit 17 Jahren in Kairo arbeitet, vom Arbeit und Leben in einem Land, in dem Anschläge und Unterdrückung zum Alltag gehören. Er schildert, welche Spuren es hinterlässt, wenn man tagein tagaus über Menschen berichtet, die Gewalt oder Terror erleben, die desillusioniert oder hoffnungslos sind. Jürgen Stryjak erzählt auch, was ihn motiviert, sich von schwierigen Situationen nicht unterkriegen zu lassen. Er erzählt von einer Begegnung mit Amir Eid und seiner Indie-Band Cairokee, die er bei Proben in Kairo traf. Auch sie lassen sich nicht einschüchtern. Eines ihrer jüngeren Lieder heisst Akhr Oghniyya – zu deutsch: »Das letzte Lied«. Selbst wenn dies mein letztes Lied wäre, singt Amir Eid im Refrain, selbst dann würde ich noch von der Freiheit singen.

Janis Vougioukas nach der WR-Gründung im Jahr 2007 während einer Recherche über Folgen der Umweltverschmutzung in China.

Außerdem lernen Sie Janis Vougioukas kennen. Janis ist heute Stern-Reporter in Shanghai. Er war es, der im Jahr 2000 mit einer Handvoll anderer Journalistenschüler die Idee hatte, das Weltreporter-Netzwerk zu gründen. Im Gespräch erinnert sich Janis daran, wie damals auch die Einsamkeit als Freischaffender mit ein Motiv dafür war, das Abenteuer Weltreporter zu wagen. “Wir waren überrascht, wie viel man über Internet-Abstimmungen und Skype effizient, global und günstig organisieren konnte”, erzählt Janis Vouigoukas als ihn Kerstin Zilm über diverse Zeitzonen hinweg während einer Recherche in Hongkong erreicht. Damals begann die Medienkrise, und er und die 20 ersten Weltreporter waren begeistert, wie rasch sich die Existenz des weltweiten Reporternetzwerks in den Redaktionen herumsprach: “Es war toll zu sehen, wie dankbar die Redaktionen, die nicht mehr selbst schnell jemanden losschicken konnten oder wollten, unser Angebot angenommen haben.” Heute gehören zum Netzwerk 47 freie Korrespondenten in aller Welt und 27 Kollegen, die inzwischen nicht mehr als freie Journalisten arbeiten oder wieder von Deutschland aus berichten.

Leonie March interviewt einen Fährtenleser.

Zusammengestellt haben diese “20 Minuten Weltreporter persönlich” unser Podcast-Team in drei Kontinenten und diversen Zeitzonen. An Mikro und Mischpult agierten Kerstin Zilm in Los Angeles, Leonie March in Durban und Sascha Zastiral in London.

Viel Spaß beim Zuhören, und bis zum nächsten Podcast – in spätestens drei Monaten.

Im Helikopter über Durban

 

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EUROPA UND DIE 20 GRANDEN

Ein Abend mit den Weltreportern in Hamburg am Freitag, 30. Juni 2017, 19 Uhr 

Putin, Erdogan, Merkel, Trump, Juncker und all die anderen Mächtigen an einem Tisch: Probleme gäbe es für die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten Anfang Juli genug zu lösen. Beispiele gefällig? Klimaschutz: Den hat der US-Präsident gerade aufgegeben. Ein Ende von Krieg und Chaos: Nicht nur Saudi-Arabien heizt die Lage global weiter auf. Der Kampf gegen Ungleichheit und Armut: Doch die Europäer wollen nur, dass die Armen bleiben, wo sie schon immer waren. Vor dem G20-Gipfel in Hamburg gibt es nichts als Fragezeichen.
Eine Woche vor dem Spitzentreffen laden deshalb die Korrespondenten des Netzwerks Weltreporter zu einer Runde Ausrufezeichen ein: Was denken die Menschen in Russland, der Türkei oder Ägypten über diese 20 Granden, um die sich die Welt vermeintlich dreht? Was sind in den G20-Staaten und darüberhinaus die wirklichen Probleme? Und wer führt künftig die freie Welt an: Macron? Xi Jinping? Oder etwa das Volk?
Kommen Sie und sprechen Sie mit uns: Wir laden Sie ein zu kurzen, knackigen Live-Berichten von Korrespondenten aus der ganze Welt, die (nicht nur) dort leben, wo die G20 regieren. Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion mit Ihnen und eine Abstimmung zum Schluss.
Weltreporter.net ist das größte Netzwerk deutschsprachiger Auslandskorrespondenten und berichtet insgesamt aus 160 Ländern weltweit. www.weltreporter.net 
Europa und die 20 Granden
Freitag, 30. Juni, 19 Uhr
Thalia Nachtasyl
Alstertor 1
20095 Hamburg
Eintritt: 7 Euro
Karten bekommen Sie auf der Webseite des Thalia-Theaters

 

 

 

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Die Rückkehr der Angst – Feature bei SWR2

2017 ist Putin seit fünf Jahren wieder Präsident Russlands. In der Zeit hat sich viel verändert. Am schlimmsten ist, dass die Angst zurückgekehrt ist.
Wie das geht und welche Folgen das für Demokraten hat, erzählt das Feature anhand von vier Menschen, die ich seit dem Winter 2011/2012 immer wieder getroffen habe. www.russianangst.de

Die Sendung kann man hier hören:
http://nachmoskau.de/archives/2997

Und man kann das Buch lesen, das die “Russian Angst” beschreibt.
http://www.russianangst.de

 

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24. Geschenk: das russische “Dinner for One”

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Am 24. Dezember bleibt es unter den meisten russischen Weihnachtsbäumen noch leer. Seit Sowjetzeiten findet die Bescherung erst zum Jahreswechsel am 31. Dezember statt. Bis dann wird auch ganz normal durchgearbeitet, erst nachher beginnen die großen Ferien, die meist bis zum 8. oder 9. Januar dauern. Gerne wird während dieser Tage auch der Film  “Ironie des Schicksals” geschaut, unser heutiger Tipp für den Adventskalender.51jxnxoxr4l

Der Film des sowjetischen Regisseurs Eldar Ryaznanov stammt aus dem Jahr 1975 und erzählt die Geschichte von Schenja, der nach einem Besuch zu Sylvester in der Banja völlig betrunken irrtümlicherweise nach Leningrad fliegt und in der Überzeugung bei sich zu Hause zu sein, in eine fremde Wohnung fährt, dort Nadja kennenlernt und sich in sie verliebt.

Die DVD von “Ironie des Schicksals” gibt es auf Russisch mit deutschen Untertiteln.

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23. Geschenk: Aleppo-Seife

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Bevor der Name der Stadt für Krieg, Vertreibung und Zerstörung stand, verbanden viele Menschen auch Körperhygiene mit Aleppo. Genauer gesagt: Seife. Schon seit dem siebten Jahrhundert n. Chr. verkochen Hersteller in Syrien pflanzliche Öle – oft gepresst aus Oliven – mit Lauge. Ihr Verfahren verbreitete sich von Syrien in die ganze Welt aus.bildschirmfoto-2016-12-23-um-09-24-02

Bis heute wird Seife in Aleppo hergestellt. Allerdings in geringeren Mengen als vor dem Bürgerkrieg. Viele Produzenten haben sich in den benachbarten Libanon abgesetzt, wo es sicherer ist. Ihre Fabriken haben sie in Beirut und Tripoli wieder aufgebaut.

Und in Dutzenden Geschäften stapeln sich die wohlriechenden, grünen Seifenberge. Zum Beispiel im hedonistisch veranlagten Beiruter Stadtteil Gemmayze. Bevor am Abend die Bars und Restaurants öffnen und junge bildschirmfoto-2016-12-23-um-09-22-39Menschen rauchend und trinkend auf dem Bürgersteig stehen, lohnt sich ein Blick in die Parfumerie Ideo.

In Deutschland gibt es die Aleppo-Seife u.a. bei der Naturkosmetik-Firma Gislaine, deren Produkte u.a auch von Manufactum vertrieben werden.

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21. Geschenk: Der Haka-Stift

advent_thumb_2Neuseeland ist berühmt für seine Maori, und die sind wiederum berühmt für ihren Haka: das laute Kriegsgebrüll mit Augenrollen und Schenkelklopfen, das vor jedem Rugby-Spiel und auch bei staatstragenden Festivitäten aufgeführt wird. Auch die taz-Redaktion in Berlin versteigt sich auf ihren Jubiläumspartys gerne mal dazu.

haka-stiftWie kann man diese originellen Töne überall auf der Welt hören, am besten im Büro? Indem man einen Haka-Stift verschenkt, der auf Knopfdruck “kau mate, kau mate” schmettert. Nach Possumfell-Nippelwärmern mit Abstand das originellste Souvenir aus Aotearoa.

 

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18. Geschenk: Crazy Flower Show

Und hier steuert auch die Weltreporter-Zentrale einen Tipp bei: Wann immer wir wirklich inspiriertes und ziemlich schräges florales Design suchen, bei florales in Hamburg-Eimsbüttel werden wir fündig. Was sie können: Atmosphärische Bühnenbilder, literarische Charaktere und menschliche Temperamente in Blumen übersetzen, heitere Trauerkränze binden – oder einen spielfreudigen Adventskalender. Gelernt hat Eigentümerin Tanja Heesch u.a. bei Gregor Lersch, mit dem sie zum Beispiel in Japan gearbeitet hat (auch wenn unser nordeuropäischer Winter-Kranz diesmal eher nach Australien aussieht). Happy 4. Advent!

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17. Geschenk: Storkhouse Red Bag

advent_thumb_2bag-red-cottonAuf Einladung von Roland Hagenberg hat Terunobu Fujimori in Raiding, Geburtsort von Franz Liszt, ein Gästehaus entworfen. Bis zu vier Besucher können dort übernachten. Über dem Dach nisten von April bis August Störche aus Afrika. Unter dem Namen „Raiding Project“ plant Hagenberg noch weitere Gebäude mit namhaften japanischen Architekten. Auf der Projektseite finden sich unter dem Titel “Goods. Life inside art” Projektskizzen und extra für das “Storkhouse” produzierte Alltagsartikel in japanischem Design.

 

 

 

 

 

 

 

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16. Geschenk: Eine “Georgette” aus den Pyrenäen

advent_thumb_2Praktisch, ästhetisch und ungewöhnlich: diese Löffel-Gabel aus dem französischen Département Ariège. ‘Georgette’ heißt sie und inzwischen servieren berühmte französische Küchenchefs gerne ihre Desserts mit ihr. Erfunden wurde die Kombination aus Löffel, Gabel und sogar Messer während einer Expedition im Norden Kanadas. Der Trapper und Tierspurenleser Jean-Louis Orengo war mit einer Gruppe unterwegs und wie für viele Wanderer, die tagelang einen schweren Rucksack schleppen müssen, zählte jedes Gramm. Sie beschränkten sich also auf einen Löffel und vermissten doch allzu oft eine Gabel. Zurück in den französischen Pyrenäen entwickelte Orengo die Idee eines multifunktionalen Löffels. Herausgekommen ist dabei die ‘Georgette’, die inzwischen über Frankreich hinaus ihre Liebhaber gefunden hat. Die Inspiration durch die Form von Tierpfoten ist übrigens heute noch erkennbar: Jede Georgette trägt auf der Rückseite eine Signatur in Form einer solchen Pfote.


Catherine und Jean-Louis Orengo betonen zudem den ökologischen Charakter der Georgette: Sie spare Material bei der Herstellung und Wasser, weil weniger Besteck abzuspülen sei. Mit einem Teil des Verkaufserlöses finanzieren die beiden eine Schule für Tierspurenleser und ein kleines Museum für solche Spuren.
http://www.georgettes.fr/accueil.html

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15. Geschenk: Die „echten“ Ballerinas aus Paris

advent_thumb_2Welche Schuhe trägt die Pariserin? High-Heels oder Ballerinas. Vor allem letztere gehören zu Klischee des „french looks“. Dass wir sie alle auf der Straße tragen, verdanken wir übrigens Brigitte Bardot, die am Anfang ihrer Karriere sich extra welche anfertigen ließ. Inzwischen gibt es unzählige Anbieter und vor kurzem ist zu dieser Ballerina-Connection ein neuer dazu gekommen: die Oper in Paris. Wer sonst wüsste besser Bescheid über die berühmten Tanzschuhe, die in regelmäßigen Abständen unsere Mode erobern. Gefertigt werden die “Souliers Opéra de Paris” zu 100% in Frankreich von einem Hersteller, der auch die Schuhe für die kleinen Ballett-Ratten fertigt. Die Modelle sind typisch pariserisch und aus feinstem Leder. Alles was man sonst darüber wissen muss, hat Weltreporterin Barbara Markert auf ihrem Modeblog „Modepilot“ beschrieben.

 

Hier gehts zum Link:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.modepilot.de zu laden.

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14. Geschenk: Fair-Trade Wein aus Südafrika

advent_thumb_2Wer die Augen schließt, schmeckt in der dunklen Adventszeit vielleicht die südafrikanische Sonne heraus. Weine vom Kap gehören seit Jahren auch zum Sortiment in Deutschland. Doch ein Blick hinter die Kulissen der prächtigen Weingüter rund um Kapstadt hinterlässt leider teilweise einen bitteren Geschmack: Nicht immer erhalten Arbeiter den Mindestlohn, viele leben mit ihren Familien trotz 12-Stunden-Schichten in Armut und erhalten oft keine Schutzkleidung gegen Pestizide.

Wer sichergehen möchte, dass der Wein zu Weihnachten nicht nur gut schmeckt sondern auch unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde, sollte auf das Fair Trade Label achten.

 

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12. Geschenk: ein Designer-Radio aus indonesischem Holz

advent_thumb_2Rundum nachhaltig ist das preisgekrönte Wooden Radio des indonesischen Designers Singgih Kartono. Jedes Stück wird in seinem Heimatdorf in Zentraljava handgefertigt. Die Arbeiter kümmern sich nicht nur um die Produktion, sondern auch um die Pflanzungen, die das Material liefern. Verschiedene Ausbildungs- und Umweltprogramme unterstützen eine positive Entwicklung der Dorfgemeinschaft.

Aufgrund des großen Erfolgs zur Zeit vergriffen. Demnächst wieder lieferbar über die Website von wooden radio FINE ECODESIGN oder bei Fachhändlern in Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Köln und Wiesbaden (siehe Website).

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11. Geschenk: Auf Wolken schweben mit Opanken aus Serbien

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Das ist ein Bundschuh. Er stammt aus keltischen Zeiten. Er heißt OPANKE, Mehrzahl: OPANKEN. Und: Er ist serbisch – hundert pro, obwohl man den Bundschuh auch in Mazedonien und Bulgarien findet.

Als Opanken werden absatzlose Schuhe aus purem Leder bezeichnet, deren hochgebogenen Sohlen eine schnabelförmig aufgebogene Spitze ziert. Viele Riemchen, kunstvoll verflochten, bilden das Oberteil des Schuhs. Gehen und laufen in Opanken ist eine Wonne: sie sind flexibel, bequem, die Sohle passt sich dem Fuß an und gibt dessen Bewegung wieder.

WIKI sagt, dass im 19. Jahrhundert diese Bundschuhe auch in Irland, Island, Italien, sogar an der Nordsee getragen wurden. Auch in Afghanistan, Iran und auf dem Kaukasus waren sie verbreitet.

Leben tun sie heute nur noch auf dem Balkan, vor allem in Serbien. Allerdings sind sie nur noch als Souvenir zu kaufen, denn die Landbevölkerung bevorzugt bei Kartoffel–oder–Maisernte heute die NIKE-Fakes aus Fernost, die sind billiger. Und so stirbt der Beruf des Opanken-Machers aus. In Belgrad gibt es ein Opanken-Museum, der Besuch lohnt.

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Die Opanken in allen Größen, aber auch als Schlüsselanhänger oder Vitrinenschmuck, findet man in Souvenirläden all over Serbien. Die Anhänger kosten ein paar Euros, die Schuhe bekommt man zwischen 15 und 30 Euro.

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10. Geschenk: ein kleiner Elefant

advent_thumb_2Nur 50 US-Dollar kostet es jährlich, Pate oder Patin eines jungen Elefanten zu werden. Die Sheldrick-Foundation in Kenia sammelt auch online das Geld von Spendern, um Elefanten-Waisen großziehen und dann auswildern zu können.

Die Waisen werden – wenn sie Glück haben – in freier Wildbahn gefunden und dann zunächst in einem Waisenhaus in der Nähe der Hauptstadt Nairobi aufgezogen. Wer dort vorbei kommt, kann „seinen“ Elefanten jederzeit besuchen.

Kleine Elefanten sind erstaunlich anschmiegsam, ihre Pfleger schlafen mit ihnen in den ersten Monaten gemeinsam in der Box, weil die großen kleinen Tiere nicht alleine sein können. Wer sie tagsüber besucht, kann ihnen beim Trinken oder Fußballspielen zugucken.

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9. Geschenk: Ein wirklich gutes Buch

advent_thumb_2Vor 75 Jahren wurde in Genf die Flüchtlingskonvention beschlossen, seitdem wacht ein UN-Hochkommissar über ihre Einhaltung. Der ideale Ort, um Ihnen ein Buch zum Thema ans Herz zu legen, das 25 Weltreporter gemeinsam verfasst haben. Für «Die Flüchtlingsrevolution» haben wir Flüchtlinge überall auf der Welt getroffen und ihre Geschichten aufgeschrieben.

Es sind Geschichten, die Sie noch nicht in Ihrer Zeitung gelesen haben; Geschichten von Hoffnung und Leid, von Hilfsbereitschaft und Verunsicherung, von  Ideen und Plänen für eine Zukunft, von der die ganze Welt profitieren kann.img_8351

21 Reportagen und acht analytische Kapitel etwa über Schleuserkriminalität, das Versagen der Politik und den neuen Rechtsradikalismus ergeben zusammen ein rundes Bild der «neuen Völkerwanderung».

Hören Sie selbst: Unser Genfer Weltreporter Marc Engelhardt (der heute übrigens seinen Geburtstag feiert) hat für Sie vor der Genfer UNHCR-Zentrale eine Passage aus dem Buch eingesprochen.

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8. Geschenk: Capiz-Sterne von den Philippinen

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Weihnachten beginnt auf den Philippinen früh, sehr früh. Nämlich im ersten Monat des Jahres, der auf -ber endet: SeptemBER wie DezemBER. Feste zu feiern ist für Filipinos Lebenselixier, und als Land mit dem höchsten Anteil an Christen in Asien (mehr als 80 Prozent) haben die Frohnaturen ihren Spaß daran, der Heiligen Nacht entgegenzufiebern. Mehrere Monate lang dudeln überall Weihnachtslieder, in den Shoppingmalls des Tropenstaates sollen Plüscheisbären und Schneemänner Winterstimmung suggerieren.

hilja_sterne2 hilja_sterne1An den opulent geschmückten Christbäumen sehen traditionelle Sterne aus dem Muschelprodukt Capiz besonders schön aus. Dieser exotische Weihnachtsschmuck verleiht natürlich auch deutschen Weihnachtsbäumen ein besonderes Flair!

 

 

 

 

 

 

 

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7. Geschenk: California Dreaming

advent_thumb_2Endlose Strände, wilde Klippen, lockerer Lifestyle, atemberaubende Naturparks – das ist Kalifornien, das regt zum Träumen an. Ich habe mir vor 13 Jahren diesen Traum erfüllt und bin nach Los Angeles gezogen. Dort habe ich gemerkt, dass die Wirklichkeit natürlich deutlich anders ist, als sie so schön von den Beach Boys besungen wird. Am Anfang war da erstmal die nervtötende Bürokratie, dann stand ich schnell in Dauerstaus und schnell lernte ich auch die Schattenseiten des Golden State kennen: hohe Obdachlosigkeit; Einwanderer ohne Papiere, die ständig in Angst leben und Viertel, in denen Schießereien und Polizeibrutalität noch zum Alltag gehören.

Doch nach wie vor überwiegen für mich die Aspekte des Westküstenstaates, die zum Träumen anregen und noch immer mache ich mich gern auf Entdeckungsreisen in Kalifornien. Wie es war, in diesem riesigen Staat anzukommen und was passiert, wenn ein Traum in Erfüllung geht, beschreibe ich in meinem Buch “Ein Jahr in Kalifornien”, das hoffentlich dazu anregt, seinen Träumen zu folgen und selbst den Staat auf der anderen Seite Amerikas zu entdecken.

Fotos: Kerstin Zilm stellt ihr Buch in der Villa Aurora in Pacific Palisades vor, Wohnort von Marta und Lion Feuchtwanger im amerikanischen Exil, heute Künstlerresidenz. Hier 5 Minuten akustischer Eindruck:

 

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6. Indiens Geschenk an die Welt

advent_thumb_2sadhguruHier ist Indiens Geschenk an die Welt: Yoga und Meditation.

Unter dem folgenden Link lässt sich gratis eine Einführung und Anleitung in eine zwölfminütige Meditation (Isha Kriya) runterladen, die der bekannte Mystiker Sahdguru Jaggi Vasudev (mein Guru) entwickelt hat. Yoga wird heute oft als eine Art von sportlicher Verrenkung missverstanden. Traditionell ist es aber eine Methode, die Körper und Geist in Harmonie bringt. Einfach mal ausprobieren!

 

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5. Geschenk: eine spanische E-Gitarre

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Spanien ist bekannt für seine Gitarrenbauer. Klassische Gitarren und Flamenco-Gitarren “Made in Spain” sind weltweit beliebt. Doch die Spanier können es auch krachen lassen. Seit ein paar Jahren macht eine kleine Szene von jungen Handwerkern von sich reden, die sich der E-Gitarre verschrieben haben. Der 45-jährige Diego Vila ist einer von ihnen. In seiner kleinen Hinterhofwerkstatt in Lavapiés, der Madrider Altstadt, baut der gebürtige Argentinier begehrte Einzelstücke. Von Hardrockern bis hin zu Jazzern zählen zu seinen Kunden. Wer eine Vila-Gitarre will, braucht Geduld, viel Geduld. Nur rund zehn Instrumente verlassen die Werkstatt im Jahr.

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4. Geschenk: ein Orang-Utan-T-Shirt aus Indonesien

advent_thumb_2Wer im Online-Shop der Borneo Orangutan Survival Foundation (BOS) einen Plüsch-Affen oder ein knalliges T-Shirt mit Orangutan-Gesicht bestellt, hilft damit zugleich den bedrohten Menschenaffen auf Borneo.
Kein anderes Tier ist dem Menschen ähnlicher als der Orang-Utan: Die rothaarigen „Waldmenschen“ – so die Übersetzung ihres Namens aus dem Indonesischen – gelten als die intelligentesten Primaten. Und dennoch zerstören wir ihren Lebensraum immer weiter, vor allem für Palmölplantagen, die unseren Hunger nach billigen Lebensmitteln, Kosmetika und Biodiesel stillen sollen. BOS, die weltgrößte Organisation zum Schutz von Primaten, setzt sich seit Jahrzehnten gegen die Zerstörung des Regenwaldes und für das Überleben der Orangutans ein.

 

 

 

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3. Geschenk: Pflanz einen Orangen-Baum in Spanien!

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Der Duft von Orangen und Mandarinen gehört zum Advent wie der von Zimt und Weihnachtsplätzchen: Spaniens Orangenbauern haben im Winter Hochsaison. Knapp 6,4 Millionen Tonnen Zitrusfrüchte werden jährlich geerntet, die meisten in der Region Valencia. Doch das Geschäft ist hart, der Druck von Konkurrenz und Zwischenhändler groß: Die Kilopreise, die die Bauern erwirtschaften, decken oft nicht einmal die laufenden Kosten. Kein Wunder, dass immer mehr Landwirte auf Direktversand umsatteln und die Früchte selbst an den Endverbraucher schicken. Der Familienbetrieb www.naranjasdelcarmen.com geht noch einen Schritt weiter.

Wer beim „Crowdfarming“ die Patenschaft für einen neu zu pflanzenden Baum übernimmt, erhält das ganze Jahr über frisches Bio-Obst – kann übers Internet seinem Baum beim Wachsen zusehen.

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2. Geschenk: Niederländische Briefe aus Schokolade

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W wie weltreporter, K wie Kerstin – wahlweise in Vollmilch, Bitter oder mit Nuss. Der chocoladeletter ist unverzichtbarer Bestandteil der niederländischen Bescherung. Und die findet hinter den Deichen nicht erst an Weihnachten statt sondern bereits am Nikolausabend.

kerstinschweighoeferWeihnachten wird in den Niederlanden eher still im Freundes- und Familienkreis mit einem Essen gefeiert, der Nikolausabend hingegen ist als Kinder- und Familienfest Höhepunkt des Jahres. Dann schenkt man sich kunstvoll verpackte Geschenke, so genannte surprises, reimt Gedichte – und ein jeder wird mit einem chocoladeletter bedacht.

 

 

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Geschenk Nr. 1: “Finger des Lichts” aus Tunesien

Dattelernte in der Oase Baghouthia am Rande der tunesischen Wüste: Auf 30 Hektar Land bauen die rund 50 Bauern des Dorfes hier Bio-Datteln an. Im Spätherbst werden sie geerntet, in Handarbeit: barfuß klettert ein Arbeiter dazu die Palmen hoch und schneidet mit einer Sichel die Zweige ab. Am Boden entfernen seine Kollegen das Netz, das zum Schutz vor Insekten über die Früchte gestülpt wurde, und schneiden die Dattelzweige in handliche Größe.
Die tunesischen Deglet Ennour, Finger des Lichtes, gelten als die besten Datteln der arabischen Welt. Neben Olivenöl sind die süßen, goldschimmernden Früchte das wichtigste landwirtschaftliche Exportgut des Landes. Auch die meisten Datteln, die in Deutschland auf den Tisch kommen, stammen aus Tunesien.

Die Biodatteln des Bauernvereins Al Itkan aus Barghouthia werden über South Organic auch in Deutschland vertrieben.

 

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Audio #2: Weltfremd oder inspirierend?

Naiv und weltfremd? Oder berührend und inspirierend? Seit drei Monaten ist unser Buch “Die Füchtlingsrevolution” im Handel. Kommentare, Lob und Kritik gab es seither reichlich, Reaktionen, die so spannend wie vielseitig waren. In unserem neuen Audio-Spezial hören Sie mehr dazu.

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Manche Zeitungen wie die FAZ haben unser Buch gleich zweimal rezensiert. Wir freuen uns auch darüber…

Viele Medien berichteten von den Lesungen, zu denen wir von Buchläden, Bibliotheken aber auch von vielen Schulen eingeladen wurden. Radiostationen rezensierten das Buch, zum Beispiel ‘B5 aktuell’, Deutschlandradio und  Bayern 2. Autorinnen und Autoren haben auf Lesungen in ganz Deutschland diskutiert, (hier ein Bericht von einer Lesung mit Philip Hedemann aus dem oberpfälzischen Pressath) und Fragen beantwortet.

Bei der offiziellen Buch-Vorstellung im taz-Café saß auch Ameena auf dem Podium, die junge Syrerin die Philip Hedemann auf ihrem Weg begleitete und die einen Prolog zu unserem Buch geschrieben hat. Im neuen Audio-Spezial 2 hören Sie Sie mehr darüber, wie das Leben der jungen Frau seither weiterging und lernen zwei ihrer Kinder kennen. Philip erzählt, warum Ameena unbedingt das Kanzleramt kennenlernen wollte. Und warum sie – trotz ihres Glücks darüber in Deutschland zu leben – während einer Lesung in Tränen ausbrach.

Angst auch nach 25 Jahren

Im Audio erfahren Sie, was Kerstin Zilms Interviewpartnerin Lidia Nunez empfand, als sie ihren Sohn nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder umarmen konnte. Von einem anderen Weltende schaltet sich Bettina Rühl zu, sie läßt die Somalierin Haibo Abdirahman Muse zu Wort kommen, die schon 25 Jahre in einem kenianischen Flüchtlingslager lebt und trotzdem noch Angst hat.

Birgit Kaspar in Toulouse spricht  mit ihrer Interviewpartnerin Chantal Pulé, die ihr erzählt, ob sie nach all den Jahren in Paris, heute bereut aus dem Libaon geflohen zu sein.

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Birgit Kaspar und Marc Engelhardt lesen in Herne Foto: Claudia Korbik

Zu weit weg?

Herausgeber Marc Engelhardt erzählt im Audio #2 welche Inhalte auf Lesungen am häufigsten diskutiert werden und wie sehr viele deutsche Leser überrascht, das Fluchten auf der ganzen Welt passieren. Viele Gespräche nach den Lesungen drehen sich darum, was der Begriff ‘Revolution’ bedeuten soll. Marc Engelhard hat außer positivem Feedback natürlich auch kritische Meinungen gehört. Ein Leser wirft uns vor, als Auslandskorrespondenten zu weit entfernt von der deutschen Problematik zu sein. Marc Engelhardt: “Den Blick aus dem Ausland sehen wir eher als Qualität des Buches. Sicher kann man das kritisieren, ich glaube aber nicht, dass man das sollte. Wir sagen ja nicht, dass sich eine Lösung aus Südafrika oder anderen Ländern 1 zu 1 auf Deutschland übertragen lässt. Aber es hilft vielleicht, den Horizont zu erweitern und mit anderen Augen auf Situation in Deutschland zu blicken.”

Denn eines ist gewiss: Flucht wird als Phänomen zunehmen, Die Frage ist: wie gehen wir damit um.

In Lesbos bleiben die Tische leer

Lesbos: Die besten Tische bleiben leer.

Lesbos: Die Urlauber bleiben aus.

Im Audio #2 hören Sie auch von Alkyone Karamanolis, Weltreporterin in Athen, die sich gefragt hat: Wie geht es den Rettern heute? Fischer Konstantinos Pinderis, erzählt wie sich sein Leben auf der Insel Lesbos komplett verändert hat. Am idyllischen Hafen von Skala Sikamineas bleiben die Tische leer. Zwar landen dort keine Flüchtlingsscharen mehr wie 2015, doch die Touristen kommen ebenfalls nicht mehr. Sie scheinen ihre früheren Lieblingsinseln vergessen zu haben – zum Leid der Einheimischen, denen die Arbeit ausgeht.

Vergessen würden in meinem eigenen Berichtsgebiet Australien viele Politiker am liebsten die Situation der Flüchtlinge, die nach wie vor auf den Inseln Manus und in Nauru die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage erdulden. Menschen müssen dort seit Jahren als Abschreckung für künftige Boots-Migranten herhalten. Ich erzähle im Audio #2 darüber, wie schwer geschädigt die dort gestrandeten Männer, Frauen und Kinder durch die Inhaftierung sind, und dass ihre Zukunft trotz heftiger Proteste von Menschenrechtsorganisationen und anderen noch immer unklar ist.

img_9019Hören Sie rein, ich bin sicher, unser Audio Spezial # 2 macht Sie neugierig auf unser Buch Die Flüchtlingsrevolution, erschienen im August im Pantheon Verlag.

Auch wenn sie es bereits gelesen haben, erfahren Sie im Podcast einiges Neues. Zusammengestellt haben es die Weltreporter Kerstin Zilm, Leonie March, Randi Hauser und Sascha Zastiral.

 

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WR Spezial – SoundCloud

soundcloud_slider2Recherchen zu unserem neuen Buch “Die Flüchtlingsrevolution” führten uns in südafrikanische Frisörsalons und kenianische Lager, in neuseländische Küchen und bosnische Wohnzimmer. Im ersten Weltreporter Spezial (zu hören via SoundCloud) erzählen wir, wie dieses Buch entstand und lassen einige Interviewpartner zu Wort kommen.

65 Millionen Menschen leben derzeit nicht in ihrer Heimat sondern sind unterwegs: zu Fuß und per Boot, per Bus und in Fliegern, auf Transitrouten, in Lagern, in provisorischen Unterkünften. Sie halten sich an Orten auf, die vielleicht eines Tages eine neue Heimat werden, oder vielleicht auch nicht. Sie fliehen vor Naturkatastrophen oder Armut, vor Gewalt oder Verfolgung, vor Unrecht oder Krieg.

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Lidia Nunez und Anwältin Yanci Montes

Über einige Dutzend dieser Menschen schreiben wir in unserem Buch “Die Flüchtlingsrevolution”, und einige von ihnen lernen Sie im neuen, 20-minütigen Audio Weltreporter Special kennen.
Wer sind diese Menschen? Welche Lebensgeschichten verbergen sich hinter der schwer vorstellbaren Zahl 65 000 000?

Wir sprechen mit einer Frau, die aus Beirut nach Frankreich floh, mit einer  Kongolesin, die in Südafrika landete, doch auch dort nicht sicher ist, mit Fischern in Lesbos und Landmigranten in chinesischen Metropolen.

Coco Bishogo Ruvinga, die vom Kongo nach Südafrika geflüchtet war, wurde in ihrem Friseursalon Opfer fremdenfeindlicher Gewalt

Coco Bishogo Ruvinga, die vom Kongo nach Südafrika geflüchtet war, wurde in ihrem Friseursalon Opfer fremdenfeindlicher Gewalt

Wir analysieren in unserem Buch Fakten und versuchen Hintergründe zu erklären, beschäftigen uns mit historischen Aspekten und erörtern, wie Politiker in verschiedenen Regionen auf diese Völkerwanderung reagieren. Um die enormen Dimensionen begreifbar zu machen, erzählen wir jedoch vor allem von persönlichen Schicksalen – Ein Versuch, dieser Revolution, die unsere Welt bewegt, Gesichter und Stimmen zu geben.

Kerstin Zilm und Lidia Nunez vor dem Gerichtsgebäude

Kerstin Zilm und Lidia Nunez vor dem Gerichtsgebäude

Im WR Spezial erfahren Sie auch: Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden? Wie ist uns gelungen, mit 26 Kollegen aus fünf Kontinenten und doppelt so vielen Zeitzonen ein Konzept zu erarbeiten, das mehr ist als eine Sammlung von Geschichten:  Ein ausgewähltes Portfolio individueller Texte, die zusammen ein höchst komplexes Bild ergeben; denn Flucht hat heute enorm viele Facetten.

Erleben Sie, wie das kenianische Dadaab klingt, was wir im Goethe-Institut in Yogjakarta erfahren haben und was wir auf dem Balkan, in Malaysia und Magdeburg aufnehmen konnten.

Zusammengestellt haben das Audio Spezial Kerstin Zilm in LA, Leonie March in Durban, Randi Häusler in Stockholm und Sascha Zastiral. Sascha Zastiral, der viele Jahre Weltreporter in Bangkok war und seit kurzem in London arbeitet, hat auch die Musik für diese Weltreporter Audio Reportage komponiert und aufgenommen. Dieser Link führt zur SoundCloud, auf der Sie das Spezial anhören können.

Töne, Berichte und Interview für den 20-minütigen Report lieferten außerdem Bettina Rühl (Nairobi), Birgit Kaspar (Toulouse), Christina Schott (Jakarta), Alkyone Karamanolis (Athen), Marc Engelhardt (Genf), Danja Antonovic (Belgrad).

Wenn Sie das Audio-Spezial neugierig gemacht hat:

Unser neues Buch “Die Flüchtlingsrevolution”, ein 350-seitiges Gemeinschaftswerk von 26 Weltreportern ist Ende August im Pantheon Verlag erschienen und sowohl als ebook wie broschiert (16,99 €) erhältlich.

 

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Weltreporter lesen aus der «Flüchtlingsrevolution»

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Erleben Sie das neue Buch der Weltreporter live und diskutieren Sie mit den Autorinnen und Autoren! Wir lesen Passagen aus dem Buch, berichten von unseren Recherchen und Erfahrungen und stellen uns Ihren Fragen.

13. März 2017, 18:30 Uhr – WILHELMSHAVEN, Volkshochschule
Lesung und Diskussion mit Marc Engelhardt.

19. März 2017, 19:00 Uhr – THEDINGHAUSEN, Haus auf der Wurth
Lesung und Diskussion mit Marc Engelhardt.

21. März 2017, 19:30 Uhr – DÖRVERDEN, Aller-Weser-Oberschule
Lesung und Diskussion mit Marc Engelhardt.

Marc Engelhardt liest am 29.10.16 beim Alumni-Kongress der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin (Foto: Stephan Röhl)

Marc Engelhardt liest am 29.10.16 beim Alumni-Kongress der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin (Foto: Stephan Röhl)

 

Weitere Termine sind in Planung.

Weltreporter Philipp Hedemann, einer von 26 Autoren der «Flüchtlingsrevolution», spricht mit Flüchtlingen an der mazedonisch-serbischen Grenze im Herbst 2015.

Weltreporter Philipp Hedemann, einer von 26 Autoren der «Flüchtlingsrevolution», spricht mit Flüchtlingen an der mazedonisch-serbischen Grenze im Herbst 2015.

 

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Nexit in Sicht?

Er sieht sich bereits als nächster Ministerpräsident der Niederlande. Um die Grenzen hermetisch zu schliessen, den Bau von Moscheen samt Koran zu verbieten und mit einem Referendum dafür zu sorgen, dass dem Brexit möglichst schnell ein Nexit folgt: Geert Wilders, 52 Jahre alt, erklärter Feind von Islam und Europa.

“Jetzt sind wir an der Reihe!” frohlockte der blondierte Populist nach dem Brexit.  Schon seit Jahren warnt Wilders ebenso unermüdlich wie erfolgreich vor einem Asyltsunami, schimpft über die Milliarden, die an Brüssel verschwendet werden, und plädiert auf einen Nexit.

Im europäischen Parlament hat er genügend Bündnispartner für eine eigene Fraktion gefunden. Im Sommer 2014 präsentierte er sie zusammen mit Marine LePen vom Front National erstmals den anderen Abgeordneten. Er sprach von einem neuen D-Day, “einem Befreiungstag für Europa – von Europa”.

Auf nationaler Ebene musste Wilders bei den letzten Wahlen ein paar Niederlagen einstecken. Aber dank sei Flüchtlings- und Europakrise liegt er in den Umfragen nun so weit vorne wie nie zuvor in seiner Karriere: Seine “Partei für die Freiheit” PVV könnte bei den nächsten Parlamentswahlen im März 2017 stärkste Fraktion werden und die Zahl ihrer Sitze fast verdreifachen auf 36 der insgesamt 150 Mandate.

Dabei ist sie innerlich zerissen und keine richtige Partei, denn sie hat nur ein einziges Mitglied: Wilders. In Deutschland würde die PVV nicht zu Wahlen zugelassen, die niederländischen Gesetze sind weniger streng. Auf diese Weise will Wilders die Kontrolle und alles fest im Griff behalten. Auf staatliche Zuschüsse muss er verzichten; wie sich die PVV finanziert, ist nicht transparent.

Aber selbst wenn Wilders 2017 tatsächlich der neue Ministerpräsident der Niederlande werden sollte: Von einem Nexit ist er weit entfernt. Zwar tendieren einer jüngsten Umfrage zufolge 48 % der Niederländer zu einem EU- Austritt. Aber dazu bräuchte Wilders eine Mehrheit im Parlament – und so weit will es bis auf seine PVV keine andere niederländische Partei kommen lassen.

 

 

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Macri bei Merkel

Dieser Blogeintrag ist ein virtuelles Kopfschütteln – auf die Schnelle, am Laptop, an einem Fährterminal. Heute ist der argentinische Präsident Mauricio Macri bei Angela Merkel zu Besuch. Und was ist da zu lesen? Es gibt tatsächlich Autoren (die nicht in Argentinien wohnen), die sehen in Präsident Macri den Super-Reformer, der dabei ist, Argentinien zu alter neuer Größe zu verhelfen – was bisher nicht gelang, weil der Papst und Messi ihm das Leben vermiesten.

Jetzt mal ehrlich: Glaubt wirklich jemand, dass Argentinien ein so primitives Land ist, dass es sich vom angedrohten Rückzug eines Fussballstars aus der Nationalelf und einer unterkühlten Beziehung zwischen Präsident und Papst in eine Inflation mit 40% drängen lässt? Dass der Papst und Messi dafür verantwortlich sind, dass seit Amtsantritt von Macri je nach Statistik 1,4 bis vier Millionen Menschen in Argentinien arm geworden sind?

Macri war angetreten, um die Wirtschaft zu reformieren – die Argentinier haben viel von ihm erwartet. Dass die Inflation weiter ansteigt, gehörte nicht dazu.

Der neue Präsident hatte zudem versprochen, für Transparenz zu sorgen. Nun gibt es ein gigantisches Programm zur Geldwäsche, von dem beinahe die gesamte Regierungsriege profitiert. Macri erklärt sich zudem nicht (sie stammen seinen Angaben nach aus einem “früheren Leben“), was seine Offshore-Unternehmen betrifft. Die Interessenskonflikte vieler Regierungsvertreter (z.B. Ex-Shell-CEO, der auch als Energieminister nach wir vor Aktien in Millionenhöhe an seiner früheren Firma hält) liegen auf der Hand.

Natürlich ist zu hoffen, dass Macris Besuch bei Merkel neue Investitionen bringt. Es ist dringend nötig, das Blatt zu wenden: Die neue Armut ist auf der Straße sichtbar, wie schon nach der Krise 2001/02 ziehen immer mehr Menschen auf der Suche nach Müll durch die Hauptstadt Buenos Aires. Es gibt Massenproteste. An Feiertagen lässt die Regierung den Hauptplatz in Buenos Aires hermetisch abriegeln – aus Angst vor weiteren Demonstrationen (in den letzten Jahren war etwa der 25. Mai ein Volksfest mit Musik und Ständen mit Essen aus allen Regionen Argentiniens, in diesem Jahr war er weiträumig abgesperrt). Die enormen Tariferhöhungen für Gas, Strom, Wasser und Transport (zwischen 300 und 1000% je nach Region) sorgen dafür, dass besonders arme Familien weder ein noch aus wissen, dass Theater schliessen, Universitätsrektoren verzweifeln.

Die Abgaben auf den Bergbau hat die Regierung abgeschafft. Seit der Öffnung der Importe haben viele argentinische Fabriken geschlossen – etwa Puma, die Turnschuhe werden jetzt aus China und Brasilien nach Argentinien importiert, statt im Land hergestellt zu werden. Mindestens 150.000 Menschen haben ihre Arbeit verloren, seit Macri an die Regierung kam – und gegen ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz zur Vermeidung von weiteren Entlassungen legte Macri ein präsidentiales Veto ein. Der Konsum ist erlahmt, weil der Geldwert ständig weiter sinkt.

Nach außen hin mag Macri sich gut präsentieren. Im Inland – besonders in den Armenvierteln und im Großraum Buenos Aires – ist die Stimmung dagegen wie in einem Dampfdrucktopf. Viele fragen sich: Wie lange wird die Schonfrist für den Präsidenten noch dauern?

Derzeit dominieren Korruptionsskandale der Kirchner-Regierung die Titelseiten der Tageszeitungen. Es ist richtig, dass die Justiz die Korruption der Vorgänger-Regierung aufklärt. Aber es ist wichtig, sich davon nicht blenden zu lassen und in der Rage über die Korruption der Vorgänger zu übersehen, was derzeit in Argentinien passiert. Dass das Antikorruptions-Büro unter der Leitung von Laura Alonso sich um die Korruption der Gegenwart nicht kümmern wird, ist bereits klar.

Dieser Blogeintrag ist ein Stimmungsbild aus Buenos Aires – keine umfassende Analyse. Aber, klar ist auf jeden Fall: Macri braucht schnelle Erfolge. Die Zeit läuft.

 

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Tunesien: Der Übervater ist zurück

Noch thront er in Plastikfolie eingewickelt stolz auf seinem Ross, die Faust kämpferisch in die Luft erhoben. Der Wind hat den Hintern des Tieres ein Stückchen freigelegt, offiziell ausgepackt werden Habib Bourguiba und sein Pferd aber erst am 1. Juni. Ein Bauzaun verdeckt noch den Blick auf die Gendenktafel, die an den tunesischen Staatsgründer erinnert. Dass eine Statue von ihm nach langen Jahren wieder auf der nach ihm benannten Avenue Bourguiba steht ist das Aufregerthema schlechthin in diesen Tag in Tunis. Denn die ganze Geschichte ist ein Lehrstück in Sachen Symbolpolitik.

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Aber von Anfang an: Bis zur Unabhängigkeit Tunesiens stand an dieser Stelle eine Statue von Jules Ferry, Ministerpräsident Frankreichs zur Zeit der Kolonialisierung des nordafrikanischen Staates 1881. Am 1. Juni 1955 kehrt Habib Bourguiba, einer der Kämpfer für die Unabhängigkeit des Landes, aus dem Exil zurück. Vom nahegelegenen Fährhafen in La Goulette reitet er zurück in die Hauptstadt. Nicht mal ein Jahr später ist Tunesien unabhängig, und Habib Bourguiba sein erster Präsident. 1975 lässt er sich zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen. Die Hauptstraßen in allen Orten des Landes tragen fortan seinen Namen und Bourguiba setzt sich mit der Reiterstatue selbst ein Denkmal, nur wenige Meter vom aktuellen Standort entfernt.

1987 putscht sich der Innen- und Premierminister des altersschwachen Bourguibas an die Macht. Zine El Abidine Ben Ali lässt die Reiterstatue nach La Goulette an den Hafen versetzen und stellt stattdessen 1988 einen massiven Uhrturm in die Mitte des Kreisverkehrs schräg gegen des Innenministeriums. Der Big Ben von Tunis, wie der hässliche Metallobelisk in der Hauptstadt scherzhaft genannt wird, überragt seitdem die Flaniermeile von Tunis und soll an die neue Zeitrechnung erinnern, die Ben Ali damals einläuten wollte. (Der Hauptstraße den Namen des Staatsgründers abzunehmen traute sich Ben Ali übrigens nicht.) Der Sänger Mounir Troudi hat der Uhr sogar ein Lied gewidmet (das man während der Diktatur aber höchstens hinter verschlossenen Türen sang), und seit der Revolution sind neben Suizidgefährdeten auch schon die Salafisten der inzwischen als Terrororganisation verbotenen Ansar Al Sharia an ihr hochgeklettert.

2011 wird der Kreisverkehr in Erinnerung an die Revolution in den Platz des 14. Januars umgetauft, doch die Uhr bleibt, wo sie ist. Bis Beji Caid Essebsi im Winter 2014 neuer Staatspräsident wird. Der inzwischen 89-Jährige war bereits in den 1960er Jahren unter Bourguiba Innen- und Verteidigungsminister und beschloss: die Statue seines Lehrmeisters soll wieder dahin, wo sie ursprünglich stand. Wäre da nicht die Uhr im Weg…

Nach langem Hin und Her und einem Blick in die leeren Staatskassen wurde schließlich beschlossen, die Symbole der beiden Machthaber quasi Seite an Seite auf der Hauptstraße aufzustellen. Trotzdem hätten sich viele Tunesier sinnvolleres vorstellen können, was man mit den rund 600 000 Dinar (gut 250 000 Euro) hätte machen können, die der Umzug letzten Endes gekostet haben soll. Und so scheiden sich in der Hauptstadt die Geister, ob es sich bei der Aktion nun um die Würdigung eines großen Staatsmannes, politisches Hickhack oder pure Geldverschwendung handelt. Nach langen Spekulationen, in welche Richtung Bourguiba wohl schauen wird, ist jetzt zumindest klar: Bourguiba und sein Pferd strecken der Uhr Ben Alis den Hintern entgegen.

Am anderen Ende der Straße steht übrigens noch eine Statue: die des arabischen Philosophen Ibn Khaldoun, einem der Wegbereiter der modernen Soziologie aus dem 14. Jahrhundert, der, unumstritten und unantastbar, die ganzen Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen auf der anderen Seite mit gegebener Distanz betrachtet.

 

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Weltreporter unter der Lupe

Tim Kukral, derzeit Volontär beim NDR und vorher Student in Hamburg, hat eine Arbeit über freie Auslandskorrespondenten geschrieben. Grundlage des Werks, das jetzt beim Herbert von Halem Verlag erschienen ist waren Interviews mit 14 Weltreportern.

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Aus dem Blurb: ‘Durch eine qualitative Befragung von Mitgliedern des renommierten Journalistennetzwerks Weltreporter liefert dieser Band erstmals umfangreiche Erkenntnisse über die Arbeit der freien Auslandskorrespondenten.’

Kukrals Buch ‘Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten’ ist Band 8 der Reihe “Journalismus International” und auch online bestellbar.

Zu Kukrals Fragen gehörten: Im Vergleich zu ihren festangestellten Kollegen haben die „Freien“ eher den Blick und die Zeit für Geschichten, die abseits liegen von den starren Themenplänen der Redaktionen in der Heimat. Aber (wie) kann man davon leben? Wie sieht der Alltag der freien Korrespondenten aus? Und wie sind sie überhaupt zu diesem Beruf gekommen?

 

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Frühkindliche Erziehung in der Manege

Spanien kommt aus der Bluthochdruckzone gar nicht mehr raus. Ein Skandal jagt den anderen, Oberthema: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Klingt schrecklich langweilig, ist aber ein echter Aufreger, zumindest wenn die Protagonisten ein Stierkämpfer und eine Podemos-Abgeordnete sind.
Fran Rivera, genannt Paquirri, hat ein Foto von sich und seiner jüngsten Tochter gepostet. Es zeigt ihn beim Training, in der heimischen Arena, mit einer Jungkuh, und zwar in dieser Pose:

Anschauungsunterricht in Sachen Tradition und Kulturpflege

Musische Früherziehung, Unterrichtseinheit Tradition

Daneben der Text: “Carmens Debüt – Sie gehört zur fünften Generation einer Stierkämpferfamilie. Mein Großvater zeigte das gleiche meinem Vater, mein Vater mir, ich meinen beiden Töchtern…”
Innerhalb weniger Stunden war die Debattennation zweigeteilt, in den Talkshows liefen die Mikrofone heiß, Verfechter (“Tradition”, “Weitergabe von Werten”) und Gegner (“Angeber”, “unverantwortlich”, “Tierquälerei”) warfen sich alle Nettigkeiten zwischen “Banause” und “Mörder” an den Kopf. Und natürlich wurde sogleich die Parallele zu diesem Skandal gezogen:

Politische Früherziehung, Unterrichtseinheit Eltern-Kind-Rechte

Politische Früherziehung, Unterrichtseinheit Eltern-Kind-Rechte

Podemos-Abgeordnete Carolina Bescansa hatte doch tatsächlich zur ersten Parlamentssitzung ihr Baby mitgebracht. Die Vize-Parlamentspräsidentin höchstpersönlich wies die Neue darauf hin, dass es auch eine KiTa im Parlament gäbe und ließ sich dann lang und breit in einer Talkshow darüber aus, ob ein “geschlossener Raum mit 400 Erwachsenen” tatsächlich das richtige Ambiente für einen Säugling wäre. Auch da verliefen tiefe Fronten zwischen Befürwortern (“Biologie, Mutter-Kind-Bindung”, “Zeichen setzen für arbeitende Eltern”) und Gegnern (“Populismus”, “unverantwortlich”). Man könnte jetzt lang und breit tatsächliche und mutmaßliche Gesundheitsrisiken für die jeweiligen Säuglinge in Plenarsaal/Arena analysieren, über die Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Manegen sinnieren; interessant bei der Debatte ist vor allem, dass diejenigen, die sich über Bescansas Baby echauffierten Paquirris Baby beklatschen. Und umgekehrt natürlich. Die Argumente sind austauschbar, denn im Kern geht es nicht um die Kinder, Mütter, Väter, sondern um Politik: um die ungezogenen Neuen (Podemos und Co) gegen die überkommenen Alten (Toreros und Co).

Das zeigte sich auch am anderen großen Aufreger der letzten Wochen, Oberthema: angemessene Bekleidung/Haartracht. Die Vizepräsidentin des Parlaments kommentierte die Rasta-Locken eines Podemos-Abgeordneten mit einem “So lange da keine Läuse überspringen, ist mir das egal”, Podemos-Chef Pablo Iglesias revanchierte sich dafür, in dem er auf einer Pressekonferenz eine Journalistin für ihren “prächtigen Pelzmantel” lobte – das ist stilistisch eleganter, in der Sache aber  genauso dämlich.

Es wird jedenfalls höchste Zeit, dass die Legislatur ins Rollen kommt und so vielleicht, vielleicht, ein bisschen mehr Inhalt in die Scheindebatten rutscht.

 

 

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1. Türchen: Mit der Vorortbahn ans Meer

LieblingsortTunisTGM

Wenn ich in der Vorortbahn TGM von Tunis ans Meer fahre und ein Buch raushole, dann fühle ich mich fast wie im Urlaub. Dass die Bahn, die nach ihrer Strecke von Tunis über Goulette nach Marsa benannt ist, dabei lautstark klappert und ächzt als seien die Wagen seit Inbetriebnahme der Strecke vor mehr als hundert Jahren nicht erneuert worden, dass man im Sommer fast erstickt und es im Winter fürchterlich zieht, das ist mir dann eine Stunde lang egal.

 

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Weltreporter Clemens Bomsdorf mit Willy-Brandt-Preis geehrt

Für seinen „herausragenden Beitrag zur Förderung der deutsch-norwegischen Beziehungen” bekommt unser Nordeuropa-Korrespondent Clemens Bomsdorf den diesjährigen Willy-Brandt-Preis der norwegisch-deutschen Willy-Brandt-Stiftung. Norwegischer Preisträger ist Sten Inge Jørgensen von der Zeitschrift Morgenbladet.

Die Stiftung würdigt Bomsdorf für seine „engagierten Artikel und seinen ehrenamtlichen Einsatz für das Deutsch-Nordeuropäische Stipendium der Internationalen Journalisten-Programme IJP“.

Clemens Bomsdorf ist eines der Gründungsmitglieder von Weltreporter und derzeit Zweiter Vorsitzender des Auslandskorrespondentenverbundes. Er berichtet seit über zehn Jahren aus und über Nordeuropa und wohnt in Kopenhagen. Artikel von Bomsdorf erscheinen in Focus, Zeit online, The Art Newspaper und Kunstzeitung.

Bomsdorf bereist Norwegen regelmäßig. Von dort hat er unter anderem berichtet über die Zeichen des Klimawandels auf Spitzbergen und die umstrittenen Pläne für die Neugestaltung des Osloer Regierungsviertels nach dem Terror vom 22 Juli. Bomsdorf interviewte nach dem Attentat Thorvald Stoltenberg über den Anschlag und seinen Sohn, den damaligen Ministerpräsidenten, und sprach mit der norwegischen Königin über deren Kunstsammlung.

Zu den bisherige Preisträgern des norwegisch-deutschen Willy-Brandt-Preises zählen Jostein Gaarder, Frank-Walter Steinmeier, Wenche Myhre, Jan Garbarek und Egon Bahr.

Der Preis wird am 4. November in Berlin überreicht.

 

 

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Standortvorteil “Verbuschung”

Katalanische DNIEigentlich wollte ich an dieser Stelle schon längst über die zum Quasi-Referendum erklärten, katalanischen Wahlen geschrieben haben, aber ich kam bisher nicht dazu, weil ich mit den Nachwehen eines zum Politikum gewordenen Interviews beschäftigt war. Ein ARD-Kollege und ich haben uns am Freitag vor der Wahl mit Oriol Amat, Wirtschaftsprofessor und Nummer 7 der separatistischen Junts pel Si-Liste getroffen. Ursprünglich sollte es um mögliche wirtschaftliche Konsequenzen einer Sezession gehen, das Interview mit dem Experten der Gegenseite war bereits geführt. Aber schon bald sprachen wir von möglichen Szenarien nach einem Regierungswechsel in Spanien. Als ein sehr wahrscheinliches Szenario schien Amat ein Madrider Angebot zu Verhandlungen um ein neues Autonomiestatut. Dass eine solche Offerte von den Katalanen angenommen würde, schien ihm wahrscheinlich. Ich war überrascht: Seit Jahren demonstrieren regelmäßig Hunderttausende für einen „eigenen Staat“, die „In-, Inde-, Independència“-Rufe sind fester Bestandteil der politischen Folklore und in jedem zweiten Interview beschwören Politiker, „es gebe keinen Weg zurück“. Zwei Tage vor der „plebiszitären“ Wahl ein Autonomiestatut als mögliche Lösung zu präsentieren, ist etwa so, als lasse man Sprinter monatelang im Hochland für Olympia trainieren, nur um sie dann zur Bushaltestelle joggen zu lassen. Ich fragte nach. Amat blieb dabei.

Was der Wirtschaftsprofessor da sagte, bestätigte, was viele langjährige Korrespondenten vermuten: dass es innerhalb der heterogenen Junts pel Sí-Liste Differenzen über Weg und Ziel gibt, dass der Minimalkonsens nicht Unabhängigkeit um jeden Preis, sondern Verhandlungen mit Madrid und Brüssel sind. Vom Gezerre um Freigabe des Gesamtinterviews (einen Tweet hatte ich unmittelbar nach Interview abgesetzt), vom Druck und den widersprüchlichen Gedanken, die mir dabei durch den Kopf gingen, von der Unterstützung durch die Kollegen vor Ort und vom Círculo de corresponsales, erzähle ich gern mal an anderer Stelle. Samstag Nachmittag packte ich jedenfalls einen Ausschnitt aus dem Interview auf Soundcloud, die Online-Zeitung Eldiario.es brachte die Geschichte, El País, La Vanguardia, Antena 3 und ein halbes Dutzend anderer Medien nahmen das Thema auf, die beiden Unabhängigkeitslisten veröffentlichten Kommuniqués. Natürlich schmeicheln solche 15 Minuten Ruhm dem journalistischen Ego, wesentlicher ist für mich eine andere Erkenntnis: Freie Korrespondenten haben einen Standortvorteil. Wir sind meist lange genug in einem Land, um auch die Zwischentöne einer Debatte zu verstehen.  Botschaften und Sender wechseln ihre Mitarbeiter gerne aus, um einen “frischen Blick von außen” zu garantieren oder – weniger nett gesagt – “Verbuschung” zu vermeiden. Aber genau diese Expertise ist unser großes Kapital. Und unverzichtbar, wenn es um Analyse, Interpretation, um Hintergrund geht. Das hoffe ich zumindest.

 

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Standortvorteil “Verbuschung”

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle schon längst über die zum Quasi-Referendum erklärten, katalanischen Wahlen geschrieben haben, aber ich kam bisher nicht dazu, weil ich mit den Nachwehen eines zum Politikum gewordenen Interviews beschäftigt war. Ein ARD-Kollege und ich haben uns am Freitag vor der Wahl mit Oriol Amat, Wirtschaftsprofessor und Nummer 7 der separatistischen Junts pel Si-Liste getroffen. Ursprünglich sollte es um mögliche wirtschaftliche Konsequenzen einer Sezession gehen, das Interview mit dem Experten der Gegenseite war bereits geführt. Aber schon bald sprachen wir von möglichen Szenarien nach einem Regierungswechsel in Spanien. Als ein sehr wahrscheinliches Szenario schien Amat ein Madrider Angebot zu Verhandlungen um ein neues Autonomiestatut. Dass eine solche Offerte von den Katalanen angenommen würde, schien ihm nicht ausgeschlossen. Ich war überrascht: Seit Jahren demonstrieren regelmäßig Hunderttausende für einen „eigenen Staat“, die „In-, Inde-, Independencia“-Rufe sind fester Bestandteil der politischen Folklore und in jedem zweiten Interview beschwören Politiker, „es gebe keinen Weg zurück“. Zwei Tage vor der „plebiszitären“ Wahl ein Autonomiestatut als mögliche Lösung zu präsentieren, ist etwa so, als lasse man Sprinter monatelang im Hochland für Olympia trainieren, nur um sie dann zur Bushaltestelle joggen zu lassen. Ich fragte nach. Amat blieb dabei.

Was der Wirtschaftsprofessor da sagte, bestätigte, was viele langjährige Korrespondenten vermuten: dass es innerhalb der heterogenen Junts pel Si-Liste Differenzen über Weg und Ziel gibt, dass der Minimalkonsens nicht Unabhängigkeit um jeden Preis, sondern Verhandlungen mit Madrid und Brüssel sind. Vom Gezerre um Freigabe des Gesamtinterviews (einen Tweet hatte ich unmittelbar nach Interview abgesetzt), vom Druck und den widersprüchlichen Gedanken, die mir dabei durch den Kopf gingen, von der Unterstützung durch die Kollegen vor Ort und vom Círculo de Corresponsales, erzähle ich gern mal an anderer Stelle. Samstag Nachmittag packte ich jedenfalls einen Ausschnitt aus dem Interview auf Soundcloud, die Online-Zeitung Eldiario.es brachte die Geschichte, El País, La Vanguardia, Antena 3 und ein halbes Dutzend anderer Medien nahmen das Thema auf, die beiden Unabhängigkeitslisten veröffentlichten Kommuniqués. Natürlich schmeicheln solche 15 Minuten Ruhm dem journalistischen Ego, wesentlicher ist für mich eine andere Erkenntnis: Freie Korrespondenten haben einen Standortvorteil. Wir sind meist lange genug in einem Land, um auch die Zwischentöne einer Debatte zu verstehen.  Botschaften und Sender wechseln ihre Mitarbeiter gerne aus, um einen “frischen Blick von außen” zu garantieren oder – weniger nett gesagt – “Verbuschung” zu vermeiden. Aber genau diese Expertise ist unser großes Kapital. Und unverzichtbar, wenn es um Analyse, Interpretation, um Hintergrund geht. Das hoffe ich zumindest.

 

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WR Bomsdorf bei netzwerk recherche Tagung

Skandinavien-Korrespondent Clemens Bomsdorf vertritt auf der netzwerk recherche Jahreskonferenz in Hamburg (3./4. Juli) am Samstag die Weltreporter. Mit Daniel Jahn (Chefredakteur AFP) und Sonja Volkmann-Schluck (Redakteurin n-ost) diskutiert Weltreporter Bomsdorf am 4.7. ab 10.30 Uhr über Auslandsjournalismus:

wr_user_bomsdorf_clemens“Auslandsreporter unter Druck – Wie berichten über Krisen und Kriege wenn an der Ausstattung gespart wird?” Moderiert wird die Veranstaltung beim NDR Fernsehen in Hamburg von der freien Journalistin Gemma Pörzgen.

Die These: Gerade im Ausland machen viele Journalisten die Erfahrung, dass ihre Medien sich zwar gerne mit guten Geschichten aus aller Welt schmücken, aber immer seltener für entstehende Kosten aufkommen. Honorare sinken und Reisekosten werden selten übernommen. Besonders gravierend ist das, wenn in Krisengebieten an Versicherungsschutz, Sicherheitswesten und moderner Ausrüstung gespart wird. In den Redaktionen fehlt es häufig an Ansprechpartnern unter den Redakteuren, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es ist, im Ausland zu arbeiten. Haben fundierte Berichterstattung, eigene Recherche und Qualität dennoch eine Zukunft?

 

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Kalifornische Medienpreise für Weltreporterin Kerstin Zilm aus Los Angeles

Erst piepste das Telefon – eine neue Textnachricht. Die hab ich nicht beachtet. Schließlich war ich gerade am Kochen! Dann wurde ich aber doch neugierig, schaute nach und legte zwischen Pfannen und Töpfen einen kleinen Freudentanz auf die Küchenfliesen!
“Du hast einen Preis bei den Southern California Journalism Awards gewonnen!” schrieb ein Kollege. “Deine Geschichte “I knew you back then” für KCRW”.
Skylar-Meyers
KCRW?! Super cool! Erstens ist das mein Lieblingssender in den USA. Zweitens war es spannend, die Geschichte von Skylar und Randall aus South LA aufzunehmen und weiterzuerzählen. Drittens bin ich dann doch ein wenig stolz, dass ich einen Preis für eine Geschichte auf Englisch gewinne in einem Feld von vielen etablierten US-Journalisten und Journalistinnen.
Leider, leider, leider konnte ich bei der Preisverleihung nicht dabei sein, habe aber inzwischen Online nachgeschaut, ob es auch wirklich stimmt und auch die Begründung für die Preisvergabe gelesen:
“How can a piece sound as if it wasn’t edited as if it wasn’t even recorded. This is powerful and real and we learn about two people who were friends as kids but then they turned out very differently. We discover the differences as they do – and Skylar gives us insight into her friend, Randall almost as an aside. We are there!”
Grobe Übersetzung: “Wie kann sich ein Stück anhören, als wäre es gar nicht bearbeitet, nicht mal wirklich aufgenommen. Das ist stark und echt und wir erfahren etwas über zwei Menschen, die als Kinder Freunde waren, dann aber sehr unterschiedliche Wege gingen. Wir entdecken mit ihnen ihre Unterschiede und Skylar hilft uns fast nebenbei, ihren Freund Randall zu verstehen. Wir sind mittendrin!”

Ich krieg jetzt noch rote Wangen und heiße Ohren wenn ich das lese!

Beim Nachschauen, ob ich wirklich gewonnen habe und warum entdeckte ich dann: ich hab noch einen Preis gewonnen! Diesmal in der internationalen Kategorie. Darin sind alle Geschichten aufgenommen, die wir Reporterinnen und Reporter aus aller Welt in Süd Kalifornien für Medien zu Hause produzieren.
Auch hier gewann eine Geschichte von mir aus South Los Angeles.

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Diesmal ging es um die tödlichen Schüsse von Polizisten auf den unbewaffneten Ezell Ford. Ich war bei einer anschließenden Gemeindeversammlung mit Polizisten in einer Kirche gewesen und hatte darüber für das Deutschlandradio berichtet.
Und die Jury schreibt zur Begründung:
“Conveys the deep pain, mistrust and anger of many in the African-American community when it comes to dealing with the LAPD. You can practically feel the anger and a certain level of helplessness bubbling just beneath the surface of everyone involved.”
Übersetzt in etwa: “Vermittelt tiefgehenden Schmerz, Misstrauen und Wut, die viele in der Afroamerikanischen Gemeinde spüren wenn sie mit der Polizei von Los Angeles zu tun haben. Man kann die Wut praktisch spüren und auch ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit unter der Oberfläche bei allen, die an den Geschehnissen beteiligt sind.”

So ein Preis tut doch tatsächlich gut. Mehr als ich gedacht hatte. Vermutlich auch, weil wir Radiomenschen ja doch meist allein unterwegs sind mit Mikrofon und Aufnahmegerät, wenig feed back bekommen und oft das Gefühl haben, Beiträge ‘versenden’ sich vor allem.
Ja, und so freue ich mich Stunden später noch immer über diese Anerkennung, bin froh, dass es in Deutschland und den USA Medien gibt, die an den Geschichten, die ich abseits ausgetretener Pfade finde, interessiert sind und dass ich sie hier in Los Angeles als weltreporterin entdecken und erzählen kann.
Aber jetzt brauch ich erstmal nen Sekt. Oder besser noch nen Schnapps!
Ach nee, ist ja erst zehn Uhr morgens und die Arbeit wartet!

 

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Zur Wahl: Dänemark will sich von Außen sehen

In den relativ bevölerungsarmen nordeuropäischen Ländern sind die Medien immer wieder ganz begeistert, wenn es darum geht zu berichten, wie sie im Ausland gesehen werden.

Es mag der kleine-Bruder-Komplex sein, vielleicht ist es aber auch einfach Weltoffenheit. Schon häufiger sind meine Text über die fünf Länder in den dortigen Medien zitiert worden und regelmäßig werde ich von Hörfunk- und Fernsehen gebeten, doch einmal zu sagen, wie denn Deutschland nun diese oder jene Entscheidung oder dieses oder jenes Ereignis sieht.

Häufig muss ich mein Statement um ein “so wirklich wahnsinnig groß interessiert das aber keinen” ergänzen.

So auch bei den diesjährigen dänischen Wahlen (über die ich für Das Parlament hier berichtet habe). Zweimal bat mich das öffentlich-rechtliche Radio Dänemarks, DR, ins Studio, um zu hören, wie denn in Deutschland die dänische Debatte verfolgt werde (wenig) und über was man besonders überrascht sei (dass die Einwanderung immer noch ein so großes Thema ist und das selbst die Sozialdemokraten bei diesem Punkt sehr populistisch geworden sind; dass die Wahl sehr spontan ausgerufen wird).

Nachzuhören sind die Beiträge von Mennesker og Medier (Menschen und Medien) hier und von Orientering (Orientierung) hier.

 

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Roland Hagenberg Ausstellung in München

Roland Hagenberg und die amerikanische Fotografin Sheila Metzner bereisten 2003 den Südwesten der Vereinigten Staaten, um für das BMW Magazin Landart Installationen zu dokumentieren. Aus der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Faszination für die Naturformen Arizonas und New Mexicos  entstand eine langjährige  Freundschaft, die  nun auch in der Fotoausstellung „Körperlandschaft“ bei  ponyhof art club in München zum Ausdruck kommt. Roland und Sheila haben diesmal allerdings skulpturale Landschaften aus Körper festgehalten und nicht aus Canyons und Wüsten. Rolands Fotos sind stilisierte Emotionslandschaften, die sich zwischen meditativer Gelassenheit (Pacific View), innerer Leere (Laura wih Snake Hat), und Aggression (Fashion Jihad) bewegen.

Juni – 28. Juli 2015 (Roland ist bei der Eröffnung am 16. Juni ab 19:00 anwesend)

ponyhof artclub contemporary art Pestalozzistr. 14   80469 München  0049 /152 33 52 49 57

ponyhof-artclub.com

Pacific View copyright hagenberg Pacific View

Laura with snake hat-300dpi Laura with Snake Hat

Fashion Jihad - copyright hagenberg Fashion Jihad

Lightning-Sheila-Roland-lowres Sheila Metzner and Roland in New Mexico

 

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Von Kairo nach Schwäbisch Gmünd

Stadtbibliothek Schwäbisch Gmünd: Suleman Taufiq, Jürgen Stryjak, Jörg Armbruster

Mittendrin dann plötzlich die heikelste Frage von allen. Zuvor hatten wir den Umbruch in Ägypten diskutiert, die zunehmend repressiven Verhältnisse, die zerstörten Hoffnungen und den Wunsch vieler Ägypter nach Stabilität. Wir hatten versucht, etwas Klarheit in den Schlamassel zu bringen, so gut es eben ging. Wir beschäftigten uns mit Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Aber länger überlegen musste ich erst, als der langjährige ARD-Korrespondent Jörg Armbruster von mir wissen wollte, ob ich mir vorstellen könnte, in Schwäbisch Gmünd zu leben. Was antwortet man auf solch eine Frage, wenn vor einem knapp hundert stolze Schwäbisch Gmünder sitzen, deren Stuhlreihen so angeordnet sind, dass sie den Fluchtweg versperren?

Natürlich kann ich mir vorstellen, dort zu leben. Schwäbisch Gmünd ist eine feine, mittelkleine Stadt mit herausgeputztem historischen Stadtkern, eine Idylle, die für jeden, der gerade aus Kairo kommt, einen Anblick bietet wie mit Photoshop bildbearbeitet. Außerdem hängt es ja von Tausendundeinem Grund ab, ob man an einem Ort zurechtkommt, allen voran von der Arbeit. (Und da ist Schwäbisch Gmünd für einen Nahostkorrespondenten leider eher weniger geeignet, auch wenn es in Nah-Ostwürttemberg liegt.)

Zusammen mit Jörg Armbruster und Suleman Taufiq, den Herausgebern des Stadtlesebuches »Mein Kairo – My Cairo«, war ich an einem Abend in der Stadtbibliothek des Ortes zu Gast und am darauffolgenden Abend dann im Buchhaus Wittwer in Stuttgart. Der großformatige, edel gestaltete Band mit Texten von rund 50 Autoren ist eine Liebeserklärung an die Millionenmetropole am Nil – der vermutlich einzige Kairo-Bildband, in dem die Pyramiden kein einziges Mal auftauchen, jedenfalls nicht in den 140 spannenden Photographien von Barbara Armbruster und Hala Elkoussy.

In meinem Text erzähle ich von meiner Zeit im ärmlichen, traditionellen Altstadtviertel Bab al-Shaariyya. Unter anderem berichte ich vom benachbarten Tischler, der mal ein geborstenes Wasserrohr in meiner Wohnung mit den Worten reparierte: »Wenn Gott will, dass dein Wasserrohr am Ende wieder ganz ist, dann kriege sogar ich das hin. Wenn Gott dies nicht will, dann schafft das auch kein richtiger Klempner.«

Besser kann man die Entspanntheit gar nicht beschreiben, mit der die Kairoer ihren Alltag am Ende doch immer irgendwie bewältigen. Gleichzeitig ist dieser Ansatz beunruhigend. Man stelle sich vor, der Tischler hätte mich mit denselben Worten am Blinddarm operiert: »Wenn Gott will, dass du den Eingriff überlebst, dann kriege sogar ich das hin. Wenn Gott dies nicht will, dann schafft das auch kein echter Chirurg.«

 

Infos zu dem dreisprachigen Stadtlesebuch/Bildband (deutsch, englisch, arabisch) auf der Webseite der edition esefeld & traub.  Und so fand die Lokalpresse unseren Abend in Schwäbisch Gmünd.

Stadtbibliothek Schwäbisch Gmünd

Stadtbibliothek Schwäbisch Gmünd

 

Lesung und Diskussion im Buchhaus Wittwer in Stuttgart: Jörg Armbruster, Jürgen Stryjak, Suleman Taufiq

Lesung und Diskussion im Buchhaus Wittwer in Stuttgart: Jörg Armbruster, Jürgen Stryjak, Suleman Taufiq

 

Buchhaus Wittwer Stuttgart

Buchhaus Wittwer Stuttgart

 

Einband des Stadtlesebuches "Mein Kairo - My Cairo - مدينتى القاهرة"

Einband des Stadtlesebuches “Mein Kairo – My Cairo – مدينتى القاهرة”

 

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Mehr als 50 Prozent Frauen bei WELTREPORTER.NET

screenshot B Vorschlag AusschnittHamburg, 30. März 2015. Während laut der Journalisteninitiative ProQuote im ZDF fast nur Männer die Auslandsberichterstattung bestimmen, sind bei WELTREPORTER.NET, dem Zusammenschluss freier Auslandskorrespondenten, die Frauen in der Mehrheit.

„Von unseren 43 aktiven Korrespondenten sind 23 Frauen. Wir sind da anscheinend erheblich weiter als andere, und das sogar ohne Quote,“ sagt Barbara Heine, Leiterin der deutschen Repräsentanz von WELTREPORTER.NET. „Denn die Realität ist: Es gibt ebenso viele hoch qualifizierte Frauen wir Männer unter den Journalisten.“

Viele relevante Standorte sind bei WELTREPORTER.NET  in der Hand von Frauen: So berichtet Birgit Svensson seit vielen Jahren, teilweise als einzige deutsche Journalistin, aus dem Irak, Susanne Güsten aus Istanbul, Susanne Knaul und Tanja Krämer aus Jerusalem. Über die Auswirkungen der Euro-Krise in Griechenland berichtet Alkyone Karamanolis (Athen), in Spanien Julia Macher. Insgesamt arbeiten neun Weltreporterinnen in Europa.

Mehr als die Hälfte der Frauen bei WELTREPORTER.NET arbeitet an außereuropäischen Standorten: Bettina Rühl, Leonie March und Nicole Macheroux-Denault berichten aus Afrika, Christiane Kühl und Hilja Müller aus Peking, weitere Kolleginnen aus den USA, Argentinien, Brasilien, Indonesien, Neuseeland und Australien.

Auch im Vorstand des im Jahr 2004 gegründeten Vereins gibt es mehr Frauen als Männer, hier ist das Verhältnis drei zu zwei.

„Wenn Weltreporter berichten, wird das Weltgeschehen deshalb nicht nur kompetent und differenziert, sondern auch ausgewogen präsentiert“, so Barbara Heine.

WELTREPORTER.NET ist das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondenten und berichtet aus und über mehr als 160 Ländern.

 

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Die nicht so schöne Wahrheit – Obdachlos in Los Angeles

Verstörende Bilder und Töne vom Erschießen eines Obdachlosen mitten in Los Angeles erinnern mich an die Stunden, die ich erst vor Kurzem dort verbracht habe – bei der alle zwei Jahre stattfindenden Obdachlosenzählung.
Auf dem Weg vom Parkplatz zu der Unterkunft, an der der Zählung beginnen sollte fielen mir natürlich die Zelte, die aus Planen und Tüchern improvisierten Lager, der Müll und der Gestank auf. Marihuanaschwaden waren eine willkommene Abwechslung zu Wolken aus Urin und saurem Schweiß. Bilder, die mich bis heute verfolgen sind die von Kleiderbündeln, die ich auf der Straße sah und nicht wusste, ob darin ein Mensch verborgen ist, plötzliche Schreie, die scharfe Warnung eines Vorbeigehenden, vorsichtig zu sein, der fast zahnlose Mann, der aus einer zerrissenen Plastiktüte Socken verkaufen wollte und die vielen mutlosen, verzweifelten und leeren Augen.
Die Gruppe, die ich bei der Zählung begleitete, begann mit der Befragung von S., einer 49 jahre alten Frau, die sich im Wartesaal der Unterkunft ausruhte.

Obdachlos, 49 Jahre alt, Schlafplatz Busbank

Obdachlos, 49 Jahre alt, Schlafplatz Busbank


Sie erzählte, dass sie seit 20 Jahren mehr oder weniger obdachlos ist, in einem Kreislauf aus Arbeitslosigkeit und Wohnungssuche steckt, der sie zur Verzweiflung bringt. Das Leben auf Skid Row, wie dieser Teil von Los Angeles heisst, macht sie wortwörtlich krank. Ihm zu entfliehen scheint eine unerreichbare Vision.
Skid Row ist wie eine andere Welt mitten in der Stadt. Kein Small Talk, keine blank geputzten Limousinen, keine vorgetäuschte Freundlichkeit, kein Wellness oder Botox, keine Hipster und keine Promis (außer an Thanksgiving und Weihnachten), keine Meeresbrise und keine Poolparties. Wer es nicht sehen will, fährt auf der Stadtautobahn weiträumig am Viertel vorbei.
Allerdings: Downtown LA boomt und Skid Row ist nur wenige hundert Meter von den neuen Restaurants, Bars und Lofts entfernt. Der Bürgermeister verspricht, das Obdachlosenproblem zu lösen, nicht nur an einen anderen Ort zu verlegen.
S., bekam für das Beantworten der Fragen einen Fünf-Dollar-Gutschein für ein Fast Food Restaurant. Bevor sie mit ihrem kleinen Rollkoffer loszog zu ihrem Schlafplatz – einer Bushaltestelle – sagte sie:”Ich hoffe, die Zählung bringt Veränderungen,”
Ich wünschte, sie könnte sich darauf verlassen.

Hier können Sie nachhören, was S. gesagt hat.

 

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Adventston 8. 12. – Sufi-Sänger

… aus Nizamuddin in Neu Delhi.  Diesen O-Ton haben wir aus einem Video herausgenommen, das Michael Radunski in Delhis Stadtteil Nizamuddin aufgenommen hat, in einem kleinen Hinterhof vor dem Mogul-Grab Chausath Khamba. Was wir hier hören ist “Qawwali”, ist ein zum Sufismus gehörender Gesangsstil, der ursprünglich aus der ehemaligen Provinz Punjab im heutigen Pakistan und Nordindien stammt.

Das Grab im Hinterhof wurde 1623 erbaut und hütet die Gebeine des Mogul-Kaisers Mirza Aziz Kokaltash. Der Name Chausath leitet sich von der impossanten Deckenkonstruktion ab, die auf 64 Marmorsäulen ruht (Chausath = 64). Seit 2011 wurde das Grabmal mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Delhi restauriert und nun feierlich mit Qawwali-Gesang für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Michael hat das Video extra für den Adventskalender aufgenommen.

Bevor Michael 2012 nach Neu Delhi kam, hat er in England und China gelebt. In seinen Reportagen, Interviews und Porträts erzählt er nun von einem Land, das ihn durch seine Unterschiedlichkeit fasziniert.

(Fotos: co Deutsche Botschaft Neu Delhi/German Embassy New Delhi)

 

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VÖLLIG UTOPISCH?  Welt-Reise mit Weltreporter.net 

Benno Fürmann ©AnjaLimbrunnerAm Mittwoch, 24. September, stellen wir ab 17.30 mit dem Schauspieler Benno Fürmann in der GLS-Bank in Berlin-Mitte unseren Reportage-Band „Völlig utopisch“ vor. Marc Engelhardt, Philipp Hedemann, Julia Macher und Kerstin Zilm präsentieren das neue Weltreporter-Buch,  Schauspieler Benno Fürmann (u.a. „Anatomie“, „Tom Sawyer“) liest.

Cover_Völlig_utopisch„Für die Gestaltung der Zukunft ist Utopie die entscheidende Qualität“, schreibt Ilija Trojanow im Vorwort zum Reportage-Band. – Die Korrespondenten haben Orte und Menschen mit Zukunftspotential besucht: ein Dorf in Namibia, das sich seine eigene Währung geschaffen hat. Einen Ort in Äthiopien, der Karl Marx gefallen hätte. Eine Künstlersiedlung in der Colorado-Wüste. Eine Hacker-Community im katalonischen Hinterland. 

Das Zeitmagazin fand: Ein Buch, das „heiter bis glücklich“ macht!

Die Veranstaltung ist gratis, unterhaltsam und garantiert spannend!  Treffen Sie WELTREPORTER.NET – Menschen, die dort sind, wo die Nachrichten entstehen. Die Geschichten erzählen, die unter die Haut gehen – und durch die wir unsere Welt ein bisschen besser verstehen.

24. September, 17.30 Uhr, „Völlig Utopisch“

GLS-Bank Berlin, Schumannstraße 10, 10117 Berlin

Gratis, Anmeldung bitte unter berlin-aktuell@gls.de

WR danken der der GLS-Bank und der Buchhandlung Ocelot.

Foto von Benno Fürmann © Anja Limbrunner 

 

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Argentinien nach dem Finale – sie feiern trotzdem!

Ohne Worte: Gestern Abend in Buenos Aires, Blick auf den Obelisk. Aus ist es mit dem WM-Traum.

Hier der Link zu einem kurzen Video:

Argentinien nach dem Finale

Argentinien nach der WM

 

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Gestern Bagdad, heute Hamburg: Birgit Svensson bei Netzwerk Recherche

BirgitSvenssonWelteporterinBagdad

 

Birgit Svensson lebt und arbeitet seit Jahren in Bagdad. Als freie Journalistin an einem der aktuell gefährlichsten Orte schreibt  und berichtet sie u.a. für DIE ZEIT, die WELT, den Deutschlandfunk, den Schweizer Rundfunk und die Deutsche Welle. Sie ist eine der ganz wenigen Frauen, die vor Ort das aktuelle Chaos , die dramatischen Veränderungen erleben. Noch im letzten Jahr musste sie um ihren Verbleib in Bagdad kämpfen, für viele Medien schien der Irak uninteressant. Jetzt sind sie alle  wieder interessiert, wollen Berichte und Reportagen.

 

Wie Birgit Svensson das alles erlebt. wie sie  mit dem Problem Sicherheit umgeht, wie dieser Bürgerkrieg auch sie verändert – darüber redet sie auf dieser Veranstaltung. Und stellt sich all den Fragen derer, die Bagdad und den Irak nur vom Fernseher oder den Zeitungen kennen.

Mit Christoph Reuter, Spiegel.

Heute, Freitag, 4. Juli, 14.15 Uhr Netzwerk Recherche-Tagung, NDR Gelände Lokstedt, Hugh-Greene-Weg.

 

BIRGIT SVENSSON noch einmal HEUTE um 15.30 Uhr: Lasst uns über Geld reden. Neue Modelle für Freie im Ausland. Moderation: Gemma Pörzgen, Freischreiber.

BITTE AKTUELLE RAUM-HINWEISE BEACHTEN!

 

 

 

 

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Psssssst! Der König ist…

Spaniens König dankt ab – und kurz darauf kündigen acht spanische Karrikaturisten ihren Job. Nicht, weil ihnen ihr Lieblingssujet und somit die Inspiration abhanden gekommen ist, sondern aus Protest: Ihr Arbeitgeber, der Verlag RBA, hatte 60.000 frisch gedruckte Exemplare der Satire-Zeitschrift El Jueves einstampfen lassen, weil auf dem Cover der royale Rentner zu sehen war, wie er seinem Sohn eine ramponierte Krone überreicht.

 

El Jueves Rey

Gemessen am Skandalpotenzial des Königshauses (Elefantenjagd, Corinna-Affäre, Steuerhinterziehung, Korruptionsverdacht und derzeitige Sympathie-Werte von 3,72 auf eine Skala von 1 bis 10)  eigentlich ziemlich harmlos. Dem Verlag aber stank die Karrikatur gewaltig. “Setzt auf keinen Fall den König auf den Titel”, soll die Verlagsleitung die Redaktion angewiesen haben. Die leistete Folge – und fast alle Stammautoren des Blattes gingen.

Schon erstaunlich: Jeder journalistische Instinkt gebietet, das Top-Ereignis der Woche an herausragender Stelle zu würdigen. Dem Verlag RBA aber galt es als Faux-Pas. Und nicht nur dem. In Spaniens Medienlandschaft greift dieser Tage ein Reflex, der schon überwunden schien: Bloss nix Schlechtes über JuanCa, bloss nix gegens Könighaus…

Dass bereits am Abend der Abdankung  in allen grösseren spanischen Städten Zehntausende Spanier die Abschaffung der Monarchie forderten, war den grossen (Print-)Tageszeitungen und staatlichen Rundfunkanstalten nur eine Randnotiz wert. Ein Königshaus-Experte hatte in einer der vielen Talkrunden schon einmal vorausschauend geurteilt, es gäbe jetzt bestimmt viele Bürger, die im Überschwang der Gefühle Dinge sagten (z. B. “España mañana será republicana”  “Morgen ist Spanien republikanisch”) und täten (z. B. demonstrieren und oben genannten Sprechchor anstimmen), die sie eigentlich gar nicht dächten oder wollten. Wer so allwissende Analysten hat, braucht auch keinen Beichtvater mehr.

Ach ja, schon einmal war ein königliches El-Jueves-Cover zensiert worden. 2007 waren auf dem Titel Kronprinz Felipe und Letizia beim Zeugungsakt zu sehen, es ging um das frisch eingeführte (und längst wieder abgeschaffte) Kindergeld. Damals hatte ein Richter darin eine “Ehrverletzung” gesehen und die Auflage beschlagnahmen lassen. So viel Brimborium war diesmal gar nicht nötig. Selbstzensur ist ja so effektiv. Und dazu noch Kosten sparend.

 

 

 

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Stadt der Mauerblümchen

Auch deshalb liebe ich Tokio: Begehbare Dächer im zehnten, zwölften oder fünfzehnten Stock. Umgeben von Wolkenkratzern, Himmelsfetzen, Neonblitzen. Mit einem Horizont, wie er sonst in überregulierten, zivilisierten Metropolen unerlebbar ist: Mittendrin im Lebens-Canyon einer wuchernden Stadt.

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Stadterlebnis auf halber Höhe: Privater Wohnbau “Garden and House” von Ryue Nishizawa.

Aus Platzmangel sind Treppenaufgänge oft seitlich an Gebäuden montiert – führen von der Strasse direkt zum Rooftop. Ohne Tür und Gitter dient der Zugang auch als Fluchtweg bei Feuer und Beben. Das Betreten ist nur Bewohnern gestattet, aber man kann sich ja auch verlaufen haben. Und so entdecke ich Tokio von oben immer wieder aufs Neue, wie es sich – trotz widersprüchlicher Unordnung, als Einheit präsentiert. In Ritzen und Nischen jedoch blüht die Rebellion der Details.

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Schwindelerregender Treppenaufgang vor der Azabu Kreuzung. “Garden and House” eingezwängt zwischen Büro- und Wohntürmen. Im Hintergrund ein Ausläufer vom Sumida Fluss.

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Mein Aussichtsposten gegenüber „Garden and House“ in Hachobori.

Vom eleganten Ginza Viertel spazierte ich letzte Woche hinüber zur Hachobori Station, wollte mir immer schon „Garden and House“ von Pritzker Preisträger Ryue Nishizawa ansehen, vor allem das Umfeld. Angrenzendes Chaos filtern Magazine bei Architekturfotos ja meistens raus. Gegenüber dem weltbekannten Kleinbau finde ich einen Treppenaufgang. Der Rooftop im zehnten Stock ist abgesperrt, doch der Ausblick auf der Treppenplattform reicht aus – und reicht bis zu einem Seitenkanal vom Sumida Fluss.

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Versteckte Rückenansicht von “Garden and House”.

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Den Drink auf der Kühlanlage abstellen: Tokio Rooftops bieten ungewöhnliche Settings für Spontanparties und Stelldicheins – zum Beispiel vor Kisho Kurokawas legendärem Nakagin Capsule Tower. Jean Nouvels Dentsu Wolkenkratzer zwischen den Rostfassaden zählt 48 Stockwerke.

 

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Diktatur der Mega-Esser

Ich weiss, es kommt mit dem Beruf: Bücher schleppen, Kataloge schmuggeln und in die Seitenfächer vom Koffer Magazine schieben – bis zum Gehtnichtmehr. Den Wintermantel beulen Kamera, iPad, Batterien und Kabel aus. Den Reissverschluss vom Handgepäck strapazieren Belegexemplare. Noch bin ich ruhig, kurz vor dem Check-in. Aber dann. „Vier Kilo Übergewicht“, sagt die uniformierte Frau. „Macht 80 Euro. Bar oder Karte?“

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Ich bin ein leichter, ausgebeuteter Flieger: Penny Modra fotografierte mich in Melbourne von der Flanders Lane aus im Adelphi Hotel Pool. Aeroflot Anflug über dem Burgenland.

Hinter mir steht ein Deutscher, sicher über 100 kg, wenn nicht 120. Und der Ami vor mir bestimmt nicht unter 90. Und das Mädchen, gross, sportlich, mehr als ich, mehr als 67 Kilo. Und ich, mit meinen 178cm muss für 4000 Gramm extra zahlen? Normalgewichtige aller Länder vereinigt Euch! Kampf der Ausbeutung durch die Diktatur der Mega-Esser, die auf unsere Kosten billiger fliegen. Wehrt Euch gegen die unverantwortlichen Carbon-Footprint-Hinterlasser, die bei jedem Check-in ungeschoren davon kommen. Besteht auf Eure Bonuspunkte, wenn ein Bayer samt Gepäck 130 Kilo wiegt und Ihr nur 87!

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Belegexemplare als Übergewicht: A&W Ausgabe Dezember 2013 mit Bericht über mein Architekturprojekt in Raiding, Burgenland.

 

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War mein Vater im Geheimdienst?

Seit der NSA-Snowden Affaire denke ich oft an meinen Vater. Er ist vor ein paar Jahren verstorben, hatte ein abenteuerliches Leben hinter sich – zumindest in seinen jungen Jahren als Fremdenlegionär in Afrika und Vietnam, zumindest, wenn ich ihm Glauben schenken darf, was er erzählte (als Beamter im österreichischen Innenministerium).

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Mein Vater liest uns vor: Zumindest könnten die Geschichten wahr sein

„Zumindest“ begleitet alle Erinnerungen an ihn. Es ist ein Schlüsselwort, auch von Geheimdiensten, wenn sie Zweifel sähen wollen, wenn Tatsachen ans Licht kommen, die angeblich nicht für uns, die Öffentlichkeit, bestimmt sind. Wir haben ja gewusst, dass unsere E-Mails gelesen und Telefonate abgehört werden – zumindest, so dachten wir, besteht die Möglichkeit dazu. Und wenn Julian Assange als Sexverbrecher dargestellt wird, könnte das eine Rache der NSA an Wikileaks sein – aber andererseits und zumindest könnte sich Julian auch wirklich vergangen haben. Rufmord im gleichen Stil funktioniert nicht zwei mal hintereinander. Aber hey, der Snowden-Affairen-Aufdecker Journalist Glenn Greenwald hat doch einen schwulen Partner. Präsentieren wir doch den der breiten Öffentlichkeit – zumindest könnte mit ihm was faul sein.

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Algerien, 1946: Mein Vater in der Fremdenlegion

Erzählungen von meinem Vater damals erklären heute, warum kein Politiker gegen Praktiken wie die der NSA vorgeht. („Nicht einmal faule Eier fliegen“ kommentiert ein Leser vom österreichischen Der Standard.)

„Alle Volksvertreter sind von diesen zwielichtigen Institutionen erpressbar,“ sagte mein Vater. „Die Agenten bezahlt das Volk, aber kontrollieren, zur Rechenschaft ziehen, kann es sie nicht. Im Innenministerium liegen von allen Politikern Geheimakte auf. Die Staatspolizei (Anmerkung: heute heisst dieser Geheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) lanziert Informationen nach Gutdünken und politischer Gesonnenheit. Sie sind nur einem kleinen, inneren Kreis vorbehalten, der keiner Aufsichtsbehörde untersteht. Sie dienen zum Selbstschutz der Geheimdienstler, zur Erpressung und für Geschäfte. Gibst du zum Beispiel den Israelis eine Information, bekommst du zwei gute zurück. Deshalb wird der Mossad geschätzt.“

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Pensioniert und vom Staat ausgezeichnet: Mein Vater beim Kasernenbesuch in den 90er Jahren

Ich weiss bis heute nicht, welche Funktion mein Vater im Innenministerium wirklich einnahm. Er tat geheimnisvoll, wissend, gewichtig und immer so, dass er zumindest auch ein Wichtigmacher hätte sein können, was wiederum auch nicht Sinn machte, da er ja zumindest einen der höchsten Orden der Republik erhalten hatte. Kurz vor seinem Tod erwähnte er, dass er aus seiner umfangreichen Büchersammlung noch ein paar Dokumente entfernen wollte, die er dort “zur Sicherheit” versteckt hatte. “Es wäre besser, wenn ich sie nicht finde.” Er kam nicht mehr dazu – und ich auch nicht, das heisst, tausende Seiten durchblättern, denn, zumindest könnte zwischen den Buchdeckeln ja wirklich etwas Interessantes zum Vorschein kommen.

 

 

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Mein Nationalfeiertag

Am 26. Oktober war ich nicht in Japan, besuchte mit Architekt Terunobu Fujimori Raiding. Der Geburtsort von Franz Liszt befindet sich im Burgenland – unweit vom ehemaligen Eisernen Vorhang. Die Vortragsscheune war alt, das Architekturthema modern. Zur gleichen Zeit feierte Österreich – wie jedes Jahr, seine wiederhergestellte Souverenität: mit Panzerparaden und Rekruten auf der Wiener Ringstrasse. Und deshalb fiel mir folgende Geschichte mit meinem Armeepullover ein.

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Sturmgewehr vorn. Pullover nach hinten: Auch ich war einmal Rekrut.

1973 diente ich meiner Heimat, wie man so schön sagt. Während der sechs Monate als Wehrpflichtiger in der Kaserne Leobersdorf bei Wien lernte ich, dass eine Handgranate aus 3000 Splittern besteht und über den Kopf geworfen werden muss – damit sie nicht in den eigenen Reihen explodiert. Das Sturmgewehr konnte ich in stockdunkler Nacht zerlegen, putzen und wieder zusammenbauen. Panzer eleminierte ich mit einem langen Brett, einer Schnur und einer Mine. Kurz vor Eintreffen des „Russen“ zog ich das Brett vom Versteck aus über die Fahrbahn. Bummmm! Heute heisst sowas IED – Improvised Explosive Devise, und die Taliban verwenden statt der Schnur ein Handy. Ausserdem lernte ich, dass es besser ist, den olivgrünen Pullover mit dem V-Ausschnitt nach hinten zu tragen. Das schützt den Hals besser vor Gegenwind. Nach dem Abrüsten durfte ich diesen Pullover, sowie eine Hose – und ich glaube, auch eine lange Unterhose in Tarnfarbe, behalten – für den Ernstfall, sollte der Russe doch noch kommen. Ich nehme an, dass es bei einer Mobilisierung Zeit spart: Kein Armeeunterhosenanziehen in der Kaserne, sondern schon auf dem Weg dorthin. Der Schnitt und die Farbe des Pullovers passte perfekt zu meinen Jeans, und so war er noch Jahre nach meinem aktiven Heimatdienst fester Bestandteil von Disko- und Ausstellungseröffnungsbesuchen – bis er sich irgendwann von selber auflöste.

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Pullover und Unterhose, 30 Jahre alt, für €36.34

Wie gross meine Überraschung, als ich dreissig Jahre später vom Militärkommando eine eingeschriebene Drohung erhalte – getarnt als Grosszügigkeit. Wird der Pullover samt Unterhose nicht retourniert, geht’s vor’s Gericht. Die Grosszügigkeit bestand darin, dass „in Anerkennung meiner geleisteten Dienste“ die Möglichkeit besteht, den dreissigjährigen Pullover und die Unterhose für €36.34 zu erwerben.

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Dank an die Sovietunion für die Befreiung von der Naziherrschaft: Das „Russendenkmal“ auf dem Schwarzenbergplatz in Wien. Heute dient es als Kulisse für russische Musikvideos.

Ob die Betriebsversorgungsstelle des österreichischen Militärkommandos mit der Armeebekleidung immer noch so umgeht, das heisst, im Jahr 2043 zurückverlangt? Wer ist heute der imaginäre Feind? Es muss ihn geben, denn sonst würden am Nationalfeiertag in Wien keine Panzer rollen. Oder ist der Feind unsichtbar, die Militärparade ein Ausdruck der Hilf- und Nutzlosigkeit? Ist der Feind vielleicht sogar einer, der aus meinem Blog Schlüsselwörter wie IDE, Taliban und Handgranate filtert?

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Verfallener Schweinestall im Burgenland: Bauern versteckten hier ihre Frauen während der zehnjährigen russischen Besatzungszeit.

 

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Im Zentrum der Macht

Unterirdische Gänge führen vom japanischen Parlament zu den Büros der 480 Abgeordneten . Einer von ihnen ist Hideki Miyauchi (52). Er vertritt die Anliegen von 350,000 Einwohnern und ist Mitglied der Liberal Democratic Party (LPD). Ich besuche den konservativen Politiker, passiere dabei unbedrohlich wirkende Sicherheitszonen.

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Anzug zurechtrücken im Granittunnel: Sauber und steril ist der Zugang und unscheinbar die Videoüberwachung.

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Unterstützung vom Boss: Mit dem Wahlsieg von Premierminister Shinzo Abe (rechts) ist Hideki Miyauchi im Dezember 2012 zum ersten Mal ins Parlament eingezogen. 25 Jahre hat er sich darauf vorbereitet – als Mitarbeiter von einem Abgeordneten. „Ich fliege jedes Wochenende in meine Heimatstadt Fukuoka, besuche Bauern und Geschäftsleute. Wir müssen auf Biegen und Brechen die japanische Wirtschaft ankurbeln!“ sagt Miyauchi.

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Bürogebäude der Abgeordneten: Ich passiere einen Metalldetektor. Die Wachen tragen hellblaue Uniformen, sind zuvorkommend, Waffen erkenne ich auf den ersten Blick nicht. Die Atmosphäre ist kühl, geschäftsmässig. Keine Spur von Überheblickeit, wie ich sie sonst bei Sicherheitskontrollen an deutschen oder österreichischen Flughäfen erlebe. Eine uniformierte Dame kontrolliert hinter Panzerglas meinen Ausweis. Vor mir ist eine kleine Kamerakugel aufgebaut, davor das Schild: „Sie werden nun im Büro, das Sie besuchen wollen, identifiziert“.

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Nach dem Security Check Hände desinfizieren: Ich besprühe meine Hände mit antiseptischer Flüssigkeit, hänge mir eine Magnetkarte um den Hals, passiere die zweite Absperrung. Sie sieht aus wie eine Fahrkartenschranke.

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Delegationen in Schwarz: Ich folge dunklen Anzügen zum Aufzug. Miyauchis Büro hat die Nummer 604 und liegt gleich neben dem des LDP-Granden Ichiro Ozawa.

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Abenomics: Mit Deficit spending und strukturpolitischen Reformen will Premierminister Abe dem Land auf die Beine Helfen. Seine LDP hat die absolute Mehrheit. Gefolgsleute wie Miyauchi predigen Verzicht (niedrigere Renten), Zusammenarbeit (Freiwilligenarbeit unterJugendlichen im Sozialbereich) und Mut (mehr Investitionen für Forschung und Ausbildung). Kritiker bezeichen den Abenomics-Kurs als leichtsinnig. Der Geldumlauf soll sich innerhalb von zwei Jahren verdoppeln.

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Marmelade und Nudeln: In seinem Büro hat Miyauchi Produkte aus seiner Heimat ausgelegt. „Die Leute aus meinem Wahlkreis sagen nicht direkt ‚wir wollen höhere Löhne‘. Sie sprechen indirekt, sagen zum Beispiel ‚Die Wirtschaft soll besser werden!‘ Als Abgeordneter muss ich die Wünsche herausfiltern, interpretieren. Meine Heimatstadt Fukuoka war immer schon Japans Tor zu Asien. Diesen Standortsvorteil sollten wir nützen.“

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Kühlen Kopf bewahren: „Militärisch gesehen bereitet uns die Nähe zu China keine Sorge,“ sagt Miyauchi. „Was immer in Zukunft passiert, Amerika bleibt unser Partner. Wir wollen einen sachlichen, konstruktiven Dialog mit unseren Nachbarländern.“

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Room with a view: Die Begrünung rund um das Abgeordentenhaus gleicht Wehranlagen aus alten Samurai-Zeiten.

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Auf Wiedersehen und alles Gute! Miyauchi empfängt Besucher und Delegationen im 30-Minuten-Rhythmus.

 

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Ägypten – das Reich der Phantasie

Dass die Wahrheit in Konflikten auf der Strecke bleibt, ist eine Binsenweisheit, ebenso wie die Tatsache, dass mit Informationen Politik gemacht wird. Geschenkt. Es gibt nichts, das ein Journalist nicht kritisch abklopfen muss.

 

Am 26. Januar 2011, dem zweiten Tag des ägyptischen Volksaufstandes gegen Mubarak, bin ich tagsüber zu drei Orten in der Nähe des ARD-Studios gegangen, für die Regimegegner Demos mit mehreren Tausend Menschen über Twitter und auf Facebook vermeldet hatten. An nicht einem der drei Orte traf ich auch nur einen einzigen Demonstranten an.

 

Bei Opferzahlen sieht’s nicht anders aus. Wem hohe Zahlen nutzen, der vermeldet hohe Zahlen, wem nicht, der nicht. Fotos von Kindern, die das ägyptische Militär angeblich bei ihren brutalen Angriffen gegen Mursi-Anhänger in Kairo tötete, erwiesen sich später als Bilder von Kinderleichen aus Syrien.

 

Diese Bilder waren auf Webseiten aufgetaucht, die der Muslimbruderschaft nahestehen. Andere Webseiten fanden die Quelle und stellten die Screenshots der ägyptischen sowie der syrischen Webseite nebeneinander –beide zeigen dasselbe Massakerfoto, nur mit einer anderen Bildunterschrift.

 

Ich habe aber auch schon Webseiten mit solchen Gegenüberstellungen gesehen, bei denen der »Beweis«, also der Screenshot von der Webseite mit dem angeblichen Originalfoto, eine Fälschung war – und das angeblich »entlarvte« Foto aber echt. Alles ziemlich verworren.

 

Gestern tauchten in Ägypten Fotos von Männern in Zivil auf, die mit Maschinengewehren bewaffnet am Rande von Demonstrationen durch Kairos Straßen liefen. Angeblich soll es sich um bewaffnete Mursi-Anhänger gehandelt haben. Das kann stimmen, ich habe selber in den letzten Wochen Mursi-Anhänger mit Waffen gesehen. Die Behauptung kann aber auch falsch sein. Andere Fotos von gestern zeigen Männer in Zivil und mit Maschinengewehren, die mit Polizisten in der Sonne stehen, plaudern und ganz offensichtlich zu ihnen gehören.

 

Zu welcher ‘Seite’ gehören Männer in Zivil, die in der Nähe von Protesten mit Waffen rumlaufen? Das Publikum entscheidet sich für die Antwort, die es hören will. Das ist der Hauptpunkt. Nur wenige der vielen Falschinformationen und Behauptungen dienen noch dazu, einen Beweis zu suggerieren. Sie sollen einfach nur Stimmungen beeinflussen, bei Leuten, die ohnehin schon in einer bestimmten Weise gestimmt sind.

 

Es ist inzwischen völlig egal, wie plausibel diese Behauptungen sind. Sie tauchen auf, sie putschen auf. Sie sind ein paar Stunden später schon wieder aus der Wahrnehmung verschwunden und haben ihren Zweck erfüllt. Im Zeitalter von Social Media und von Fernsehbildschirmen, die rund um die Uhr flimmern, erwartet niemand mehr, das irgendwas von dieser Informationsflut später dementiert oder entlarvt wird. Es guckt sich alles einfach so weg.

 

Seit Mittwoch wurden in Ägypten landesweit mehrere Dutzend Kirchen gestürmt, verwüstet und/oder in Brand gesteckt. Ich habe in Videoaufnahmen Täter gesehen, bei denen es sich mit ziemlicher Sicherheit um Sympathisanten von Mursi und der Muslimbruderschaft handelte – zur ‘Rache’ womöglich angefeuert durch die Reden, die wochenlang von der Protestcamp-Bühne an der Rabaa-al-Adawiyya-Moschee hallten und in denen aufs Übelste immer wieder auch gegen Christen gehetzt wurde.

 

Auf Aufnahmen von anderen der attackierten Kirchen sah ich Angreifer, die mit Pick-up-Trucks kamen und bei denen es sich unverkennbar um Baltagiyya-Schlägertrupps handelte, um jene meist jungen, verrohten Männer aus Armenvierteln, die seit Jahrzehnten für Funktionäre der Mubarak-Nomenklatura die Drecksarbeit machen, nicht selten vollgepumpt mit Bango (Marihuana), und die ein paar ägyptische Pfund für ihren Einsatz erhalten.

 

Eine ägyptische Koptin aus Beni Suef (die ich nicht kenne und für deren Äußerungen ich nicht bürgen kann) schrieb auf ihrer Facebook-Seite (mehrere Tausend Abonnenten): »Glaubt mir! Die, die bei uns im Ort die Kirchen anzündeten, waren Geheimdienstleute in Zivil und Männer von der NDP (Mubaraks 2011 aufgelöster Regierungspartei).« In einem Fernsehinterview an jenem Mittwoch erzählt ein koptischer Kirchenfunktionär aus Al-Minya, dass die Angriffe auf alle Kirchen im Ort exakt zur selben Zeit nach demselben Muster abliefen und vor allem in jenem Moment im Morgengrauen stattfanden, als in Kairo die brutale Räumung der Protestcamps der Mursi-Anhänger gerade begonnen hatte. Die Kopten riefen die Polizei an und baten um Schutz und Hilfe, aber bei keiner der überfallenen Kirchen habe sich die Polizei blicken lassen, bis zum Schluss nicht.

 

Es bleibt einem nichts weiter übrig, als sich auf all das irgendwie selber einen Reim zu machen – indem man so aufwändig und so kritisch wie möglich recherchiert und indem man die eigenen, Jahre langen Erfahrungen bei der Beurteilung hinzuzieht. Nach dem, was ich von den Überfällen auf die Kirchen gesehen habe, würde ich sagen: sowohl radikale, aufgehetzte Mursi-Sympathisanten als auch koordiniert agierende Angreifer, die Überfälle orchestrierten, die den Islamisten in die Schuhe geschoben werden können.

 

Vorfälle dieser und ähnlicher Art müssten von offizieller Seite untersucht werden. Nach jedem Blutbad der letzten zweieinhalb Jahre wurde schonungslose Aufklärung versprochen, aber ich kann mich an keinen einzigen Untersuchungsbericht erinnern. Und wenn es Pressekonferenzen gab, auf denen »Untersuchungsergebnisse« präsentiert wurden, waren sie keine einzige der Minuten wert, die man für sie opferte.

 

Im Oktober 2011 habe ich sechs Stunden lang aus nächster Nähe mit ansehen müssen (ich konnte den Ort nicht verlassen), wie das ägyptische Militär vor dem TV-Gebäude Maspero ein Massaker unter Teilnehmern einer Christendemonstration verübte. Ich sah Soldaten, die auf Menschen schossen (die dann getroffen zusammensackten), ich sah, wie gepanzerte Militärfahrzeuge über Demonstranten fuhren. Am Ende waren mindestens 27 Menschen tot.

 

Ein paar Tage später gaben Armeeoffiziere auf einer Pressekonferenz die offizielle Version der Militärs bekannt. Fast alles, was sie sagten, war praktisch das Gegenteil von dem, was ich selber gesehen hatte. Ähnliche Erfahrungen macht man immer wieder auch mit Erklärungen anderer Behörden. Es ist leider so, dass die Informationen offizieller Stellen in Ägypten keinen Wert haben. Sie können stimmen (und tun das womöglich hin und wieder auch), aber sie können ebenso gut auch komplett dem Reich der Phantasie entstammen. Man könnte sie eigentlich ignorieren. Sie helfen einem bei der Suche nach dem Hergang der Ereignisse keinen einzigen Millimeter weiter. ■

 

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Mafia, Maori, Maasdamer

Picture 2Manchmal ist doch wunderbar, wenn die Welt klar, kompakt und Entscheidungen einfach sind. Ich zb wüßte genau, was ich machen würde, wenn ich am 1. August um 20 Uhr nicht in silly Sydney, sondern ausnahmsweise circa 16500 Kilometer weiter nördlich wäre: Ich würde in die Rudi-Dutschke-Straße 23 in BerlinKreuzberg radeln, mich im taz-Café an einen schattigen Tisch setzen, zuhören, am Kaltgetränk nippen und viel und laut lachen.

Dann und dort nämlich lesen drei Weltreporter aus ihren extrem kurzweiligen Büchern: Anke Richter (Christchurch), Kerstin Schweighöfer (Den Haag) und Martin Zöller (Rom/München) lassen bei ihrer Culture-Clash Lesung übrigens auch mit sich reden und diskutieren. Das Motto des Abends ist sommerlich freudvoll alliteriert und geht so: “Mafia, Maori und Maasdamer”. Aber lassen Sie sich davon nicht abschrecken 😉 es wird garantiert ein urkomisch vergnüglicher Abend! Viel Spass und gute Unterhaltung!

Ps: der Eintritt ist übrigens frei.

 

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Auf den Ramblas: Still gestanden!

Barcelona ist eine schizophrene Stadt: Einerseits will man weltoffene Metropole sein, andererseits gibt es immer wieder absurde Beispiele eines doch sehr kleinstädtischen Besitzstandsdenken. Besonders gern zeigt sich das in der schon seit Jahren und quer durch alle Parteien grassierenden Regulierungswut. Jüngstes Beispiel: Die lebenden Statuen auf der Ramblas, die neben Sagrada Familia wohl inzwischen zu den meist fotografierten Tourismus-Ikonen der Stadt zählen.

Seit 2011 müssen sich die Straßenkünstler einem Casting mit strikten Regeln unterziehen: Das Kostüm muss handwerklich gut gemacht und selbst gestaltet sein, sollte künstlerischen Wert haben und die Statue muss – wenig überraschend – tatsächlich die meiste Zeit bewegungslos da stehen. Die Vereinigung der Lebenden Statuen Barcelonas hat die Initiative seiner Zeit begrüßt, denn tatsächlich war die Lage auf den Ramblas angespannt bis unerträglich: teils drängte sich ein Dutzend Statuen auf einer Strecke von 30 Metern und stellte dem Publikum mit teils penetranten Bettemethoden nach. Den Vogel schoss ein rosa Plüschbär ab, der Passanten gerne von hinten umarmte. Etwas Regulierung tat also not. Nun hat die Stadtverwaltung in diesem Jahr die Regeln verschärft. Neben aktueller Bühnenerfahrung wurden unter anderem diverse Fortbildungen in Sachen Schauspiel und Performancekunst eingefordert und den Künstlern nahegelegt, sich doch bei der Kostümwahl an repräsentativen historischen Persönlichkeiten Barcelonas oder Kataloniens zu inspirieren. Resultat: Keiner bewarb sich. Die Stadt ruderte zurück, beharrte nur noch auf dem Punkt mit den „repräsentativen Figuren“ und erteilte den üblichen Verdächtigen die Still-Steh-Genehmigung – allerdings an einem neuen Ort, am unteren Abschnitt der Ramblas, nahe der Kolumbusstatue.

Dort traf ich auch Fabián López, den goldenen Seemann, der mir die Geschichte erzählte – mit Schweissperlen auf der Stirn und jeder Menge Wut im Bauch. Denn am Fuße der Kolumbusstatue ist die Rambla nicht nur besonders breit, so dass kaum Touristen stehen bleiben, sondern auch besonders sonnig, so dass das Gewerbe noch schweißtreibender ist als ohnehin. Seine Einnahmen wären am neuen Standort um die Hälfte zurückgegangen,und das zur Hauptsaison, in der es doch für den Winter vorzusorgen gelte, schimpfte Fabián. Seine Vermutung: Die Stadt möchte das Geschäft mit den lebenden Statuen gern selbst übernehmen und Kostümgestaltung und Performance dem städtischen Theaterinstitut übertragen, zwecks besserer Kontrolle. Das klingt zwar nach Verschwörungstheorie; einer Stadt, die Ballspielen,im Stadtzentrum Bikini tragen und den Einkauf beim (illegalen) fliegenden Händler mit teils saftigen Geldstrafen handelt, wäre das durchaus zuzutrauen. Kann also gut sein, dass an den Ramblas mittelfristig als Kolumbus, Sant Jordi (der heilige Georg ist offizieller Schutzpatron Kataloniens) oder Pep Guardiola (der sakrosankte Ex-Barça-Trainer ist inzwischen fast so etwas wie der inoffizielle Schutzpatron Barcelonas) verkleidete Schauspielstudenten Spalier stehen. Praktischerweise könnten die dann gleich auch als Fremdenführer fungieren. Eine Münze in die Kappe werfen und schon weist der ausgestreckte Zeigefinger zur nächsten Sehenswürdigkeit.

 

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Im Vermieterparadies

Argentinien ist ein Land mit eigenen Regeln: Hier fahren Krankenschwestern in der gleichen Kleidung, in der sie später in der Notaufnahme stehen, morgens im voll besetzten Bus zur Arbeit. Rechnungen (auch Gas, Strom, Wasser) haben einen Strichcode und man kann sie an der Supermarktkasse zahlen. Und um eine Wohnung zu mieten, muss man eigentlich schon eine haben.


Glücklich schlafen in Buenos Aires: Nur mit garantía!

In Argentinien braucht man eine garantía, um eine Mietwohnung zu bekommen. Eine garantía ist eine Bürgschaft in Form einer anderen Wohnung. Sollte der Mieter die Bude abfackeln oder Mietschulden haben, bekommt der Vermieter die Wohnung des Bürgen. Und das kann nicht irgendeine Wohnung sein: Der Wohnraum muss einen vergleichbaren Wert haben und in einer dem Vermieter genehmen Gegend liegen. Wenn dem die Immobilie des Bürgen nicht gefällt, wird der Vertrag nicht unterschrieben.

Wer also keine eigene (Erst-)Wohnung hat, braucht Freunde, die bereit sind, Haus und Hof zu verpfänden. Jemandem eine garantía zu geben ist der vielleicht grösste Freundschaftsbeweis, den ein Argentinier machen kann. Zum Grillen einladen kann man mehrere Großfamilien und das jeden Sonntag. Die Wohnung kann nur zweidrei Mal verbürgt werden.

Als Ausländer ohne garantía hat man drei Möglichkeiten: Zu meist absurd hohen Preisen zur Untermiete hausen (und wenn Besuch aus der Heimat kommt hat man Pech, denn in den möblierten Zimmern darf man oft keine Gäste haben). Eine gefälschte garantía auf dem Schwarzmarkt kaufen und hoffen, dass sie nicht auffliegt. Jemanden finden, der sein Haus für einen verpfändet.

Es wäre allerdings ungerecht, auf die Vermieter zu schimpfen, ohne die andere Seite zu sehen (1): Argentinische Mieter scheinen außer Rand und Band zu geraten, wenn sie irgendwann ausziehen. Als ich in meine jetzige Wohnung einzog, fehlte das Rohr vom Spülkasten zur Toilette und der Sicherungskasten war weg, die Stromkabel waren mit Klebeband direkt aneinander geklebt.

Inzwischen miete ich nun seit sechs Jahren die gleiche Wohnung. Ruhe habe ich aber immer noch nicht. Erstens kümmern sich Vermieter hier um nichts (immerhin – den neuen Durchlauferhitzer hat meiner zur Hälfte übernommen, weil der alte unkontrolliert Gas ausspuckte und eine echte Gefahr war). Und zweitens werden Mietverträge in Argentinien alle zwei Jahre erneuert. Dann kann sich nicht nur die Miete verdoppeln, sondern der Makler heimst jedes Mal neu zwei ganze Monatsmieten Provision ein. Eine Quittung gibt er mir dafür – natürlich! – nicht. Mieterrechte sind gesetzlich so gut wie nicht geregelt, sagte man mir übrigens beim Mieterschutzbund. Ich könne den Vermieter ja darauf hinweisen, dass das “gegen die guten Sitten verstoße”. Mach’ ich gleich morgen. Da wird er sicher nachts ins Kissen heulen.

(1) Liebe Vermieter mit Wohungseigentum in Argentinien. Bitte seht davon ab, mir Leserbriefe zu schreiben. Es tut mir sehr Leid für Euch, wenn Eure Mieter nicht auf Eure Wohnungen aufpassen. Gebt sie einfach mir! (allen, denen diese Fußnote absurd erscheint sei gesagt: Ist sie nicht! Ich habe tatsächlich schon böse Leserbriefe von Menschen bekommen, die in Argentinien Wohnungen vermieten und das System der garantía verteidigen. Dabei zweifele ich ja gar nicht daran, dass auch die Vermieter hier ein hartes Los treffen mag!)

Ein hilfreicher Link für wohnungssuchende Buenos Aires-Besucher: http://buenosaires.es.craigslist.org/

 

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“Arbeiten” in den Zeiten von Email …

Internet, höre ich oft, macht unsere Arbeit schneller und flexibler, vor allem erleichtert es die Kommunikation.
Wirklich? Nach einer Woche mit einem Duzend Gesprächen wie dem  Folgenden wage ich vorsichtig zu zweifeln:

– “Hi Cindy, für eine Reportage in Magazin Xy über TT würde ich gerne mit Dr Wz (Cindys Boss) sprechen. Wär das in den nächsten Tagen möglich?”
(Umrundet wird dieses Intro von dem in Australien üblichen Austausch über Wetter, Befinden der Gesprächspartner, deren letztes Wochenende, etc., die ich hier aus Gründen der Kürze weglasse).
– Was für eine großartige Idee! Wie war Ihr Name noch gleich?
– JJ
– Und wo sagten Sie noch…?
– bei XY… 
(jetzt liefere ich ein Exkurs zu Auflagenzahlen, Brillanz, Schlagkraft des besagten Objekts im Allgemeinen und der Glorie, die geplante Geschichte auch für Cindy und ihren Boss haben wird im Besonderen …  ps: das ist oft der Moment, in dem ich mich frage, ob ich wohl auch auf dem Isemarkt Allgäuer Bergkäse verkaufen könnte)
– How absolutely AMAZING!
(Cindy ist vor Glück überwältigt, es folgen diverse positive Ausrufe, die mein Anliegen ganz weit oben in die Kategorie “wunderbare Ereignisse der Woche” sortieren dürften)
–  Well, ja, ich denke auch das könnte interessant werden.

Jetzt hat Cindy eine Idee, die ihren Tag vergoldet:
–       Warum, liebe JJ, fassen Sie das alles nicht rasch für mich in einem E-mail zusammen und poppen es in meine Mailbox?
(Übersetzung: Cindy wird mein E-mail an Kylie in der Pressestelle weiterklicken, die mein E-mail in den Ordner “lästige Anfragen/zum Jahresende löschen” schiebt.)

– Warum, Cindy, kannst du uns nicht allen viel Zeit und Arbeit sparen und mich einfach zu Wz durchstellen, oder ihn bitten mich zurückzurufen. Er ist schließlich Regionalchef des Känguru-Schutz-Klubs und nicht der Kaiser von China. (Das sage ich natürlich nicht, sondern denke es nur, laut lüge ich:)– Kein Problem, das mache ich gerne, great talking to you, Cindy!

Zwei Tage später rufe ich Kylie in der Pressestelle an, wir werden ein ähnlich herzliches Gespräch führen. Zum Abschluss wird Kylie sagen:
– Warum fassen Sie das nicht rasch für mich in einem E-mail zusammen und werfen es in meine Mailbox …?

Ich lege auf. Dann denke ich dankbar darüber nach, wie Emails unsere Kommunikation erleichtern und beschleunigen, wie sie Alltag und Arbeit eigentlich überhaupt erst möglich machen… Und dann träume ich ganz kurz von jener altmodischen Epoche, in der Menschen noch miteinander telefonierten.

 

 

 

 

 

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Training mit dem Lachweltmeister. Ein Selbstversuch

Vor mir kugelt sich ein Mann in weißem Kittel auf dem Boden und lacht hysterisch. Seine Augen treten hervor, Schweiß und Tränen rinnen über sein erhitztes Gesicht, aus den Mundwinkeln quillt Spucke. Er zuckt mit den Beinen, rudert mit den Armen, dann zerrt er an seiner eng gebundenen Krawatte, um Luft zu bekommen. Ist der Mann verrückt geworden? Hat er Drogen genommen? Muss ich einen Arzt rufen? Nein, muss ich nicht, denn ich bin gekommen, um von diesem Mann etwas zu lernen. Lachen. Belachew Girma ist Lachweltmeister. In Dachau lachte er 2008 drei Stunden und sechs Minuten. Am Stück. So viel Zeit habe ich nicht. Und so wie der Typ auf dem Fußboden möchte ich eigentlich auch nicht werden. Aber ein bisschen mehr zu lachen zu haben – warum nicht?

Als Belachew sich Schweiß, Speichel und Tränen aus dem Gesicht gewischt hat, stellt er sich vor mich, zeigt mit dem Finger auf mich, und sagt etwas, das ich nicht verstehe. Er und die 22 Äthiopier, die sich zum Lachseminar angemeldet haben, finden es sehr lustig und fangen an zu lachen. Ich habe eher das Gefühl, sie lachen über mich. Nach ein paar endlosen Sekunden, fange ich auch an, zu lachen. Nicht, weil ich die Situation so komisch finde, sondern weil es mir lieber ist, wenn die Leute mit mir anstatt über mich lachen. Es wirkt. Ich werde erlöst. Belachew zieht weiter, lacht zunächst scheinbar wieder über, dann mit dem nächsten Kursteilnehmer.

Wie kommt jemand darauf, ausgerechnet in Äthiopien, einem Land, in dem es oft nicht viel zu lachen gibt, die erste Lachschule Afrikas zu gründen? Und warum gehe ich zum Training?

„Wir geben Training, wie man über Hunger und Zerstörung lacht“, heißt es auf der Homepage des Lachinstituts. Ich würde eigentlich lieber über heiterere Dinge lachen, aber zumindest hat dieses seltsame Lernziel meine Neugier auf den komischen Vogel, der über Hunger und Zerstörung lachen kann, geweckt.

Die Teilnahme an vier Sitzungen der Lachschule kostet 450 Birr. Etwa so viel wie ein ungelernter Arbeiter im Monat verdient. Neben den lautstarken praktischen Übungen kriege ich dafür per Powerpoint auch Kalenderspruch-Weisheiten wie „Wenn das Leben Dir eine Zitrone gibt, quetsche sie aus, und mache eine Limonade daraus“ oder „Niemand ist arm, solange er noch lachen kann“ verabreicht. Ich finde die Sprüche nicht soooo witzig, aber
die Streber im Kurs quittieren alles mit schallendem Gelächter, versuchen gar, das Gegluckse des großen Meister zu übertönen.

„Ich war mal HIV-positiv. Jetzt bin ich gesund. Gott halt mich geheilt, und Lachen ist die beste Medizin“, sagt Belachew mir nach dem Training mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.

Während ich dies schreibe, habe ich tierische Kopfschmerzen. Ich habe gerade versucht, sie wegzulachen. Sie sind noch immer da. Allerdings habe ich bislang auch nur eine Trainingssession besucht.

 

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Kai Schächtele mit “WM – ein Wintermärchen” für Grimme Online Award nominiert

Sie wollten mal zeigen, wie Journalismus auch gehen kann – auf eigene Faust losfahren, alles mit eigenen Augen sehen und hören und dann täglich und stündlich und multimedial für einen Leser-Kreis berichten. Unser Weltreporter-Kollege Kai Schächtele und der Fotograf und Designer Christian Frey waren im vergangenen Jahr zwischen Kapstadt und Johannesburg unterwegs, um von hinter den Kulissen der Fußball-Weltmeisterschaft zu berichten – für eine ständig wachsende Zahl von Fans.

Jetzt ist ihr “Die WM – ein Wintermärchen” unter fast 2.100 Einsendungen für einen Grimme-Online-Award nominiert worden, zusammen mit 5 anderen in der Kategorie “Wissen und Bildung”. Wir sind ganz schön stolz auf Kai!

So, und wer ihm und Christian beim Grimme Online Award noch Rückenwind geben will – Stimme abgeben für “Die WM – ein Wintermärchen” beim Grimme Online Publikumspreis!

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“Mit fremden Augen”

 

Ausländische Reporter genießen in Israel kein hohes Ansehen. Zu unabhängig ist ihre Berichterstattung. Sie fahren nach Gaza und in die Westbank und berichten von der anderen Seite der Mauer. Das ist nicht im Interesse der israelischen Regierung, die alles in ihrer Macht stehende tut, damit Israelis und Palästinenser einander nicht wahrnehmen, einander nicht begegnen: Israelis dürfen die Städte des Westjordanlands nicht betreten, nach Gaza dürfen ohnehin nur noch Diplomaten, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und bei der israelischen Regierung akkreditierte Journalisten. So fällt das „othering“ leichter, das Kreieren eines Bildes vom Anderen als „Feind“, „Terrorist“ oder „Rassist“. Und umgekehrt dürfen nur handverlesene Bewohner des Westjordanlandes und des Gazastreifens nach langwierigen und unübersichtlichen Genehmigungsverfahren für kurze Zeit auf die israelische Seite. Solche zum Beispiel, die dringend eine medizinische Behandlung brauchen, die es nur in Israel gibt.

 

Ausländische Journalisten aber, die offiziell bei der israelischen Regierung akkreditiert sind, dürfen mit ihrem Pass und dem Ausweis des israelischen Presseamtes zwischen den Seiten hin- und herpendeln. Die Geschichten, die sie von der anderen, der auch für die israelischen Journalisten-Kollegen nicht zugänglichen Seite mitbringen, fließen in den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung über Israel in ihren Herkunftsländern ein. Und diesem Bild von Israel begegnen die reisefreudigen Israelis, wenn sie ihr Land verlassen. Die Leser, Hörer und Zuschauer in Frankreich, Italien und Deutschland konfrontieren die Israelis dann gerne unaufgefordert mit schlichten Theorien zur Lösung des Nahost-Konflikts. Und das geht vielen Israelis auf den Wecker.

Deshalb hat die israelische Regierung vor ein paar Wochen kurzerhand eine Kampagne zur Diskreditierung der ausländischen Presse gestartet. Sie hat die Bevölkerung aufgerufen, selbst aktiv dazu beizutragen, das Image Israels im Ausland zu verbessern. Auf der von der Regierung betriebenen Internetseite http://www.masbirim.gov.il/ ist zum Beispiel ein Video zu sehen, das eine französische Korrespondentin zeigt, die über schwere Gefechte in Israel berichtet, während im Hintergrund die prächtigsten Feuerwerke zu sehen sind. Ein anderes Filmchen zeigt einen britischen Reporter, der an der Seite eines Kamels durch den heißen Wüstensand stapft und mit Kennermiene erläutert, dass Kamele in Israel nach wie vor ein Haupt-Fortbewegungsmittel sind. Im Abspann heißt es dann jeweils: „Haben auch Sie genug davon, wie man uns im Ausland darstellt? Sie können dazu beitragen, das zu verändern!“

Die auflagenstärkste hebräische Tageszeitung, „Jedioth Achronoth“, hat inzwischen dagegen gehalten und eine umfangreiche Wochenend-Beilage herausgegeben. Auf 26 aufwändig gestalteten Seiten berichten neun Korrespondenten unter anderem aus Großbritannien, Italien, den USA, Frankreich und Deutschland vielseitig und kenntnisreich über ihre Arbeit in Israel und den Palästinensergebieten. „Mit fremden Augen“ lautet der Titel der Beilage. Es scheint, als traute die Redaktion des Massenblattes „Jedioth Achronoth“ ihren Lesern mehr kritisches Bewusstsein zu als den gewählten Volksvertretern lieb ist.

 

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Elche, Träumer, Königskinder

Für die einen sind sie ein Symbol trauter Eintracht, für die anderen nur ein ärgerliches Hindernis: Kronprinzessin Victoria und ihr auserkorener Prinzgemahl Daniel Westling, die sich im königlichen Park Haga im Norden Stockholms das Nest für künftige  Familienfreuden bereiten. Der Park wurde von 1771 bis 1780 auf drei Inseln in Brunsviken nach eigenhändigen Skizzen des Künstlerkönigs Gustav III. zu einer idealen Naturlandschaft geformt und darauf kleine Brücken, Tempel, Pavillons und Kanäle verteilt. Doch bevor er die Pläne zu einem monumentalen Palast realisieren konnte, begegnete Gustav auf einem Maskenball 1792 seinem Mörder. Immerhin das bescheidene Schloss Haga wurde fertig. Hier wuchs König Carl XVI. Gustaf in den 40er Jahren vaterlos unter seinen Schwestern Margaretha, Birgitta,  Desirée und Christina auf. Fortan wurde das Gemäuer als Gästehaus der Regierung genutzt. Wo einst allerhand illustre Würdenträgern ihre müden Häupter betteten, sollen nach der Traumhochzeit im Juni die Thronfolgerin und ihr Gemahl einziehen. Hundehalter und Flaneure ärgern sich schon jetzt über den pompösen Eisenzaun, der im Park emporwächst.

Unterdessen polieren sie im Stockholmer Dom die Wappen der Edlen und das hölzerne Standbild des tapferen Georg, zu dessen Füßen sich der dänische Drache windet. Das mediale Großereignis beschert Storkyrkan eine Generalüberholung für umgerechnet 1,4 Millionen Euro. Mit immer neuen Alarmmeldungen aus der Welt der Schneider, Juweliere und Kuchenbäcker fiebert Svensk Damtidning dem Mittsommer entgegen. Und auch Johan Lindwall, Hofberichterstatter des Boulevardblatts Expressen müht sich verzweifelt, dem recht drögen Fitnesstrainer Daniel skandalöse Seiten abzuringen. Derweil setzt das öffentlich-rechtliche SVT auf Dauerberieselung: Die recht blonde Ebba von Sydow konfrontiert das ermüdende Publikum an jedem Montag mit allerhand Kuriositäten nordischer Blaublüter.  

Nur im schönen Ockelbo können sie ganz gelassen sein. Dort hat Viktoria im Juni letzten Jahres die Kälber „Embla“ und „Ask“ zur Welt gebracht. „Daniel weiß wirklich wie er die Damen zu nehmen hat“, schwärmt Lars Akesjö von seinem kapitalen Sechsender. In der nordschwedischen Heimat des Prinzgemahls betreibt der findige Schwede eine Elchfarm. Schon vor Jahren hat er den Rummel um die Hochzeit vorausgesehen und seine Jungelche nach dem Bernadotte-Spross und ihrem bürgerlichen Lover benannt.

 

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Eine verlockend reale Fantasie

Normalerweise hätte ich an den Gedanken keine Sekunde verschwendet. Zumal das Angebot wohl auch nicht so ganz ernst gemeint war. Oder auf jeden Fall nicht selbstlos. Doch wenn man nach fast einem Jahr des Neuanfangs immer noch nicht viel mehr als zwei Dutzend Absagen und nicht eingelöste Versprechen in den Händen hält, könnte man glatt schwach werden. An Schönheit würde der potentielle Arbeitsplatz Berlin jedenfalls an nichts nachstehen, im Gegenteil. Bainbridge ist eine ruhige, grüne Insel vor den Toren Seattles, die Fähre über den Pudget Sound braucht gerade einmal 30 Minuten. Und wer so wohnt wie meine Schwiegereltern, der hat des Abends eine atemraubende Aussicht auf die Skyline der größten Stadt in Washington State (siehe Video für einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster bei Dämmerung).

Die Arbeit selbst klang auch nicht allzu abstoßend. „In Uniform siehst Du bestimmt hinreißend aus“, flötete meine Schwiegermutter, die gerade zu Besuch ist, um Baby No. 2 endlich in die Arme zu schließen. „Der Aufenthaltsraum hat Kabelfernsehen – und das wirst Du auch brauchen“, sagte ihr Mann Bob mit einem schrägen Grinsen. Nix los sei schließlich auf der Insel, die vorwiegend von gesitteten Mittelständlern und betuchten Pensionären bewohnt wird. Ihm, der über 30 Jahre lang Verbrecher in den übelsten Gegenden Los Angeles´ jagte, wäre das viel zu langweilig. Aber den Mann seiner Tochter und Vater seiner Enkelkinder würde er natürlich nie einer echten Gefahr aussetzen. Also schwärmte Bob weiter: Ich könnte mich als Hundeführer ausbilden lassen. Oder als Fahrradpolizisten. Außerdem habe die Station gerade ein niegelnagelneues Boot bekommen, mit dem die Polizisten munter durch den Sound düsten: „Die Motoren voll aufgedreht.“

Wirklich hellhörig aber wurde ich, als meine lieben Schwiegereltern mit den nackten Zahlen rausrückten. Mit 75.000 Dollar Gehalt dürfte ich rechnen während der ersten fünf Monate auf der Polizeiakademie. Danach stiege es auf 85.000 Dollar und wenig später auf 100.000. Für meine Sprachkenntnisse gäbe es 5 Prozent obendrauf – und Überstunden zählen eh extra, wer will schon länger als von 8 bis 17 Uhr arbeiten. Nach 20 Jahren hätte ich Anspruch auf 40 Prozent meines Gehaltes als Rente, nach 25 immerhin auf 70. Selbst meinen Einwand, so alte Knacker wie mich (43) würden sie kaum noch nehmen, wiegelten beide im Chor ab: Vor nicht allzu langer Zeit sei jemand eingestellt worden, der genauso alt gewesen sei. No problem. Außerdem würden sie eh die richtigen Leute kennen. Connections, you know…

Meine Frau hörte sich unsere Konversation schweigend an und lächelte gequält. Sie kennt mich zu gut, um nicht zu merken, dass ich echtes Interesse an den Tag legte. Doch weder die Vorstellung, dass ich künftig als Polizist eine Zielscheibe für durchgeknallte amerikanische Waffenträger abgeben könnte behagte ihr, noch die langsam wachsende Hoffnung ihrer Eltern, die Familie bald ganz nahe bei sich zu haben. Also setzte ich dem Spuk mit einem übertriebenen Lachen ob der absurd paradiesischen Aussichten ein Ende und ging zurück an die Arbeit. Die dritte Fassung eines Interviews redigieren, an dem ich schon zwei Tage saß und das am Ende satte 100 Euro einbringen sollte. Vor Steuern und Rentenversicherung, versteht sich.

 

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In den Wartezimmern der Welt

Letzte Woche war es mal wieder soweit: Höchste Zeit, die Aufenthalterlaubnis verlängern zu lassen – ein alljährlicher Spießrutenlauf, den man gerne aufschiebt bis zum letzten Moment.

Immerhin vergibt die Ausländerpolizei neuerdings Termine, um die kilometerlangen Warteschlangen zu verkürzen. Genützt hat unser Termin um 14.45 Uhr dann aber nicht viel, denn die Kasse, an der die Verwaltungsgebühr zu entrichten ist, schließt um 14.30 Uhr, so dass man ohnehin am nächsten Morgen wiederkommen muss.

Egal, bisher hat sowieso noch nie jemand auf Anhieb alle erforderlichen Papiere beibringen können. Uns wäre es jetzt – bei der dreizehnten Verlängerung – zwar fast gelungen, doch seit dem Vorjahr hat man sich mal wieder etwas Neues einfallen lassen: Damit auch unsere zehnjährige Tochter weiter in dem Land bleiben darf, in dem sie geboren ist, müssen wir jetzt eine eidesstattliche Versicherung beifügen, dass wir für die Dauer ihres Aufenthalts in der Türkei für ihre „Speisung und Tränkung“ aufkommen werden.

Nun gut, was tut man nicht alles für eine Aufenthaltsgenehmigung – aber halt, so einfach ist das nicht: Der Schwur muss notariell beglaubigt werden, und jetzt wird es kompliziert. Denn der Notar will einen gültigen Ausweis sehen, bevor er uns den Schwur abnimmt, und ein deutscher Reisepass tut es da nicht. Auch der türkische Presseausweis reicht nicht, obwohl er vom Ministerpräsidentenamt ausgestellt und mit allerlei Siegeln verziert ist. Nein, nur eine gültige Aufenthaltserlaubnis der Türkischen Republik darf es sein, wenn einem Ausländer der Eid abgenommen werden soll. Aber unsere Aufenthaltserlaubnis ist leider abgelaufen, darum brauchen wir ja die eidesstattliche Versicherung…

Lästig, nervenaufreibend und zeitraubend ist das alles natürlich, zumal ich mir im multinationalen Gedränge auf den winterlichen Fluren der Ausländerpolizei auch mal wieder eine Grippe eingefangen habe. Aufregen kann ich mich über den bürokratischen Hürdenlauf aber nicht. Schließlich weiß ich, was türkische Staatsbürger schon für ein Gerenne haben, um nur ein Visum für Deutschland zu bekommen. Was für eine deutsche Aufenthaltsgenehmigung zu erdulden ist, kann ich nur dunkel ahnen. In einem deutschen Ratgeber für aufenthaltswillige Ausländer heißt es jedenfalls: „Bereiten Sie sich auf umfangreiche bürokratische Regelungen und lange Wartezeiten vor.“

 

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